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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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bisher und nicht mehr heilen zu wollen schien. Daß er
nach seiner Heimath reisen, seine alten Eltern noch
einmal sehen, sich mit ihnen versöhnen wolle, erfuhr
ich folglich nicht. Jch würde, wär' es mir vorher
und geworden, mein starres Schweigen über meine
heimathlichen Zustände wahrscheinlich gebrochen und
den Carino beauftragt haben, sich nach allen Einzel-
heiten zu erkundigen. So hörte ich nur von seiner
gänzlichen Uebersiedelung nach Deutschland, von
einer Stelle, die er am Hofe eines kleinen Fürsten
angenommen und wovon er einigen seiner künstleri-
schen Freunde Wunderdinge schrieb. Jch gönnte ihm
sein Glück und fand mich leicht in den Gedanken, ihn
niemals wiederzusehen. Doch bevor noch die Herbst-
vögel ihre Flüge und Züge begannen, war er schon
wieder in Jtalien, war er schon wieder bei mir und
trat ein mit seinem gewöhnlichen Wahlspruch, den
er für diesen Fall einem verwunderlichen Schauspiele
von Göthe -- (seinem Liebling unter allen Dichtern)
-- zu entlehnen pflegte: "Rinaldo wieder in den
alten Ketten." Diesmal galt meine Freude über
die Rückkehr des Freundes mehr als seiner Person,
wahrlich seinen Erzählungen. Jndem ich zunächst
nach seinen Eltern fragte, wozu ich ja zwiefach berech-

bisher und nicht mehr heilen zu wollen ſchien. Daß er
nach ſeiner Heimath reiſen, ſeine alten Eltern noch
einmal ſehen, ſich mit ihnen verſoͤhnen wolle, erfuhr
ich folglich nicht. Jch wuͤrde, waͤr’ es mir vorher
und geworden, mein ſtarres Schweigen uͤber meine
heimathlichen Zuſtaͤnde wahrſcheinlich gebrochen und
den Carino beauftragt haben, ſich nach allen Einzel-
heiten zu erkundigen. So hoͤrte ich nur von ſeiner
gaͤnzlichen Ueberſiedelung nach Deutſchland, von
einer Stelle, die er am Hofe eines kleinen Fuͤrſten
angenommen und wovon er einigen ſeiner kuͤnſtleri-
ſchen Freunde Wunderdinge ſchrieb. Jch goͤnnte ihm
ſein Gluͤck und fand mich leicht in den Gedanken, ihn
niemals wiederzuſehen. Doch bevor noch die Herbſt-
voͤgel ihre Fluͤge und Zuͤge begannen, war er ſchon
wieder in Jtalien, war er ſchon wieder bei mir und
trat ein mit ſeinem gewoͤhnlichen Wahlſpruch, den
er fuͤr dieſen Fall einem verwunderlichen Schauſpiele
von Goͤthe — (ſeinem Liebling unter allen Dichtern)
— zu entlehnen pflegte: „Rinaldo wieder in den
alten Ketten.“ Diesmal galt meine Freude uͤber
die Ruͤckkehr des Freundes mehr als ſeiner Perſon,
wahrlich ſeinen Erzaͤhlungen. Jndem ich zunaͤchſt
nach ſeinen Eltern fragte, wozu ich ja zwiefach berech-

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[262/0266] bisher und nicht mehr heilen zu wollen ſchien. Daß er nach ſeiner Heimath reiſen, ſeine alten Eltern noch einmal ſehen, ſich mit ihnen verſoͤhnen wolle, erfuhr ich folglich nicht. Jch wuͤrde, waͤr’ es mir vorher und geworden, mein ſtarres Schweigen uͤber meine heimathlichen Zuſtaͤnde wahrſcheinlich gebrochen und den Carino beauftragt haben, ſich nach allen Einzel- heiten zu erkundigen. So hoͤrte ich nur von ſeiner gaͤnzlichen Ueberſiedelung nach Deutſchland, von einer Stelle, die er am Hofe eines kleinen Fuͤrſten angenommen und wovon er einigen ſeiner kuͤnſtleri- ſchen Freunde Wunderdinge ſchrieb. Jch goͤnnte ihm ſein Gluͤck und fand mich leicht in den Gedanken, ihn niemals wiederzuſehen. Doch bevor noch die Herbſt- voͤgel ihre Fluͤge und Zuͤge begannen, war er ſchon wieder in Jtalien, war er ſchon wieder bei mir und trat ein mit ſeinem gewoͤhnlichen Wahlſpruch, den er fuͤr dieſen Fall einem verwunderlichen Schauſpiele von Goͤthe — (ſeinem Liebling unter allen Dichtern) — zu entlehnen pflegte: „Rinaldo wieder in den alten Ketten.“ Diesmal galt meine Freude uͤber die Ruͤckkehr des Freundes mehr als ſeiner Perſon, wahrlich ſeinen Erzaͤhlungen. Jndem ich zunaͤchſt nach ſeinen Eltern fragte, wozu ich ja zwiefach berech-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/266>, abgerufen am 15.05.2024.