Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

wichtig scheinen möchte, ob das Tanzen überhaupt
gelehrt werde, oder nicht? Anton hatte diese Bemer-
kung schon gemacht, während er nur Orchester war,
und hatte deshalb das Benehmen der sieben Mütter
in E., welche stets als Observationskorps zugegen
gewesen, höchlichst billigen müssen. Desto mehr
glaubt' er sich wundern zu dürfen, jetzt auf dem
Lande in recht vornehmen und vornehm thuenden
Familien, wie auch in minder anspruchsvollen Häu-
sern, eine bis an Leichtsinn grenzende Gleichgültigkeit
zu finden. Man überließ die junge Welt sich selbst
und ihm bei den Lektionen.

Wie gut, daß er Hedwig's Schnur auf dem Her-
zen trug!

Es befanden sich unter den Schülerinnen einige
Mädchen, die schon erwachsen und bei all' ihrem ade-
ligen Hochmuth herablassend genug waren, den zum
Tanzlehrer beförderten Violinspieler auf eine fast zu-
dringliche Weise auszuzeichnen. Anton that hier zum
Erstenmale in seinem Leben Blicke in die wirkliche
"vornehme Welt," -- denn was ihm zu Bärbels
Zeiten davon vor Augen gekommen, konnte nicht
dafür gelten.

Da man ihn mit den Hausoffizianten speisen

wichtig ſcheinen moͤchte, ob das Tanzen uͤberhaupt
gelehrt werde, oder nicht? Anton hatte dieſe Bemer-
kung ſchon gemacht, waͤhrend er nur Orcheſter war,
und hatte deshalb das Benehmen der ſieben Muͤtter
in E., welche ſtets als Obſervationskorps zugegen
geweſen, hoͤchlichſt billigen muͤſſen. Deſto mehr
glaubt’ er ſich wundern zu duͤrfen, jetzt auf dem
Lande in recht vornehmen und vornehm thuenden
Familien, wie auch in minder anſpruchsvollen Haͤu-
ſern, eine bis an Leichtſinn grenzende Gleichguͤltigkeit
zu finden. Man uͤberließ die junge Welt ſich ſelbſt
und ihm bei den Lektionen.

Wie gut, daß er Hedwig’s Schnur auf dem Her-
zen trug!

Es befanden ſich unter den Schuͤlerinnen einige
Maͤdchen, die ſchon erwachſen und bei all’ ihrem ade-
ligen Hochmuth herablaſſend genug waren, den zum
Tanzlehrer befoͤrderten Violinſpieler auf eine faſt zu-
dringliche Weiſe auszuzeichnen. Anton that hier zum
Erſtenmale in ſeinem Leben Blicke in die wirkliche
„vornehme Welt,“ — denn was ihm zu Baͤrbels
Zeiten davon vor Augen gekommen, konnte nicht
dafuͤr gelten.

Da man ihn mit den Hausoffizianten ſpeiſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="160"/>
wichtig &#x017F;cheinen mo&#x0364;chte, ob das Tanzen u&#x0364;berhaupt<lb/>
gelehrt werde, oder nicht? Anton hatte die&#x017F;e Bemer-<lb/>
kung &#x017F;chon gemacht, wa&#x0364;hrend er nur Orche&#x017F;ter war,<lb/>
und hatte deshalb das Benehmen der &#x017F;ieben Mu&#x0364;tter<lb/>
in E., welche &#x017F;tets als Ob&#x017F;ervationskorps zugegen<lb/>
gewe&#x017F;en, ho&#x0364;chlich&#x017F;t billigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. De&#x017F;to mehr<lb/>
glaubt&#x2019; er &#x017F;ich wundern zu du&#x0364;rfen, jetzt auf dem<lb/>
Lande in recht vornehmen und vornehm thuenden<lb/>
Familien, wie auch in minder an&#x017F;pruchsvollen Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;ern, eine bis an Leicht&#x017F;inn grenzende Gleichgu&#x0364;ltigkeit<lb/>
zu finden. Man u&#x0364;berließ die junge Welt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und ihm bei den Lektionen.</p><lb/>
        <p>Wie gut, daß er Hedwig&#x2019;s Schnur auf dem Her-<lb/>
zen trug!</p><lb/>
        <p>Es befanden &#x017F;ich unter den Schu&#x0364;lerinnen einige<lb/>
Ma&#x0364;dchen, die &#x017F;chon erwach&#x017F;en und bei all&#x2019; ihrem ade-<lb/>
ligen Hochmuth herabla&#x017F;&#x017F;end genug waren, den zum<lb/>
Tanzlehrer befo&#x0364;rderten Violin&#x017F;pieler auf eine fa&#x017F;t zu-<lb/>
dringliche Wei&#x017F;e auszuzeichnen. Anton that hier zum<lb/>
Er&#x017F;tenmale in &#x017F;einem Leben Blicke in die wirkliche<lb/>
&#x201E;vornehme Welt,&#x201C; &#x2014; denn was ihm zu Ba&#x0364;rbels<lb/>
Zeiten davon vor Augen gekommen, konnte nicht<lb/>
dafu&#x0364;r gelten.</p><lb/>
        <p>Da man ihn mit den Hausoffizianten &#x017F;pei&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0164] wichtig ſcheinen moͤchte, ob das Tanzen uͤberhaupt gelehrt werde, oder nicht? Anton hatte dieſe Bemer- kung ſchon gemacht, waͤhrend er nur Orcheſter war, und hatte deshalb das Benehmen der ſieben Muͤtter in E., welche ſtets als Obſervationskorps zugegen geweſen, hoͤchlichſt billigen muͤſſen. Deſto mehr glaubt’ er ſich wundern zu duͤrfen, jetzt auf dem Lande in recht vornehmen und vornehm thuenden Familien, wie auch in minder anſpruchsvollen Haͤu- ſern, eine bis an Leichtſinn grenzende Gleichguͤltigkeit zu finden. Man uͤberließ die junge Welt ſich ſelbſt und ihm bei den Lektionen. Wie gut, daß er Hedwig’s Schnur auf dem Her- zen trug! Es befanden ſich unter den Schuͤlerinnen einige Maͤdchen, die ſchon erwachſen und bei all’ ihrem ade- ligen Hochmuth herablaſſend genug waren, den zum Tanzlehrer befoͤrderten Violinſpieler auf eine faſt zu- dringliche Weiſe auszuzeichnen. Anton that hier zum Erſtenmale in ſeinem Leben Blicke in die wirkliche „vornehme Welt,“ — denn was ihm zu Baͤrbels Zeiten davon vor Augen gekommen, konnte nicht dafuͤr gelten. Da man ihn mit den Hausoffizianten ſpeiſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/164
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/164>, abgerufen am 17.05.2024.