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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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-- wenn, sag' ich, ein solcher Schriftsteller nun plötzlich,
unerwartet aus ruhigem Stillleben sich aufgestört sieht
durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt
an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein-
dringt in des alten Musensohnes Zelle; ihn empor
schreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt,
wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm
zuruft:

"Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke
"hast Du aufführen lassen, so viel Lieder hast Du
"gesungen, so viel Gedichte geschmiedet, so viel
"Bände geschrieben. Du bist ein deutscher Schrift-
"steller; Du wähnst in eitlen Stunden, ein Dichter
"zu sein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade
"kein Anderer zur Hand ist; und weil ich neben mei-
"nen strengen Berufspflichten auch die Poesie liebe,
"ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten
"zu schlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche,
"mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von
"Literatur plaudern könne; und weil, -- und weil,
"-- und weil, -- so raffe Dich auf, Holtei, und
"folge mir!"

Und wenn nun dieser Mann wiederkehrt und täg-
lich fragt:

— wenn, ſag’ ich, ein ſolcher Schriftſteller nun plötzlich,
unerwartet aus ruhigem Stillleben ſich aufgeſtört ſieht
durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt
an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein-
dringt in des alten Muſenſohnes Zelle; ihn empor
ſchreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt,
wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm
zuruft:

Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke
„haſt Du aufführen laſſen, ſo viel Lieder haſt Du
„geſungen, ſo viel Gedichte geſchmiedet, ſo viel
„Bände geſchrieben. Du biſt ein deutſcher Schrift-
„ſteller; Du wähnſt in eitlen Stunden, ein Dichter
„zu ſein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade
„kein Anderer zur Hand iſt; und weil ich neben mei-
„nen ſtrengen Berufspflichten auch die Poeſie liebe,
„ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten
„zu ſchlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche,
„mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von
„Literatur plaudern könne; und weil, — und weil,
„— und weil, — ſo raffe Dich auf, Holtei, und
„folge mir!“

Und wenn nun dieſer Mann wiederkehrt und täg-
lich fragt:

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[IX/0009] — wenn, ſag’ ich, ein ſolcher Schriftſteller nun plötzlich, unerwartet aus ruhigem Stillleben ſich aufgeſtört ſieht durch einen Mann, welcher, das Schwert der Gewalt an der Hüfte, exekutive Vorrechte an der Stirn, ein- dringt in des alten Muſenſohnes Zelle; ihn empor ſchreckt aus müßigen Träumen; ihn bei Namen nennt, wie einen Nachtwandler, den man erwecken will; ihm zuruft: „Jch kenne Dich und Deine Thaten. So viel Stücke „haſt Du aufführen laſſen, ſo viel Lieder haſt Du „geſungen, ſo viel Gedichte geſchmiedet, ſo viel „Bände geſchrieben. Du biſt ein deutſcher Schrift- „ſteller; Du wähnſt in eitlen Stunden, ein Dichter „zu ſein; ha, ich kenne Dich! Und weil mir gerade „kein Anderer zur Hand iſt; und weil ich neben mei- „nen ſtrengen Berufspflichten auch die Poeſie liebe, „ihre Blumen in bunten Kränzen um meine Akten „zu ſchlingen; und weil ich einen Poeten gebrauche, „mit dem ich auf den Schloßberg wandeln und von „Literatur plaudern könne; und weil, — und weil, „— und weil, — ſo raffe Dich auf, Holtei, und „folge mir!“ Und wenn nun dieſer Mann wiederkehrt und täg- lich fragt:

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/9>, abgerufen am 19.04.2024.