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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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schreien ließ, was soll das heißen, daß fremde Weiber
mich befragen nach Deinem Schmerz über den Aus-
marsch der Husaren? Und daß Du seit acht Tagen
vergehst und verkommst, wie eine Blume ohne Regen?
Und daß die vermaledeiten Bildhauer-Leute ein neues
stolzes Haus auferbauen? Antonie, hast Du das Sün-
dengeld gezahlt? Jch frage Dich, ich, Deine Mutter.

Da hättest Du sie sehen müssen, Anton, wie sie
sich emporrichtete und vor mir stand, um eine Hand
höher wie gewöhniglich. Schreie nicht, Mutter, Du
thust mir wehe, sprach sie. Du sollst die Wahrheit
vernehmen, auch ohne daß Du mir drohst. Länger
hätte ich ohnedieß nicht geschwiegen. Geh'n wir
hinab zum Vater; auch er muß wissen, wie es mit
seinem einzigen Kinde steht.

So schritt sie mir voran, ungebeugt und mächtig,
das sechzehnjährige Mädchen, als ob sie die Anklä-
gerin wäre, und ich folgte ihr bebend, wie wenn ich
ein schlechtes Gewissen hätte. Sie war halt gar zu
schön; man konnte sie nicht sehen ohne Entzücken.

Dein Großvater saß bei seiner Notenschrift. Sie
winkte ihm die dicke Schwanenfeder aus der Hand,
gleichsam als ob sie ihm befehlen wollte, zu hören.
Und nun begann sie: Bei dem großen Musikfeste

Die Vagabunden. I. 2

ſchreien ließ, was ſoll das heißen, daß fremde Weiber
mich befragen nach Deinem Schmerz uͤber den Aus-
marſch der Huſaren? Und daß Du ſeit acht Tagen
vergehſt und verkommſt, wie eine Blume ohne Regen?
Und daß die vermaledeiten Bildhauer-Leute ein neues
ſtolzes Haus auferbauen? Antonie, haſt Du das Suͤn-
dengeld gezahlt? Jch frage Dich, ich, Deine Mutter.

Da haͤtteſt Du ſie ſehen muͤſſen, Anton, wie ſie
ſich emporrichtete und vor mir ſtand, um eine Hand
hoͤher wie gewoͤhniglich. Schreie nicht, Mutter, Du
thuſt mir wehe, ſprach ſie. Du ſollſt die Wahrheit
vernehmen, auch ohne daß Du mir drohſt. Laͤnger
haͤtte ich ohnedieß nicht geſchwiegen. Geh’n wir
hinab zum Vater; auch er muß wiſſen, wie es mit
ſeinem einzigen Kinde ſteht.

So ſchritt ſie mir voran, ungebeugt und maͤchtig,
das ſechzehnjaͤhrige Maͤdchen, als ob ſie die Anklaͤ-
gerin waͤre, und ich folgte ihr bebend, wie wenn ich
ein ſchlechtes Gewiſſen haͤtte. Sie war halt gar zu
ſchoͤn; man konnte ſie nicht ſehen ohne Entzuͤcken.

Dein Großvater ſaß bei ſeiner Notenſchrift. Sie
winkte ihm die dicke Schwanenfeder aus der Hand,
gleichſam als ob ſie ihm befehlen wollte, zu hoͤren.
Und nun begann ſie: Bei dem großen Muſikfeſte

Die Vagabunden. I. 2
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[17/0033] ſchreien ließ, was ſoll das heißen, daß fremde Weiber mich befragen nach Deinem Schmerz uͤber den Aus- marſch der Huſaren? Und daß Du ſeit acht Tagen vergehſt und verkommſt, wie eine Blume ohne Regen? Und daß die vermaledeiten Bildhauer-Leute ein neues ſtolzes Haus auferbauen? Antonie, haſt Du das Suͤn- dengeld gezahlt? Jch frage Dich, ich, Deine Mutter. Da haͤtteſt Du ſie ſehen muͤſſen, Anton, wie ſie ſich emporrichtete und vor mir ſtand, um eine Hand hoͤher wie gewoͤhniglich. Schreie nicht, Mutter, Du thuſt mir wehe, ſprach ſie. Du ſollſt die Wahrheit vernehmen, auch ohne daß Du mir drohſt. Laͤnger haͤtte ich ohnedieß nicht geſchwiegen. Geh’n wir hinab zum Vater; auch er muß wiſſen, wie es mit ſeinem einzigen Kinde ſteht. So ſchritt ſie mir voran, ungebeugt und maͤchtig, das ſechzehnjaͤhrige Maͤdchen, als ob ſie die Anklaͤ- gerin waͤre, und ich folgte ihr bebend, wie wenn ich ein ſchlechtes Gewiſſen haͤtte. Sie war halt gar zu ſchoͤn; man konnte ſie nicht ſehen ohne Entzuͤcken. Dein Großvater ſaß bei ſeiner Notenſchrift. Sie winkte ihm die dicke Schwanenfeder aus der Hand, gleichſam als ob ſie ihm befehlen wollte, zu hoͤren. Und nun begann ſie: Bei dem großen Muſikfeſte Die Vagabunden. I. 2

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/33>, abgerufen am 22.11.2024.