Der Hund des Aubri etc. -- Göthe. -- Herr Lemonier-Mirabel de la Garde, de la Tour d'Auvergne. -- Anton wird wieder Spielmann. -- Tanzstunden. -- Wie die schöne Hedwig ihm eine Uhr überreicht und was daran hängt.
Anton erreichte nach mehrtägigem Wandern eine Stadt von größerer Ausdehnung. Vor dem Thore angelangt, fragte er, ob es nicht einen Weg gäbe, der ihn hinter selbiger herumführte. Denn er fühlte nicht die geringste Lust, sich in seinem Reise-Aufzuge zwischen all' die geputzten Leute zu drängen, welche den schönen, winterhellen Neujahrstag des Jahres 182* auf der Straße feierten, indem sie sich und ihre neuen Kleider spazieren führten. Der Thorwärter versicherte ihn, der Weg um die Stadtmauer herum sei vom gestrigen Schneesturm dermaßen verweht, daß er versinken müsse bis über die Hüften, wenn er sich beikommen lasse, ihn einzuschlagen.
Es blieb keine Wahl. Er mußte in die kleine Residenz eintreten. Mit dem Bewußtsein, nach einige Goldstücke in der Tasche zu führen, tröstete er sich über den Gegensatz, den seine Kleidung zu den Weihnacht-beschenkten Einwohnern, zu ihren Pelz- verbrämten Mänteln und Röcken bildete. Er fragte nach dem besten Gasthause. Man bezeichnete meh-
Einundſechszigſtes Kapitel.
Der Hund des Aubri ꝛc. — Göthe. — Herr Lemonier-Mirabel de la Garde, de la Tour d’Auvergne. — Anton wird wieder Spielmann. — Tanzſtunden. — Wie die ſchöne Hedwig ihm eine Uhr uͤberreicht und was daran hängt.
Anton erreichte nach mehrtaͤgigem Wandern eine Stadt von groͤßerer Ausdehnung. Vor dem Thore angelangt, fragte er, ob es nicht einen Weg gaͤbe, der ihn hinter ſelbiger herumfuͤhrte. Denn er fuͤhlte nicht die geringſte Luſt, ſich in ſeinem Reiſe-Aufzuge zwiſchen all’ die geputzten Leute zu draͤngen, welche den ſchoͤnen, winterhellen Neujahrstag des Jahres 182* auf der Straße feierten, indem ſie ſich und ihre neuen Kleider ſpazieren fuͤhrten. Der Thorwaͤrter verſicherte ihn, der Weg um die Stadtmauer herum ſei vom geſtrigen Schneeſturm dermaßen verweht, daß er verſinken muͤſſe bis uͤber die Huͤften, wenn er ſich beikommen laſſe, ihn einzuſchlagen.
Es blieb keine Wahl. Er mußte in die kleine Reſidenz eintreten. Mit dem Bewußtſein, nach einige Goldſtuͤcke in der Taſche zu fuͤhren, troͤſtete er ſich uͤber den Gegenſatz, den ſeine Kleidung zu den Weihnacht-beſchenkten Einwohnern, zu ihren Pelz- verbraͤmten Maͤnteln und Roͤcken bildete. Er fragte nach dem beſten Gaſthauſe. Man bezeichnete meh-
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Einundſechszigſtes Kapitel.
Der Hund des Aubri ꝛc. — Göthe. — Herr Lemonier-Mirabel de la Garde,
de la Tour d’Auvergne. — Anton wird wieder Spielmann. — Tanzſtunden. —
Wie die ſchöne Hedwig ihm eine Uhr uͤberreicht und was daran hängt.
Anton erreichte nach mehrtaͤgigem Wandern eine
Stadt von groͤßerer Ausdehnung. Vor dem Thore
angelangt, fragte er, ob es nicht einen Weg gaͤbe,
der ihn hinter ſelbiger herumfuͤhrte. Denn er fuͤhlte
nicht die geringſte Luſt, ſich in ſeinem Reiſe-Aufzuge
zwiſchen all’ die geputzten Leute zu draͤngen, welche
den ſchoͤnen, winterhellen Neujahrstag des Jahres
182* auf der Straße feierten, indem ſie ſich und ihre
neuen Kleider ſpazieren fuͤhrten. Der Thorwaͤrter
verſicherte ihn, der Weg um die Stadtmauer herum
ſei vom geſtrigen Schneeſturm dermaßen verweht,
daß er verſinken muͤſſe bis uͤber die Huͤften, wenn er
ſich beikommen laſſe, ihn einzuſchlagen.
Es blieb keine Wahl. Er mußte in die kleine
Reſidenz eintreten. Mit dem Bewußtſein, nach
einige Goldſtuͤcke in der Taſche zu fuͤhren, troͤſtete er
ſich uͤber den Gegenſatz, den ſeine Kleidung zu den
Weihnacht-beſchenkten Einwohnern, zu ihren Pelz-
verbraͤmten Maͤnteln und Roͤcken bildete. Er fragte
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/140>, abgerufen am 05.07.2024.
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