zeigte, später jedoch sanftere Träume vor ihm auf- steigen ließ, daß die Fieberqual entwich und ein ruhiger stärkender Schlummer über ihn sich aus- breitete.
Stunde für Stunde zog der schönste Sommertag um den Schläfer hin, der ihn in seinem Jnnern fühlte und durchlebte. Balsamische Düfte senkten sich von den hohen Tannen herab, daß er sie einathme und seine von Jammergeschrei wunde Brust ausheile. Er wußte, daß er schlief. Er empfand, daß der Schlaf ihn segnend abtrennte von den Leiden des Lebens. Deshalb gab er sich willig der süßen Lockung hin, die sommerlau auf ihm lag. Und da kam auch die Mutter. Sie neigte das Angesicht über ihn, -- aber es glänzte, daß er ihre Züge nicht sehen konnte, -- und lispelte ihm wie singend in's Ohr: habe Friede, mein Sohn! Es war kein Traum mehr. Zu erwachen wähnte der Aermste. Jhre langen Locken berührten seine Augenlider. Sehnsüchtig schlang er die Arme, sie zu umfangen, -- doch als er die Augen geöffnet, als er wirklich erwachte, leuchtete ein fremder Feuerblick ihm entgegen, und an seiner Seite knie'te ein in schlechte Lumpen gehüllter Bettler. Der schwarze Wolfgang war es. Jn der ganzen Gegend
zeigte, ſpaͤter jedoch ſanftere Traͤume vor ihm auf- ſteigen ließ, daß die Fieberqual entwich und ein ruhiger ſtaͤrkender Schlummer uͤber ihn ſich aus- breitete.
Stunde fuͤr Stunde zog der ſchoͤnſte Sommertag um den Schlaͤfer hin, der ihn in ſeinem Jnnern fuͤhlte und durchlebte. Balſamiſche Duͤfte ſenkten ſich von den hohen Tannen herab, daß er ſie einathme und ſeine von Jammergeſchrei wunde Bruſt ausheile. Er wußte, daß er ſchlief. Er empfand, daß der Schlaf ihn ſegnend abtrennte von den Leiden des Lebens. Deshalb gab er ſich willig der ſuͤßen Lockung hin, die ſommerlau auf ihm lag. Und da kam auch die Mutter. Sie neigte das Angeſicht uͤber ihn, — aber es glaͤnzte, daß er ihre Zuͤge nicht ſehen konnte, — und lispelte ihm wie ſingend in’s Ohr: habe Friede, mein Sohn! Es war kein Traum mehr. Zu erwachen waͤhnte der Aermſte. Jhre langen Locken beruͤhrten ſeine Augenlider. Sehnſuͤchtig ſchlang er die Arme, ſie zu umfangen, — doch als er die Augen geoͤffnet, als er wirklich erwachte, leuchtete ein fremder Feuerblick ihm entgegen, und an ſeiner Seite knie’te ein in ſchlechte Lumpen gehuͤllter Bettler. Der ſchwarze Wolfgang war es. Jn der ganzen Gegend
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zeigte, ſpaͤter jedoch ſanftere Traͤume vor ihm auf-
ſteigen ließ, daß die Fieberqual entwich und ein
ruhiger ſtaͤrkender Schlummer uͤber ihn ſich aus-
breitete.
Stunde fuͤr Stunde zog der ſchoͤnſte Sommertag
um den Schlaͤfer hin, der ihn in ſeinem Jnnern fuͤhlte
und durchlebte. Balſamiſche Duͤfte ſenkten ſich von
den hohen Tannen herab, daß er ſie einathme und
ſeine von Jammergeſchrei wunde Bruſt ausheile. Er
wußte, daß er ſchlief. Er empfand, daß der Schlaf
ihn ſegnend abtrennte von den Leiden des Lebens.
Deshalb gab er ſich willig der ſuͤßen Lockung hin,
die ſommerlau auf ihm lag. Und da kam auch die
Mutter. Sie neigte das Angeſicht uͤber ihn, — aber
es glaͤnzte, daß er ihre Zuͤge nicht ſehen konnte, —
und lispelte ihm wie ſingend in’s Ohr: habe Friede,
mein Sohn! Es war kein Traum mehr. Zu erwachen
waͤhnte der Aermſte. Jhre langen Locken beruͤhrten
ſeine Augenlider. Sehnſuͤchtig ſchlang er die Arme,
ſie zu umfangen, — doch als er die Augen geoͤffnet,
als er wirklich erwachte, leuchtete ein fremder
Feuerblick ihm entgegen, und an ſeiner Seite knie’te
ein in ſchlechte Lumpen gehuͤllter Bettler. Der
ſchwarze Wolfgang war es. Jn der ganzen Gegend
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/47>, abgerufen am 22.11.2024.
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