Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.traf Anstalten, wie sie in ein Todtenzimmer gehören. Er blieb nachdenklich bei der Leiche stehen, -- Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem traf Anſtalten, wie ſie in ein Todtenzimmer gehoͤren. Er blieb nachdenklich bei der Leiche ſtehen, — Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="215"/> traf Anſtalten, wie ſie in ein Todtenzimmer gehoͤren.<lb/> Unterdeſſen war die Leiche kalt geworden. Er legte<lb/> ſeine Hand auf ihre Stirn .... „Desdemona!“<lb/> ſprach er, jenes Abend’s gedenkend, wo Theodor<lb/> grauſam genug die Feindſeligkeiten wider eine gemiß-<lb/> handelte Saͤngerin neu hervorgerufen. „Desdemona,<lb/> jetzt koͤnnen ſie Dir keine Schmach mehr zufuͤgen;<lb/> und <hi rendition="#g">er,</hi> Dein Gegner, iſt auch dieſer Welt der Feind-<lb/> ſchaft entruͤckt. Werden Eure Seelen ſich begegnen<lb/> in der Welt des ewigen Friedens?“</p><lb/> <p>Er blieb nachdenklich bei der Leiche ſtehen, —<lb/> nun fiel ihm wieder ein, daß er ihren Ring an ſich<lb/> nehmen ſolle, „wenn ſie kalt ſei;“ — mit leichter<lb/> Muͤhe ſtreift’ er ihn vom abgemagerten Finger. Es<lb/> war ein ſchwerer, doch einfacher goldner Reif, ohne<lb/> jede Verzierung, außer einem Plaͤttchen, welches ſich<lb/> oͤffnen ließ. Jnwendig waren Lettern eingegraben.<lb/> Anton hielt ihn an das Licht. Er las: <hi rendition="#g">„Eva.“</hi></p><lb/> <p>Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem<lb/> Gewicht dieſes Namens in <hi rendition="#g">dieſem</hi> Ringe gleichſam<lb/> erdruͤckt, ohne zu denken; ohne denken zu koͤnnen.<lb/> Erſt allmaͤhlig, eines um das andere, ſtiegen einzelne<lb/> Bilder, Menſchen, Erinnerungen, Worte in ihm auf,<lb/> die ſich an einander reiheten und ihn zuruͤckfuͤhrten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0219]
traf Anſtalten, wie ſie in ein Todtenzimmer gehoͤren.
Unterdeſſen war die Leiche kalt geworden. Er legte
ſeine Hand auf ihre Stirn .... „Desdemona!“
ſprach er, jenes Abend’s gedenkend, wo Theodor
grauſam genug die Feindſeligkeiten wider eine gemiß-
handelte Saͤngerin neu hervorgerufen. „Desdemona,
jetzt koͤnnen ſie Dir keine Schmach mehr zufuͤgen;
und er, Dein Gegner, iſt auch dieſer Welt der Feind-
ſchaft entruͤckt. Werden Eure Seelen ſich begegnen
in der Welt des ewigen Friedens?“
Er blieb nachdenklich bei der Leiche ſtehen, —
nun fiel ihm wieder ein, daß er ihren Ring an ſich
nehmen ſolle, „wenn ſie kalt ſei;“ — mit leichter
Muͤhe ſtreift’ er ihn vom abgemagerten Finger. Es
war ein ſchwerer, doch einfacher goldner Reif, ohne
jede Verzierung, außer einem Plaͤttchen, welches ſich
oͤffnen ließ. Jnwendig waren Lettern eingegraben.
Anton hielt ihn an das Licht. Er las: „Eva.“
Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem
Gewicht dieſes Namens in dieſem Ringe gleichſam
erdruͤckt, ohne zu denken; ohne denken zu koͤnnen.
Erſt allmaͤhlig, eines um das andere, ſtiegen einzelne
Bilder, Menſchen, Erinnerungen, Worte in ihm auf,
die ſich an einander reiheten und ihn zuruͤckfuͤhrten
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