sechste Sinn Jhnen mitgegeben sei? Mitgegeben muß er sein, verstehen Sie mich, junger Mensch? Mitge- geben von Geburt aus: Gott, -- oder der Teufel, ich weiß nicht wer? -- muß ihn dem Kinde einge- haucht haben, als es dieses Erdentages Licht erblickte. Empfanden Sie bisher davon eine Spur? Hat ein unbekannter, unbewußter, dennoch unbesieglicher Trieb Sie angeregt, kund zu geben, was in Jhnen kocht und gährt und um jeden Preis zur Anschauung gebracht sein möchte? -- Keinesweges! Sonst ja wären Sie, nachdem Sie jene Dorfkomödie mit an- gesehen, ohne weiteres den Zigeunern nach und in alle Welt gelaufen; hätte Jhre Körbe Körbe sein lassen. Das Bedürfniß: darzustellen! hätte jeden anderen Gedanken bei Jhnen getödtet. Davon aber war keine Rede. Sie liefen in die Welt, lediglich weil es Jhnen daheim nicht mehr gefiel, weil Jhre jugendliche Kraft und Lebenslust zu leben sich sehn- ten. Die Bühne suchten Sie nicht. Liebe und Lie- bes-Glück suchten Sie, Pferde, bunte Kleider, Ge- fahr! -- Was ich Jhnen sage soll kein Vorwurf sein, ich finde das Alles ganz natürlich. Darum mögen Sie es auch natürlich finden, wenn ich Sie nicht von Jnnen berufen halte, Schauspieler zu werden.
ſechſte Sinn Jhnen mitgegeben ſei? Mitgegeben muß er ſein, verſtehen Sie mich, junger Menſch? Mitge- geben von Geburt aus: Gott, — oder der Teufel, ich weiß nicht wer? — muß ihn dem Kinde einge- haucht haben, als es dieſes Erdentages Licht erblickte. Empfanden Sie bisher davon eine Spur? Hat ein unbekannter, unbewußter, dennoch unbeſieglicher Trieb Sie angeregt, kund zu geben, was in Jhnen kocht und gaͤhrt und um jeden Preis zur Anſchauung gebracht ſein moͤchte? — Keinesweges! Sonſt ja waͤren Sie, nachdem Sie jene Dorfkomoͤdie mit an- geſehen, ohne weiteres den Zigeunern nach und in alle Welt gelaufen; haͤtte Jhre Koͤrbe Koͤrbe ſein laſſen. Das Beduͤrfniß: darzuſtellen! haͤtte jeden anderen Gedanken bei Jhnen getoͤdtet. Davon aber war keine Rede. Sie liefen in die Welt, lediglich weil es Jhnen daheim nicht mehr gefiel, weil Jhre jugendliche Kraft und Lebensluſt zu leben ſich ſehn- ten. Die Buͤhne ſuchten Sie nicht. Liebe und Lie- bes-Gluͤck ſuchten Sie, Pferde, bunte Kleider, Ge- fahr! — Was ich Jhnen ſage ſoll kein Vorwurf ſein, ich finde das Alles ganz natuͤrlich. Darum moͤgen Sie es auch natuͤrlich finden, wenn ich Sie nicht von Jnnen berufen halte, Schauſpieler zu werden.
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ſechſte Sinn Jhnen mitgegeben ſei? Mitgegeben muß
er ſein, verſtehen Sie mich, junger Menſch? Mitge-
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ich weiß nicht wer? — muß ihn dem Kinde einge-
haucht haben, als es dieſes Erdentages Licht erblickte.
Empfanden Sie bisher davon eine Spur? Hat ein
unbekannter, unbewußter, dennoch unbeſieglicher
Trieb Sie angeregt, kund zu geben, was in Jhnen
kocht und gaͤhrt und um jeden Preis zur Anſchauung
gebracht ſein moͤchte? — Keinesweges! Sonſt ja
waͤren Sie, nachdem Sie jene Dorfkomoͤdie mit an-
geſehen, ohne weiteres den Zigeunern nach und in
alle Welt gelaufen; haͤtte Jhre Koͤrbe Koͤrbe ſein
laſſen. Das Beduͤrfniß: darzuſtellen! haͤtte jeden
anderen Gedanken bei Jhnen getoͤdtet. Davon aber
war keine Rede. Sie liefen in die Welt, lediglich
weil es Jhnen daheim nicht mehr gefiel, weil Jhre
jugendliche Kraft und Lebensluſt zu leben ſich ſehn-
ten. Die Buͤhne ſuchten Sie nicht. Liebe und Lie-
bes-Gluͤck ſuchten Sie, Pferde, bunte Kleider, Ge-
fahr! — Was ich Jhnen ſage ſoll kein Vorwurf ſein,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/108>, abgerufen am 22.11.2024.
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