Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

gleichgültigen Chirurgen rührte: ich, ganz allein!
ich bitte!

"Auf sie können Sie sich verlassen," fügte der
Furioso bei; "das ist ein edles Herz." --

Als die Jartour mit dem Kranken allein blieb
sank sie auf ihre Kniee und betete: Heilige Jungfrau,
erbarme Dich meiner! Jch bin seine Mörderin, wenn
er stirbt! Laß ihn nicht sterben! Meine Zuschrift hat
ihn von Laura getrennt. Er liebte sie! Er liebt sie
noch; diese Trennung hat ihn krank gemacht; weil er
krank war, verlor er die Kraft; deshalb ist er gestürzt.
Ohne mich wär es nicht geschehen. Um meinetwillen,
um Deines Sohnes Willen, erhalte ihn am Leben.
Wenn er geneset unter meinen Händen, will ich mich
gänzlich dem Dienste Gottes und der Kranken wei-
hen. Jch will barmherzige Schwester werden. Das
ist mein Gelübde.

"Wo bin ich?" -- mit diesen drei Silben beant-
wortete aus Anton's Munde die heilige Jungfrau
das Gebet einer gläubigen Sünderin. Diese wen-
dete sich, auf den Knieen liegend, zu ihrem Kranken
und indem sie ausrief: ich danke Dir, er wird leben;
Du erhörst mich! winkte sie ihm zu, er möge
schweigen. Er gehorchte diesem Winke nicht sogleich,

gleichguͤltigen Chirurgen ruͤhrte: ich, ganz allein!
ich bitte!

„Auf ſie koͤnnen Sie ſich verlaſſen,“ fuͤgte der
Furioſo bei; „das iſt ein edles Herz.“ —

Als die Jartour mit dem Kranken allein blieb
ſank ſie auf ihre Kniee und betete: Heilige Jungfrau,
erbarme Dich meiner! Jch bin ſeine Moͤrderin, wenn
er ſtirbt! Laß ihn nicht ſterben! Meine Zuſchrift hat
ihn von Laura getrennt. Er liebte ſie! Er liebt ſie
noch; dieſe Trennung hat ihn krank gemacht; weil er
krank war, verlor er die Kraft; deshalb iſt er geſtuͤrzt.
Ohne mich waͤr es nicht geſchehen. Um meinetwillen,
um Deines Sohnes Willen, erhalte ihn am Leben.
Wenn er geneſet unter meinen Haͤnden, will ich mich
gaͤnzlich dem Dienſte Gottes und der Kranken wei-
hen. Jch will barmherzige Schweſter werden. Das
iſt mein Geluͤbde.

„Wo bin ich?“ — mit dieſen drei Silben beant-
wortete aus Anton’s Munde die heilige Jungfrau
das Gebet einer glaͤubigen Suͤnderin. Dieſe wen-
dete ſich, auf den Knieen liegend, zu ihrem Kranken
und indem ſie ausrief: ich danke Dir, er wird leben;
Du erhoͤrſt mich! winkte ſie ihm zu, er moͤge
ſchweigen. Er gehorchte dieſem Winke nicht ſogleich,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="58"/>
gleichgu&#x0364;ltigen Chirurgen ru&#x0364;hrte: ich, ganz allein!<lb/>
ich bitte!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auf &#x017F;ie ko&#x0364;nnen Sie &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;en,&#x201C; fu&#x0364;gte der<lb/>
Furio&#x017F;o bei; &#x201E;das i&#x017F;t ein edles Herz.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als die Jartour mit dem Kranken allein blieb<lb/>
&#x017F;ank &#x017F;ie auf ihre Kniee und betete: Heilige Jungfrau,<lb/>
erbarme Dich meiner! Jch bin &#x017F;eine Mo&#x0364;rderin, wenn<lb/>
er &#x017F;tirbt! Laß ihn nicht &#x017F;terben! Meine Zu&#x017F;chrift hat<lb/>
ihn von Laura getrennt. Er liebte &#x017F;ie! Er liebt &#x017F;ie<lb/>
noch; die&#x017F;e Trennung hat ihn krank gemacht; weil er<lb/>
krank war, verlor er die Kraft; deshalb i&#x017F;t er ge&#x017F;tu&#x0364;rzt.<lb/>
Ohne mich wa&#x0364;r es nicht ge&#x017F;chehen. Um meinetwillen,<lb/>
um Deines Sohnes Willen, erhalte ihn am Leben.<lb/>
Wenn er gene&#x017F;et unter meinen Ha&#x0364;nden, will ich mich<lb/>
ga&#x0364;nzlich dem Dien&#x017F;te Gottes und der Kranken wei-<lb/>
hen. Jch will barmherzige Schwe&#x017F;ter werden. Das<lb/>
i&#x017F;t mein Gelu&#x0364;bde.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wo bin ich?&#x201C; &#x2014; mit die&#x017F;en drei Silben beant-<lb/>
wortete aus Anton&#x2019;s Munde die heilige Jungfrau<lb/>
das Gebet einer gla&#x0364;ubigen Su&#x0364;nderin. Die&#x017F;e wen-<lb/>
dete &#x017F;ich, auf den Knieen liegend, zu ihrem Kranken<lb/>
und indem &#x017F;ie ausrief: ich danke Dir, er wird leben;<lb/>
Du erho&#x0364;r&#x017F;t mich! winkte &#x017F;ie ihm zu, er mo&#x0364;ge<lb/>
&#x017F;chweigen. Er gehorchte die&#x017F;em Winke nicht &#x017F;ogleich,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0060] gleichguͤltigen Chirurgen ruͤhrte: ich, ganz allein! ich bitte! „Auf ſie koͤnnen Sie ſich verlaſſen,“ fuͤgte der Furioſo bei; „das iſt ein edles Herz.“ — Als die Jartour mit dem Kranken allein blieb ſank ſie auf ihre Kniee und betete: Heilige Jungfrau, erbarme Dich meiner! Jch bin ſeine Moͤrderin, wenn er ſtirbt! Laß ihn nicht ſterben! Meine Zuſchrift hat ihn von Laura getrennt. Er liebte ſie! Er liebt ſie noch; dieſe Trennung hat ihn krank gemacht; weil er krank war, verlor er die Kraft; deshalb iſt er geſtuͤrzt. Ohne mich waͤr es nicht geſchehen. Um meinetwillen, um Deines Sohnes Willen, erhalte ihn am Leben. Wenn er geneſet unter meinen Haͤnden, will ich mich gaͤnzlich dem Dienſte Gottes und der Kranken wei- hen. Jch will barmherzige Schweſter werden. Das iſt mein Geluͤbde. „Wo bin ich?“ — mit dieſen drei Silben beant- wortete aus Anton’s Munde die heilige Jungfrau das Gebet einer glaͤubigen Suͤnderin. Dieſe wen- dete ſich, auf den Knieen liegend, zu ihrem Kranken und indem ſie ausrief: ich danke Dir, er wird leben; Du erhoͤrſt mich! winkte ſie ihm zu, er moͤge ſchweigen. Er gehorchte dieſem Winke nicht ſogleich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/60
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/60>, abgerufen am 27.11.2024.