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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Ohne über mein Geschick nachzusinnen folgte ich ihm
und ergab mich willig, weil mein Herz frei war und
weil ich diesen Mann achten konnte. Wir reiseten.
Der lange leere Tag mit seiner Einförmigkeit am
Kassentische zwang mich Bücher zu lesen, die im
elterlichen Hause verbotene Waare hießen. An
englischen Werken, den mir einzig zugänglichen, ist in
Deutschland der Vorrath nicht groß, die Auswahl
beschränkt.

Jch fragte nach dem Besten -- und erhielt jene
zahlreichen Bände die Englands größter Dichter
geschrieben. Wer Schakespear immer wieder und
wieder (und nur ihn) lieset, schlägt die Blätter der
Welt auf, schöpfet aus dem Borne des Lebens. Jch
lernte Welt, Leben, Menschen kennen, in ihren Höhen
und in ihren Tiefen. Jch erfuhr, was ich bis dahin
nicht wissen konnte, wie Laster und Tugend, kaum
durch einen Flor geschieden, neben einander her
wandeln und oftmals verwechselt werden. Ein junges
Weib, gleich mir, muß der Gewalt solcher Eindrücke
unterliegen, oder gegen sie kämpfen. Jch begann den
Kampf. Da brachte mein Gemal Sie in unser Haus.
Jch unterlag.

Mein gutes Glück wollte, daß Herr Vlämert

Ohne uͤber mein Geſchick nachzuſinnen folgte ich ihm
und ergab mich willig, weil mein Herz frei war und
weil ich dieſen Mann achten konnte. Wir reiſeten.
Der lange leere Tag mit ſeiner Einfoͤrmigkeit am
Kaſſentiſche zwang mich Buͤcher zu leſen, die im
elterlichen Hauſe verbotene Waare hießen. An
engliſchen Werken, den mir einzig zugaͤnglichen, iſt in
Deutſchland der Vorrath nicht groß, die Auswahl
beſchraͤnkt.

Jch fragte nach dem Beſten — und erhielt jene
zahlreichen Baͤnde die Englands groͤßter Dichter
geſchrieben. Wer Schakeſpear immer wieder und
wieder (und nur ihn) lieſet, ſchlaͤgt die Blaͤtter der
Welt auf, ſchoͤpfet aus dem Borne des Lebens. Jch
lernte Welt, Leben, Menſchen kennen, in ihren Hoͤhen
und in ihren Tiefen. Jch erfuhr, was ich bis dahin
nicht wiſſen konnte, wie Laſter und Tugend, kaum
durch einen Flor geſchieden, neben einander her
wandeln und oftmals verwechſelt werden. Ein junges
Weib, gleich mir, muß der Gewalt ſolcher Eindruͤcke
unterliegen, oder gegen ſie kaͤmpfen. Jch begann den
Kampf. Da brachte mein Gemal Sie in unſer Haus.
Jch unterlag.

Mein gutes Gluͤck wollte, daß Herr Vlaͤmert

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[252/0254] Ohne uͤber mein Geſchick nachzuſinnen folgte ich ihm und ergab mich willig, weil mein Herz frei war und weil ich dieſen Mann achten konnte. Wir reiſeten. Der lange leere Tag mit ſeiner Einfoͤrmigkeit am Kaſſentiſche zwang mich Buͤcher zu leſen, die im elterlichen Hauſe verbotene Waare hießen. An engliſchen Werken, den mir einzig zugaͤnglichen, iſt in Deutſchland der Vorrath nicht groß, die Auswahl beſchraͤnkt. Jch fragte nach dem Beſten — und erhielt jene zahlreichen Baͤnde die Englands groͤßter Dichter geſchrieben. Wer Schakeſpear immer wieder und wieder (und nur ihn) lieſet, ſchlaͤgt die Blaͤtter der Welt auf, ſchoͤpfet aus dem Borne des Lebens. Jch lernte Welt, Leben, Menſchen kennen, in ihren Hoͤhen und in ihren Tiefen. Jch erfuhr, was ich bis dahin nicht wiſſen konnte, wie Laſter und Tugend, kaum durch einen Flor geſchieden, neben einander her wandeln und oftmals verwechſelt werden. Ein junges Weib, gleich mir, muß der Gewalt ſolcher Eindruͤcke unterliegen, oder gegen ſie kaͤmpfen. Jch begann den Kampf. Da brachte mein Gemal Sie in unſer Haus. Jch unterlag. Mein gutes Gluͤck wollte, daß Herr Vlaͤmert

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/254>, abgerufen am 24.11.2024.