angestrengt, durch das Bedürfniß "witzig zu sein", dem ein jeder sich fügen mußte, wollte er bei ihnen gelten. Wem es damit nicht gelang, sah sich genö- thiget zum Stichblatt für die Witze der Glücklicheren zu dienen. Aber auch das strengt an, weshalb denn jeder sein Bündel zu tragen hatte.
Der Arzt sagte leise zu Anton: ich habe mit Jhnen abgesondert von jenem Konvivium bleiben wollen, um Jhnen mitunter einige Bemerkungen zuflüstern zu können, über die Originale, die sich da gruppiren. Der Große, zum dick werden Hinneigende, mit dem ursprünglich edlen, jetzt verschwommenen, aschgrauen Schlemmerangesicht ist ein ehemaliger Hauptmann, der eine schöne Schauspielerin ehelichte, die er aber natürlich sehr unglücklich macht. Er ist ein unwissen- der, doch begabter Kopf; imponirt durch Ruchlosig- keit und behauptet sich auch hier durch freche Späße. Der neben ihm sitzende, noch länger als er, aber zaun- dürre, schwarz braune Mann, der immer das kleine Brillengläschen vor's Auge kneift, ist eine der selt- samsten Persönlichkeiten auf Erden. Von sehr guter Familie, mit welcher ihn sein unordentlicher Lebens- wandel bald in Zwiespalt bringt, seine Gutmüthigkeit bald wieder versöhnt, zieht er gewöhnlich vor, den
angeſtrengt, durch das Beduͤrfniß „witzig zu ſein“, dem ein jeder ſich fuͤgen mußte, wollte er bei ihnen gelten. Wem es damit nicht gelang, ſah ſich genoͤ- thiget zum Stichblatt fuͤr die Witze der Gluͤcklicheren zu dienen. Aber auch das ſtrengt an, weshalb denn jeder ſein Buͤndel zu tragen hatte.
Der Arzt ſagte leiſe zu Anton: ich habe mit Jhnen abgeſondert von jenem Konvivium bleiben wollen, um Jhnen mitunter einige Bemerkungen zufluͤſtern zu koͤnnen, uͤber die Originale, die ſich da gruppiren. Der Große, zum dick werden Hinneigende, mit dem urſpruͤnglich edlen, jetzt verſchwommenen, aſchgrauen Schlemmerangeſicht iſt ein ehemaliger Hauptmann, der eine ſchoͤne Schauſpielerin ehelichte, die er aber natuͤrlich ſehr ungluͤcklich macht. Er iſt ein unwiſſen- der, doch begabter Kopf; imponirt durch Ruchloſig- keit und behauptet ſich auch hier durch freche Spaͤße. Der neben ihm ſitzende, noch laͤnger als er, aber zaun- duͤrre, ſchwarz braune Mann, der immer das kleine Brillenglaͤschen vor’s Auge kneift, iſt eine der ſelt- ſamſten Perſoͤnlichkeiten auf Erden. Von ſehr guter Familie, mit welcher ihn ſein unordentlicher Lebens- wandel bald in Zwieſpalt bringt, ſeine Gutmuͤthigkeit bald wieder verſoͤhnt, zieht er gewoͤhnlich vor, den
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angeſtrengt, durch das Beduͤrfniß „witzig zu ſein“,
dem ein jeder ſich fuͤgen mußte, wollte er bei ihnen
gelten. Wem es damit nicht gelang, ſah ſich genoͤ-
thiget zum Stichblatt fuͤr die Witze der Gluͤcklicheren
zu dienen. Aber auch das ſtrengt an, weshalb denn
jeder ſein Buͤndel zu tragen hatte.
Der Arzt ſagte leiſe zu Anton: ich habe mit Jhnen
abgeſondert von jenem Konvivium bleiben wollen,
um Jhnen mitunter einige Bemerkungen zufluͤſtern
zu koͤnnen, uͤber die Originale, die ſich da gruppiren.
Der Große, zum dick werden Hinneigende, mit dem
urſpruͤnglich edlen, jetzt verſchwommenen, aſchgrauen
Schlemmerangeſicht iſt ein ehemaliger Hauptmann,
der eine ſchoͤne Schauſpielerin ehelichte, die er aber
natuͤrlich ſehr ungluͤcklich macht. Er iſt ein unwiſſen-
der, doch begabter Kopf; imponirt durch Ruchloſig-
keit und behauptet ſich auch hier durch freche Spaͤße.
Der neben ihm ſitzende, noch laͤnger als er, aber zaun-
duͤrre, ſchwarz braune Mann, der immer das kleine
Brillenglaͤschen vor’s Auge kneift, iſt eine der ſelt-
ſamſten Perſoͤnlichkeiten auf Erden. Von ſehr guter
Familie, mit welcher ihn ſein unordentlicher Lebens-
wandel bald in Zwieſpalt bringt, ſeine Gutmuͤthigkeit
bald wieder verſoͤhnt, zieht er gewoͤhnlich vor, den
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/75>, abgerufen am 26.11.2024.
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