den und Tagen vereinigten, befand sich eine, in dem Hause einer Majorswittwe, die sich vor allen übrigen auszeichnete, weil dort wohlerzogene, bescheidene, niedliche Kinder, mit ihren Müttern, von diesen über- wacht, erschienen. Sie bildeten eine Quadrille von vier Paaren. Doch waren nur sieben Mütter bei dem Unterrichte zugegen. Das achte Mädchen, das schönste, reifste, bescheidenste von allen hatte keine Mutter mehr, sie kam unbegleitet und allein. Sie wurde Hedwig genannt. Wer und was ihr Vater sei, blieb Anton unbekannt. Zu fragen, überhaupt von ihr zu sprechen blieb ihm untersagt. Mit wem hätte er von diesem Mädchen sprechen sollen? Mit dem alten, prahlenden, lügenden Schwätzer, dem er diente? O nein, das wäre eine Entweihung gewesen. Er begnügte sich, sie schweben zu sehen, -- denn sie schwebte, wo die An- deren sprangen oder gingen. Er begnügte sich, bis- weilen eine Silbe von ihren Lippen zu vernehmen, wenn sie wortkarg und sanft den lustigen gesprächigen Mitschülerinnen eine Antwort ertheilte. Er fühlte, was er noch keinem weiblichen Wefen gegenüber gefühlt: ein beglückendes Bewußtsein ihrer Nähe, ohne die geringste Beimischung irdischer, eitler, oder kecker Wünsche. Die Entfernung von seiner im
den und Tagen vereinigten, befand ſich eine, in dem Hauſe einer Majorswittwe, die ſich vor allen uͤbrigen auszeichnete, weil dort wohlerzogene, beſcheidene, niedliche Kinder, mit ihren Muͤttern, von dieſen uͤber- wacht, erſchienen. Sie bildeten eine Quadrille von vier Paaren. Doch waren nur ſieben Muͤtter bei dem Unterrichte zugegen. Das achte Maͤdchen, das ſchoͤnſte, reifſte, beſcheidenſte von allen hatte keine Mutter mehr, ſie kam unbegleitet und allein. Sie wurde Hedwig genannt. Wer und was ihr Vater ſei, blieb Anton unbekannt. Zu fragen, uͤberhaupt von ihr zu ſprechen blieb ihm unterſagt. Mit wem haͤtte er von dieſem Maͤdchen ſprechen ſollen? Mit dem alten, prahlenden, luͤgenden Schwaͤtzer, dem er diente? O nein, das waͤre eine Entweihung geweſen. Er begnuͤgte ſich, ſie ſchweben zu ſehen, — denn ſie ſchwebte, wo die An- deren ſprangen oder gingen. Er begnuͤgte ſich, bis- weilen eine Silbe von ihren Lippen zu vernehmen, wenn ſie wortkarg und ſanft den luſtigen geſpraͤchigen Mitſchuͤlerinnen eine Antwort ertheilte. Er fuͤhlte, was er noch keinem weiblichen Wefen gegenuͤber gefuͤhlt: ein begluͤckendes Bewußtſein ihrer Naͤhe, ohne die geringſte Beimiſchung irdiſcher, eitler, oder kecker Wuͤnſche. Die Entfernung von ſeiner im
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auszeichnete, weil dort wohlerzogene, beſcheidene,
niedliche Kinder, mit ihren Muͤttern, von dieſen uͤber-
wacht, erſchienen. Sie bildeten eine Quadrille von
vier Paaren. Doch waren nur ſieben Muͤtter bei dem
Unterrichte zugegen. Das achte Maͤdchen, das ſchoͤnſte,
reifſte, beſcheidenſte von allen hatte keine Mutter mehr,
ſie kam unbegleitet und allein. Sie wurde Hedwig
genannt. Wer und was ihr Vater ſei, blieb Anton
unbekannt. Zu fragen, uͤberhaupt von ihr zu ſprechen
blieb ihm unterſagt. Mit wem haͤtte er von dieſem
Maͤdchen ſprechen ſollen? Mit dem alten, prahlenden,
luͤgenden Schwaͤtzer, dem er diente? O nein, das
waͤre eine Entweihung geweſen. Er begnuͤgte ſich, ſie
ſchweben zu ſehen, — denn ſie ſchwebte, wo die An-
deren ſprangen oder gingen. Er begnuͤgte ſich, bis-
weilen eine Silbe von ihren Lippen zu vernehmen,
wenn ſie wortkarg und ſanft den luſtigen geſpraͤchigen
Mitſchuͤlerinnen eine Antwort ertheilte. Er fuͤhlte,
was er noch keinem weiblichen Wefen gegenuͤber
gefuͤhlt: ein begluͤckendes Bewußtſein ihrer Naͤhe,
ohne die geringſte Beimiſchung irdiſcher, eitler, oder
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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