-- wenn, sag' ich, ein solcher Schriftsteller nun plötzlich, unerwartet aus ruhigem Stillleben sich aufgestört sieht durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein- dringt in des alten Musensohnes Zelle; ihn empor schreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt, wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm zuruft:
"Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke "hast Du aufführen lassen, so viel Lieder hast Du "gesungen, so viel Gedichte geschmiedet, so viel "Bände geschrieben. Du bist ein deutscher Schrift- "steller; Du wähnst in eitlen Stunden, ein Dichter "zu sein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade "kein Anderer zur Hand ist; und weil ich neben mei- "nen strengen Berufspflichten auch die Poesie liebe, "ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten "zu schlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche, "mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von "Literatur plaudern könne; und weil, -- und weil, "-- und weil, -- so raffe Dich auf, Holtei, und "folge mir!"
Und wenn nun dieser Mann wiederkehrt und täg- lich fragt:
— wenn, ſag’ ich, ein ſolcher Schriftſteller nun plötzlich, unerwartet aus ruhigem Stillleben ſich aufgeſtört ſieht durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein- dringt in des alten Muſenſohnes Zelle; ihn empor ſchreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt, wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm zuruft:
„Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke „haſt Du aufführen laſſen, ſo viel Lieder haſt Du „geſungen, ſo viel Gedichte geſchmiedet, ſo viel „Bände geſchrieben. Du biſt ein deutſcher Schrift- „ſteller; Du wähnſt in eitlen Stunden, ein Dichter „zu ſein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade „kein Anderer zur Hand iſt; und weil ich neben mei- „nen ſtrengen Berufspflichten auch die Poeſie liebe, „ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten „zu ſchlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche, „mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von „Literatur plaudern könne; und weil, — und weil, „— und weil, — ſo raffe Dich auf, Holtei, und „folge mir!“
Und wenn nun dieſer Mann wiederkehrt und täg- lich fragt:
<TEI><text><front><divtype="dedication"><div><p><pbfacs="#f0009"n="IX"/>— wenn, ſag’ ich, ein ſolcher Schriftſteller nun plötzlich,<lb/>
unerwartet aus ruhigem Stillleben ſich aufgeſtört ſieht<lb/>
durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt<lb/>
an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein-<lb/>
dringt in des alten Muſenſohnes Zelle; ihn empor<lb/>ſchreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt,<lb/>
wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm<lb/>
zuruft:</p><lb/><p><hirendition="#et">„<hirendition="#g">Jch</hi> kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke<lb/>„haſt Du aufführen laſſen, ſo viel Lieder haſt Du<lb/>„geſungen, ſo viel Gedichte geſchmiedet, ſo viel<lb/>„Bände geſchrieben. Du biſt ein deutſcher Schrift-<lb/>„ſteller; Du wähnſt in eitlen Stunden, ein Dichter<lb/>„zu ſein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade<lb/>„kein Anderer zur Hand iſt; und weil ich neben mei-<lb/>„nen ſtrengen Berufspflichten auch die Poeſie liebe,<lb/>„ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten<lb/>„zu ſchlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche,<lb/>„mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von<lb/>„Literatur plaudern könne; und weil, — und weil,<lb/>„— und weil, —ſo raffe Dich auf, Holtei, und<lb/>„folge mir!“</hi></p><lb/><p>Und wenn nun dieſer Mann wiederkehrt und täg-<lb/>
lich fragt:</p><lb/></div></div></front></text></TEI>
[IX/0009]
— wenn, ſag’ ich, ein ſolcher Schriftſteller nun plötzlich,
unerwartet aus ruhigem Stillleben ſich aufgeſtört ſieht
durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt
an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein-
dringt in des alten Muſenſohnes Zelle; ihn empor
ſchreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt,
wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm
zuruft:
„Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke
„haſt Du aufführen laſſen, ſo viel Lieder haſt Du
„geſungen, ſo viel Gedichte geſchmiedet, ſo viel
„Bände geſchrieben. Du biſt ein deutſcher Schrift-
„ſteller; Du wähnſt in eitlen Stunden, ein Dichter
„zu ſein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade
„kein Anderer zur Hand iſt; und weil ich neben mei-
„nen ſtrengen Berufspflichten auch die Poeſie liebe,
„ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten
„zu ſchlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche,
„mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von
„Literatur plaudern könne; und weil, — und weil,
„— und weil, — ſo raffe Dich auf, Holtei, und
„folge mir!“
Und wenn nun dieſer Mann wiederkehrt und täg-
lich fragt:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/9>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.