Ja, was soll ich thun? Soll ich ... Nein, das wäre Feigheit, sich hinter einen Geistlichen und hinter den heiligen Ehestand zu verkriechen, weil man auf eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen ist. Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthür werd' ich mir doch nicht die Schmach anthun, das bischen Poesie, was mir noch blüht, eh' ich in die ewige Prosa hineintrete, spurlos verdüften zu lassen! Zum Heirathen ist noch immer Zeit! Erst muß sie mir sagen, wie heiß ihre Liebe zu mir ist, ohne daß der Backofen geheizt wird für Hochzeitkuchen.
Haben mir's doch ganz Andere gesagt?!
Solch' ein albernes Dorf-Ding!"
Vom 20. Dezember.
"Jch halt' es nicht mehr aus! Wozu mich vor mir selbst verstellen? Auf diese Blätter hab' ich Alles geschrieben, was in und mit mir vorgegangen ist, seitdem ich denken kann. Wär' es doch kindisch, wenn ich mich diesmal verleugnen wollte.
So mag es denn hier stehen: ich bin in meinen eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den kleinen Satan. Jch liebe sie nicht, aber ich bin wahn- sinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich ihr Ehemann sein werde, -- daß ich überhaupt ein
Ja, was ſoll ich thun? Soll ich ... Nein, das waͤre Feigheit, ſich hinter einen Geiſtlichen und hinter den heiligen Eheſtand zu verkriechen, weil man auf eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen iſt. Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthuͤr werd’ ich mir doch nicht die Schmach anthun, das bischen Poeſie, was mir noch bluͤht, eh’ ich in die ewige Proſa hineintrete, ſpurlos verduͤften zu laſſen! Zum Heirathen iſt noch immer Zeit! Erſt muß ſie mir ſagen, wie heiß ihre Liebe zu mir iſt, ohne daß der Backofen geheizt wird fuͤr Hochzeitkuchen.
Haben mir’s doch ganz Andere geſagt?!
Solch’ ein albernes Dorf-Ding!“
Vom 20. Dezember.
„Jch halt’ es nicht mehr aus! Wozu mich vor mir ſelbſt verſtellen? Auf dieſe Blaͤtter hab’ ich Alles geſchrieben, was in und mit mir vorgegangen iſt, ſeitdem ich denken kann. Waͤr’ es doch kindiſch, wenn ich mich diesmal verleugnen wollte.
So mag es denn hier ſtehen: ich bin in meinen eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den kleinen Satan. Jch liebe ſie nicht, aber ich bin wahn- ſinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich ihr Ehemann ſein werde, — daß ich uͤberhaupt ein
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Ja, was ſoll ich thun? Soll ich ... Nein, das
waͤre Feigheit, ſich hinter einen Geiſtlichen und hinter
den heiligen Eheſtand zu verkriechen, weil man auf
eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen iſt.
Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthuͤr
werd’ ich mir doch nicht die Schmach anthun, das
bischen Poeſie, was mir noch bluͤht, eh’ ich in die
ewige Proſa hineintrete, ſpurlos verduͤften zu laſſen!
Zum Heirathen iſt noch immer Zeit! Erſt muß ſie
mir ſagen, wie heiß ihre Liebe zu mir iſt, ohne daß
der Backofen geheizt wird fuͤr Hochzeitkuchen.
Haben mir’s doch ganz Andere geſagt?!
Solch’ ein albernes Dorf-Ding!“
Vom 20. Dezember.
„Jch halt’ es nicht mehr aus! Wozu mich vor
mir ſelbſt verſtellen? Auf dieſe Blaͤtter hab’ ich Alles
geſchrieben, was in und mit mir vorgegangen iſt,
ſeitdem ich denken kann. Waͤr’ es doch kindiſch, wenn
ich mich diesmal verleugnen wollte.
So mag es denn hier ſtehen: ich bin in meinen
eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den
kleinen Satan. Jch liebe ſie nicht, aber ich bin wahn-
ſinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich
ihr Ehemann ſein werde, — daß ich uͤberhaupt ein
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/129>, abgerufen am 05.07.2024.
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