Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie drüben, lesen Sie; unterhalten Sie sich, wie es
Jhrem Geiste angemessen ist, den ich würdige und
erkenne, -- wenngleich meine Bitten Theil daran
gehabt, Sie in diese geringe Umgebung zu verlocken.
Glauben Sie mir's, lieber Anton, ich hätte das nicht
gethan, wenn ich nicht wüßte, daß es nicht lange
dauern würde. Mein Tod ist nahe, der alte Dreher
kann ohne mich nicht mehr weiter. Es geht zu Ende
mit diesem Leben -- und mit diesem Puppenspiel, die
sich beide ähneln. Daß ich Sie an mich zu fesseln
suchte, geschah nicht allein aus Eigennutz, der von
Jhrem Umgange Trost, letzte Lebensfreude hoffte und
empfing. Es geschah nicht allein für mich -- es
geschah auch für Sie: für Jhre Zukunft! Für Jhr
Glück! Für Jhrer Seele Frieden! Das klingt Jhnen
jetzt noch wie Faseleien einer Fieberkranken? -- Mag
sein! Wenn mein Auge geschlossen, wenn dieser Mund
stumm ist, wird Jhnen deutlich werden, was heute
Wahnsinn scheint. O mein guter Anton, Sie schrei-
ben nicht allein Memoiren; die kranke Frau schreibt
auch welche. Ja, lachen Sie nur. Diese Kritzelei
wird Jhr Erbtheil von mir sein. Und Sie werden,
wenn Sie darin blättern, mehr wie einmal ausrufen:

Sie druͤben, leſen Sie; unterhalten Sie ſich, wie es
Jhrem Geiſte angemeſſen iſt, den ich wuͤrdige und
erkenne, — wenngleich meine Bitten Theil daran
gehabt, Sie in dieſe geringe Umgebung zu verlocken.
Glauben Sie mir’s, lieber Anton, ich haͤtte das nicht
gethan, wenn ich nicht wuͤßte, daß es nicht lange
dauern wuͤrde. Mein Tod iſt nahe, der alte Dreher
kann ohne mich nicht mehr weiter. Es geht zu Ende
mit dieſem Leben — und mit dieſem Puppenſpiel, die
ſich beide aͤhneln. Daß ich Sie an mich zu feſſeln
ſuchte, geſchah nicht allein aus Eigennutz, der von
Jhrem Umgange Troſt, letzte Lebensfreude hoffte und
empfing. Es geſchah nicht allein fuͤr mich — es
geſchah auch fuͤr Sie: fuͤr Jhre Zukunft! Fuͤr Jhr
Gluͤck! Fuͤr Jhrer Seele Frieden! Das klingt Jhnen
jetzt noch wie Faſeleien einer Fieberkranken? — Mag
ſein! Wenn mein Auge geſchloſſen, wenn dieſer Mund
ſtumm iſt, wird Jhnen deutlich werden, was heute
Wahnſinn ſcheint. O mein guter Anton, Sie ſchrei-
ben nicht allein Memoiren; die kranke Frau ſchreibt
auch welche. Ja, lachen Sie nur. Dieſe Kritzelei
wird Jhr Erbtheil von mir ſein. Und Sie werden,
wenn Sie darin blaͤttern, mehr wie einmal ausrufen:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="191"/>
Sie dru&#x0364;ben, le&#x017F;en Sie; unterhalten Sie &#x017F;ich, wie es<lb/>
Jhrem Gei&#x017F;te angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, den ich wu&#x0364;rdige und<lb/>
erkenne, &#x2014; wenngleich meine Bitten Theil daran<lb/>
gehabt, Sie in die&#x017F;e geringe Umgebung zu verlocken.<lb/>
Glauben Sie mir&#x2019;s, lieber Anton, ich ha&#x0364;tte das nicht<lb/>
gethan, wenn ich nicht wu&#x0364;ßte, daß es nicht lange<lb/>
dauern wu&#x0364;rde. Mein Tod i&#x017F;t nahe, der alte Dreher<lb/>
kann ohne mich nicht mehr weiter. Es geht zu Ende<lb/>
mit die&#x017F;em Leben &#x2014; und mit die&#x017F;em Puppen&#x017F;piel, die<lb/>
&#x017F;ich beide a&#x0364;hneln. Daß ich Sie an mich zu fe&#x017F;&#x017F;eln<lb/>
&#x017F;uchte, ge&#x017F;chah nicht allein aus Eigennutz, der von<lb/>
Jhrem Umgange Tro&#x017F;t, letzte Lebensfreude hoffte und<lb/>
empfing. Es ge&#x017F;chah nicht <hi rendition="#g">allein</hi> fu&#x0364;r mich &#x2014; es<lb/>
ge&#x017F;chah auch fu&#x0364;r Sie: fu&#x0364;r Jhre Zukunft! Fu&#x0364;r Jhr<lb/>
Glu&#x0364;ck! Fu&#x0364;r Jhrer Seele Frieden! Das klingt Jhnen<lb/>
jetzt noch wie Fa&#x017F;eleien einer Fieberkranken? &#x2014; Mag<lb/>
&#x017F;ein! Wenn mein Auge ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, wenn die&#x017F;er Mund<lb/>
&#x017F;tumm i&#x017F;t, wird Jhnen deutlich werden, was heute<lb/>
Wahn&#x017F;inn &#x017F;cheint. O mein guter Anton, Sie &#x017F;chrei-<lb/>
ben nicht allein Memoiren; die kranke Frau &#x017F;chreibt<lb/>
auch welche. Ja, lachen Sie nur. Die&#x017F;e Kritzelei<lb/>
wird Jhr Erbtheil von mir &#x017F;ein. Und Sie werden,<lb/>
wenn Sie darin bla&#x0364;ttern, mehr wie einmal ausrufen:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0195] Sie druͤben, leſen Sie; unterhalten Sie ſich, wie es Jhrem Geiſte angemeſſen iſt, den ich wuͤrdige und erkenne, — wenngleich meine Bitten Theil daran gehabt, Sie in dieſe geringe Umgebung zu verlocken. Glauben Sie mir’s, lieber Anton, ich haͤtte das nicht gethan, wenn ich nicht wuͤßte, daß es nicht lange dauern wuͤrde. Mein Tod iſt nahe, der alte Dreher kann ohne mich nicht mehr weiter. Es geht zu Ende mit dieſem Leben — und mit dieſem Puppenſpiel, die ſich beide aͤhneln. Daß ich Sie an mich zu feſſeln ſuchte, geſchah nicht allein aus Eigennutz, der von Jhrem Umgange Troſt, letzte Lebensfreude hoffte und empfing. Es geſchah nicht allein fuͤr mich — es geſchah auch fuͤr Sie: fuͤr Jhre Zukunft! Fuͤr Jhr Gluͤck! Fuͤr Jhrer Seele Frieden! Das klingt Jhnen jetzt noch wie Faſeleien einer Fieberkranken? — Mag ſein! Wenn mein Auge geſchloſſen, wenn dieſer Mund ſtumm iſt, wird Jhnen deutlich werden, was heute Wahnſinn ſcheint. O mein guter Anton, Sie ſchrei- ben nicht allein Memoiren; die kranke Frau ſchreibt auch welche. Ja, lachen Sie nur. Dieſe Kritzelei wird Jhr Erbtheil von mir ſein. Und Sie werden, wenn Sie darin blaͤttern, mehr wie einmal ausrufen:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/195
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/195>, abgerufen am 17.05.2024.