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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Herzen gelegen, sich sanft an die Brust schmiegend,
wer weiß, ob Antoine sich unter den Schülerinnen
nicht eine Laura herausgefunden?

Anton fand keine, weil er keine suchte. Dagegen
ergötzte ihn die Beobachtung, wie in dem jungen her-
anwachsenden Völkchen sich Alles zeigte, -- wenn
auch in verkleinertem Maßstabe, -- Alles, was diese
Erde und ihre Bewohner in Haß und Liebe, in Edel-
muth und Neid bewegt. Er wurde, ohne danach zu
streben, der Vertraute jener halb schon verderbten,
halb noch schuldlosen Neigungen, die das Mädchen
zum Knaben zogen, die den Knaben in Feindschaft
gegen einen kleinen Nebenbuhler entbrennen ließen.

Ein Tanzlehrer -- man lächle nicht! -- ist für
die sich entwickelnde Jugend vielleicht der wichtigste
von allen Lehrern. Nicht, daß er auf edle Gefühle
großen und nützlichen Einfluß üben könnte! Wohl
aber, indem er, leichter wie jeder andere Lehrer, durch
Wort, Beispiel und That die schädlichste Einwirkung
auf seine Schüler, wie Schülerinnen geltend zu machen
Gelegenheit findet. Deshalb, sag' ich, ist er wichtig;
das heißt: es ist für Eltern und Erzieher wichtig, zu
wissen, wem sie ihre Pflegebefohlenen anvertrauen,
wenn es auch sonst, nach Vieler Ansicht, höchst un-

Herzen gelegen, ſich ſanft an die Bruſt ſchmiegend,
wer weiß, ob Antoine ſich unter den Schuͤlerinnen
nicht eine Laura herausgefunden?

Anton fand keine, weil er keine ſuchte. Dagegen
ergoͤtzte ihn die Beobachtung, wie in dem jungen her-
anwachſenden Voͤlkchen ſich Alles zeigte, — wenn
auch in verkleinertem Maßſtabe, — Alles, was dieſe
Erde und ihre Bewohner in Haß und Liebe, in Edel-
muth und Neid bewegt. Er wurde, ohne danach zu
ſtreben, der Vertraute jener halb ſchon verderbten,
halb noch ſchuldloſen Neigungen, die das Maͤdchen
zum Knaben zogen, die den Knaben in Feindſchaft
gegen einen kleinen Nebenbuhler entbrennen ließen.

Ein Tanzlehrer — man laͤchle nicht! — iſt fuͤr
die ſich entwickelnde Jugend vielleicht der wichtigſte
von allen Lehrern. Nicht, daß er auf edle Gefuͤhle
großen und nuͤtzlichen Einfluß uͤben koͤnnte! Wohl
aber, indem er, leichter wie jeder andere Lehrer, durch
Wort, Beiſpiel und That die ſchaͤdlichſte Einwirkung
auf ſeine Schuͤler, wie Schuͤlerinnen geltend zu machen
Gelegenheit findet. Deshalb, ſag’ ich, iſt er wichtig;
das heißt: es iſt fuͤr Eltern und Erzieher wichtig, zu
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[159/0163] Herzen gelegen, ſich ſanft an die Bruſt ſchmiegend, wer weiß, ob Antoine ſich unter den Schuͤlerinnen nicht eine Laura herausgefunden? Anton fand keine, weil er keine ſuchte. Dagegen ergoͤtzte ihn die Beobachtung, wie in dem jungen her- anwachſenden Voͤlkchen ſich Alles zeigte, — wenn auch in verkleinertem Maßſtabe, — Alles, was dieſe Erde und ihre Bewohner in Haß und Liebe, in Edel- muth und Neid bewegt. Er wurde, ohne danach zu ſtreben, der Vertraute jener halb ſchon verderbten, halb noch ſchuldloſen Neigungen, die das Maͤdchen zum Knaben zogen, die den Knaben in Feindſchaft gegen einen kleinen Nebenbuhler entbrennen ließen. Ein Tanzlehrer — man laͤchle nicht! — iſt fuͤr die ſich entwickelnde Jugend vielleicht der wichtigſte von allen Lehrern. Nicht, daß er auf edle Gefuͤhle großen und nuͤtzlichen Einfluß uͤben koͤnnte! Wohl aber, indem er, leichter wie jeder andere Lehrer, durch Wort, Beiſpiel und That die ſchaͤdlichſte Einwirkung auf ſeine Schuͤler, wie Schuͤlerinnen geltend zu machen Gelegenheit findet. Deshalb, ſag’ ich, iſt er wichtig; das heißt: es iſt fuͤr Eltern und Erzieher wichtig, zu wiſſen, wem ſie ihre Pflegebefohlenen anvertrauen, wenn es auch ſonſt, nach Vieler Anſicht, hoͤchſt un-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/163>, abgerufen am 17.05.2024.