Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

einen schönen, zum Gefühl dringenden Ton und
Festigkeit bei Führung des Bogens fehlt gewiß nicht,
da Sie im Stande sind, auf galopirendem Pferde
die Melodie zu halten. Jch will Jhnen nicht zure-
den, sich zum eigentlichen Virtuosen zu machen;
dafür dürft' es auch schon zu spät sein; nicht allein
bei ihren Jahren, sondern hauptsächlich bei den
Ansprüchen der Welt, und bei der Ueberfülle von
Nebenbuhlern. Wenn es fortgeht, wie es sich anläßt,
werden wir binnen Kurzem ungleich mehr reisende
Virtuosen zählen, als bezahlende Zuhörer. Bei mei-
nem letzten Aufenthalte in W. trafen zusammen: eine
Klarinette, fünf Flöten, ein Kontrabaß, drei Cello's,
eine Baß-Posaune, eine Klappentrompete, zwei Wald-
hörner, ein Fagott, eine Maultrommel, eine Guitarre,
sieben Geigen und einundzwanzig Klaviere. Alle
wollten Konzert geben; gaben es auch, jeder War-
nung zum Trotz! Wo soll das hinaus? Aber wenn
Sie sich der Musik widmen, um Platz in einem
Orchester zu nehmen, so können Sie wenigstens exi-
stiren. Wie wär' es, wenn Sie's bei mir versuchten?
Schkramprl hat mir im Vorübergehen von Jhnen
gesprochen. Jch kann eine erste Violine gebrauchen,
die mir das übrige Musikvölkchen, wie ich's zusam-

einen ſchoͤnen, zum Gefuͤhl dringenden Ton und
Feſtigkeit bei Fuͤhrung des Bogens fehlt gewiß nicht,
da Sie im Stande ſind, auf galopirendem Pferde
die Melodie zu halten. Jch will Jhnen nicht zure-
den, ſich zum eigentlichen Virtuoſen zu machen;
dafuͤr duͤrft’ es auch ſchon zu ſpaͤt ſein; nicht allein
bei ihren Jahren, ſondern hauptſaͤchlich bei den
Anſpruͤchen der Welt, und bei der Ueberfuͤlle von
Nebenbuhlern. Wenn es fortgeht, wie es ſich anlaͤßt,
werden wir binnen Kurzem ungleich mehr reiſende
Virtuoſen zaͤhlen, als bezahlende Zuhoͤrer. Bei mei-
nem letzten Aufenthalte in W. trafen zuſammen: eine
Klarinette, fuͤnf Floͤten, ein Kontrabaß, drei Cello’s,
eine Baß-Poſaune, eine Klappentrompete, zwei Wald-
hoͤrner, ein Fagott, eine Maultrommel, eine Guitarre,
ſieben Geigen und einundzwanzig Klaviere. Alle
wollten Konzert geben; gaben es auch, jeder War-
nung zum Trotz! Wo ſoll das hinaus? Aber wenn
Sie ſich der Muſik widmen, um Platz in einem
Orcheſter zu nehmen, ſo koͤnnen Sie wenigſtens exi-
ſtiren. Wie waͤr’ es, wenn Sie’s bei mir verſuchten?
Schkramprl hat mir im Voruͤbergehen von Jhnen
geſprochen. Jch kann eine erſte Violine gebrauchen,
die mir das uͤbrige Muſikvoͤlkchen, wie ich’s zuſam-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0209" n="207"/>
einen &#x017F;cho&#x0364;nen, zum Gefu&#x0364;hl dringenden Ton und<lb/>
Fe&#x017F;tigkeit bei Fu&#x0364;hrung des Bogens fehlt gewiß nicht,<lb/>
da Sie im Stande &#x017F;ind, auf galopirendem Pferde<lb/>
die Melodie zu halten. Jch will Jhnen nicht zure-<lb/>
den, &#x017F;ich zum eigentlichen Virtuo&#x017F;en zu machen;<lb/>
dafu&#x0364;r du&#x0364;rft&#x2019; es auch &#x017F;chon zu &#x017F;pa&#x0364;t &#x017F;ein; nicht allein<lb/>
bei ihren Jahren, &#x017F;ondern haupt&#x017F;a&#x0364;chlich bei den<lb/>
An&#x017F;pru&#x0364;chen der Welt, und bei der Ueberfu&#x0364;lle von<lb/>
Nebenbuhlern. Wenn es fortgeht, wie es &#x017F;ich anla&#x0364;ßt,<lb/>
werden wir binnen Kurzem ungleich mehr rei&#x017F;ende<lb/>
Virtuo&#x017F;en za&#x0364;hlen, als bezahlende Zuho&#x0364;rer. Bei mei-<lb/>
nem letzten Aufenthalte in W. trafen zu&#x017F;ammen: eine<lb/>
Klarinette, fu&#x0364;nf Flo&#x0364;ten, ein Kontrabaß, drei Cello&#x2019;s,<lb/>
eine Baß-Po&#x017F;aune, eine Klappentrompete, zwei Wald-<lb/>
ho&#x0364;rner, ein Fagott, eine Maultrommel, eine Guitarre,<lb/>
&#x017F;ieben Geigen und einundzwanzig Klaviere. Alle<lb/>
wollten Konzert geben; gaben es auch, jeder War-<lb/>
nung zum Trotz! Wo &#x017F;oll das hinaus? Aber wenn<lb/>
Sie &#x017F;ich der Mu&#x017F;ik widmen, um Platz in einem<lb/>
Orche&#x017F;ter zu nehmen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen Sie wenig&#x017F;tens exi-<lb/>
&#x017F;tiren. Wie wa&#x0364;r&#x2019; es, wenn Sie&#x2019;s bei mir ver&#x017F;uchten?<lb/>
Schkramprl hat mir im Voru&#x0364;bergehen von Jhnen<lb/>
ge&#x017F;prochen. Jch kann eine er&#x017F;te Violine gebrauchen,<lb/>
die mir das u&#x0364;brige Mu&#x017F;ikvo&#x0364;lkchen, wie ich&#x2019;s zu&#x017F;am-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0209] einen ſchoͤnen, zum Gefuͤhl dringenden Ton und Feſtigkeit bei Fuͤhrung des Bogens fehlt gewiß nicht, da Sie im Stande ſind, auf galopirendem Pferde die Melodie zu halten. Jch will Jhnen nicht zure- den, ſich zum eigentlichen Virtuoſen zu machen; dafuͤr duͤrft’ es auch ſchon zu ſpaͤt ſein; nicht allein bei ihren Jahren, ſondern hauptſaͤchlich bei den Anſpruͤchen der Welt, und bei der Ueberfuͤlle von Nebenbuhlern. Wenn es fortgeht, wie es ſich anlaͤßt, werden wir binnen Kurzem ungleich mehr reiſende Virtuoſen zaͤhlen, als bezahlende Zuhoͤrer. Bei mei- nem letzten Aufenthalte in W. trafen zuſammen: eine Klarinette, fuͤnf Floͤten, ein Kontrabaß, drei Cello’s, eine Baß-Poſaune, eine Klappentrompete, zwei Wald- hoͤrner, ein Fagott, eine Maultrommel, eine Guitarre, ſieben Geigen und einundzwanzig Klaviere. Alle wollten Konzert geben; gaben es auch, jeder War- nung zum Trotz! Wo ſoll das hinaus? Aber wenn Sie ſich der Muſik widmen, um Platz in einem Orcheſter zu nehmen, ſo koͤnnen Sie wenigſtens exi- ſtiren. Wie waͤr’ es, wenn Sie’s bei mir verſuchten? Schkramprl hat mir im Voruͤbergehen von Jhnen geſprochen. Jch kann eine erſte Violine gebrauchen, die mir das uͤbrige Muſikvoͤlkchen, wie ich’s zuſam-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/209
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/209>, abgerufen am 01.09.2024.