Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Guillaume zu unterhandeln; schon beim nächsten
Besuch des Arztes konnte sie diesem, wie sie ihm auf den
Vorflur das Geleite gab, die erfreuliche Nachricht
ertheilen, der Direktor habe ihr einen Urlaub auf
unbestimmte Zeit bis zu Antoine's völliger Gene-
sung gestattet; auch füge sich's eben so glücklich, daß
derselbe ein junges Ehepaar, welches bei einer
anderen, zu Grunde gegangenen Reitergesellschaft
außer Engagement kam, einstweilen für Dr. benützen
könne, wodurch ihre, wie Anton's Stelle einiger-
maßen ausgefüllt sei.

Desto besser, erwiederte der freundliche Arzt; mit
einer solchen Wärterin hab' ich leichtes Spiel. --
Durch welche Opfer das arme Mädchen diese Ver-
günstigung erkaufen müsse, danach fragte er freilich
nicht. Sie aber noch weniger.

Nachdem Anton erst so weit genas, daß er
sprechen, lesen, aufstehen durfte, wurd' es Adelen
unmöglich, ihm länger einen Theil der Wahrheit zu
verbergen. Stündlich fragte er sie, warum denn
gar niemand sich um ihn bekümmere? Warum nicht
wenigstens der Furioso sich blicken lasse? Sie sind
abgereiset, Antoine, antwortete die Jartour in dem
tiefen, männlichen Tone, den Tänzerinnen und
Reiterinnen häufig haben, der jedoch bei ihr von sel-

Guillaume zu unterhandeln; ſchon beim naͤchſten
Beſuch des Arztes konnte ſie dieſem, wie ſie ihm auf den
Vorflur das Geleite gab, die erfreuliche Nachricht
ertheilen, der Direktor habe ihr einen Urlaub auf
unbeſtimmte Zeit bis zu Antoine’s voͤlliger Gene-
ſung geſtattet; auch fuͤge ſich’s eben ſo gluͤcklich, daß
derſelbe ein junges Ehepaar, welches bei einer
anderen, zu Grunde gegangenen Reitergeſellſchaft
außer Engagement kam, einſtweilen fuͤr Dr. benuͤtzen
koͤnne, wodurch ihre, wie Anton’s Stelle einiger-
maßen ausgefuͤllt ſei.

Deſto beſſer, erwiederte der freundliche Arzt; mit
einer ſolchen Waͤrterin hab’ ich leichtes Spiel. —
Durch welche Opfer das arme Maͤdchen dieſe Ver-
guͤnſtigung erkaufen muͤſſe, danach fragte er freilich
nicht. Sie aber noch weniger.

Nachdem Anton erſt ſo weit genas, daß er
ſprechen, leſen, aufſtehen durfte, wurd’ es Adelen
unmoͤglich, ihm laͤnger einen Theil der Wahrheit zu
verbergen. Stuͤndlich fragte er ſie, warum denn
gar niemand ſich um ihn bekuͤmmere? Warum nicht
wenigſtens der Furioſo ſich blicken laſſe? Sie ſind
abgereiſet, Antoine, antwortete die Jartour in dem
tiefen, maͤnnlichen Tone, den Taͤnzerinnen und
Reiterinnen haͤufig haben, der jedoch bei ihr von ſel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="61"/>
Guillaume zu unterhandeln; &#x017F;chon beim na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Be&#x017F;uch des Arztes konnte &#x017F;ie die&#x017F;em, wie &#x017F;ie ihm auf den<lb/>
Vorflur das Geleite gab, die erfreuliche Nachricht<lb/>
ertheilen, der Direktor habe ihr einen Urlaub auf<lb/>
unbe&#x017F;timmte Zeit bis zu Antoine&#x2019;s <hi rendition="#g">vo&#x0364;lliger</hi> Gene-<lb/>
&#x017F;ung ge&#x017F;tattet; auch fu&#x0364;ge &#x017F;ich&#x2019;s eben &#x017F;o glu&#x0364;cklich, daß<lb/>
der&#x017F;elbe ein junges Ehepaar, welches bei einer<lb/>
anderen, zu Grunde gegangenen Reiterge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
außer Engagement kam, ein&#x017F;tweilen fu&#x0364;r Dr. benu&#x0364;tzen<lb/>
ko&#x0364;nne, wodurch ihre, wie Anton&#x2019;s Stelle einiger-<lb/>
maßen ausgefu&#x0364;llt &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>De&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er, erwiederte der freundliche Arzt; mit<lb/>
einer &#x017F;olchen Wa&#x0364;rterin hab&#x2019; ich leichtes Spiel. &#x2014;<lb/>
Durch welche Opfer das arme Ma&#x0364;dchen die&#x017F;e Ver-<lb/>
gu&#x0364;n&#x017F;tigung erkaufen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, danach fragte er freilich<lb/>
nicht. Sie aber noch weniger.</p><lb/>
        <p>Nachdem Anton er&#x017F;t &#x017F;o weit genas, daß er<lb/>
&#x017F;prechen, le&#x017F;en, auf&#x017F;tehen durfte, wurd&#x2019; es Adelen<lb/>
unmo&#x0364;glich, ihm la&#x0364;nger einen Theil der Wahrheit zu<lb/>
verbergen. Stu&#x0364;ndlich fragte er &#x017F;ie, warum denn<lb/>
gar niemand &#x017F;ich um ihn beku&#x0364;mmere? Warum nicht<lb/>
wenig&#x017F;tens der Furio&#x017F;o &#x017F;ich blicken la&#x017F;&#x017F;e? Sie &#x017F;ind<lb/>
abgerei&#x017F;et, Antoine, antwortete die Jartour in dem<lb/>
tiefen, ma&#x0364;nnlichen Tone, den Ta&#x0364;nzerinnen und<lb/>
Reiterinnen ha&#x0364;ufig haben, der jedoch bei ihr von &#x017F;el-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0063] Guillaume zu unterhandeln; ſchon beim naͤchſten Beſuch des Arztes konnte ſie dieſem, wie ſie ihm auf den Vorflur das Geleite gab, die erfreuliche Nachricht ertheilen, der Direktor habe ihr einen Urlaub auf unbeſtimmte Zeit bis zu Antoine’s voͤlliger Gene- ſung geſtattet; auch fuͤge ſich’s eben ſo gluͤcklich, daß derſelbe ein junges Ehepaar, welches bei einer anderen, zu Grunde gegangenen Reitergeſellſchaft außer Engagement kam, einſtweilen fuͤr Dr. benuͤtzen koͤnne, wodurch ihre, wie Anton’s Stelle einiger- maßen ausgefuͤllt ſei. Deſto beſſer, erwiederte der freundliche Arzt; mit einer ſolchen Waͤrterin hab’ ich leichtes Spiel. — Durch welche Opfer das arme Maͤdchen dieſe Ver- guͤnſtigung erkaufen muͤſſe, danach fragte er freilich nicht. Sie aber noch weniger. Nachdem Anton erſt ſo weit genas, daß er ſprechen, leſen, aufſtehen durfte, wurd’ es Adelen unmoͤglich, ihm laͤnger einen Theil der Wahrheit zu verbergen. Stuͤndlich fragte er ſie, warum denn gar niemand ſich um ihn bekuͤmmere? Warum nicht wenigſtens der Furioſo ſich blicken laſſe? Sie ſind abgereiſet, Antoine, antwortete die Jartour in dem tiefen, maͤnnlichen Tone, den Taͤnzerinnen und Reiterinnen haͤufig haben, der jedoch bei ihr von ſel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/63
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/63>, abgerufen am 27.11.2024.