traf Anstalten, wie sie in ein Todtenzimmer gehören. Unterdessen war die Leiche kalt geworden. Er legte seine Hand auf ihre Stirn .... "Desdemona!" sprach er, jenes Abend's gedenkend, wo Theodor grausam genug die Feindseligkeiten wider eine gemiß- handelte Sängerin neu hervorgerufen. "Desdemona, jetzt können sie Dir keine Schmach mehr zufügen; und er, Dein Gegner, ist auch dieser Welt der Feind- schaft entrückt. Werden Eure Seelen sich begegnen in der Welt des ewigen Friedens?"
Er blieb nachdenklich bei der Leiche stehen, -- nun fiel ihm wieder ein, daß er ihren Ring an sich nehmen solle, "wenn sie kalt sei;" -- mit leichter Mühe streift' er ihn vom abgemagerten Finger. Es war ein schwerer, doch einfacher goldner Reif, ohne jede Verzierung, außer einem Plättchen, welches sich öffnen ließ. Jnwendig waren Lettern eingegraben. Anton hielt ihn an das Licht. Er las: "Eva."
Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem Gewicht dieses Namens in diesem Ringe gleichsam erdrückt, ohne zu denken; ohne denken zu können. Erst allmählig, eines um das andere, stiegen einzelne Bilder, Menschen, Erinnerungen, Worte in ihm auf, die sich an einander reiheten und ihn zurückführten
traf Anſtalten, wie ſie in ein Todtenzimmer gehoͤren. Unterdeſſen war die Leiche kalt geworden. Er legte ſeine Hand auf ihre Stirn .... „Desdemona!“ ſprach er, jenes Abend’s gedenkend, wo Theodor grauſam genug die Feindſeligkeiten wider eine gemiß- handelte Saͤngerin neu hervorgerufen. „Desdemona, jetzt koͤnnen ſie Dir keine Schmach mehr zufuͤgen; und er, Dein Gegner, iſt auch dieſer Welt der Feind- ſchaft entruͤckt. Werden Eure Seelen ſich begegnen in der Welt des ewigen Friedens?“
Er blieb nachdenklich bei der Leiche ſtehen, — nun fiel ihm wieder ein, daß er ihren Ring an ſich nehmen ſolle, „wenn ſie kalt ſei;“ — mit leichter Muͤhe ſtreift’ er ihn vom abgemagerten Finger. Es war ein ſchwerer, doch einfacher goldner Reif, ohne jede Verzierung, außer einem Plaͤttchen, welches ſich oͤffnen ließ. Jnwendig waren Lettern eingegraben. Anton hielt ihn an das Licht. Er las: „Eva.“
Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem Gewicht dieſes Namens in dieſem Ringe gleichſam erdruͤckt, ohne zu denken; ohne denken zu koͤnnen. Erſt allmaͤhlig, eines um das andere, ſtiegen einzelne Bilder, Menſchen, Erinnerungen, Worte in ihm auf, die ſich an einander reiheten und ihn zuruͤckfuͤhrten
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traf Anſtalten, wie ſie in ein Todtenzimmer gehoͤren.
Unterdeſſen war die Leiche kalt geworden. Er legte
ſeine Hand auf ihre Stirn .... „Desdemona!“
ſprach er, jenes Abend’s gedenkend, wo Theodor
grauſam genug die Feindſeligkeiten wider eine gemiß-
handelte Saͤngerin neu hervorgerufen. „Desdemona,
jetzt koͤnnen ſie Dir keine Schmach mehr zufuͤgen;
und er, Dein Gegner, iſt auch dieſer Welt der Feind-
ſchaft entruͤckt. Werden Eure Seelen ſich begegnen
in der Welt des ewigen Friedens?“
Er blieb nachdenklich bei der Leiche ſtehen, —
nun fiel ihm wieder ein, daß er ihren Ring an ſich
nehmen ſolle, „wenn ſie kalt ſei;“ — mit leichter
Muͤhe ſtreift’ er ihn vom abgemagerten Finger. Es
war ein ſchwerer, doch einfacher goldner Reif, ohne
jede Verzierung, außer einem Plaͤttchen, welches ſich
oͤffnen ließ. Jnwendig waren Lettern eingegraben.
Anton hielt ihn an das Licht. Er las: „Eva.“
Einige Minuten hindurch blieb Anton unter dem
Gewicht dieſes Namens in dieſem Ringe gleichſam
erdruͤckt, ohne zu denken; ohne denken zu koͤnnen.
Erſt allmaͤhlig, eines um das andere, ſtiegen einzelne
Bilder, Menſchen, Erinnerungen, Worte in ihm auf,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/219>, abgerufen am 26.07.2024.
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