Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Noth auch der Madame Simonelli. -- Für andere
Bewohner des Landes von der Düna bis zum Rhein,
bedienten sie sich gern der Zeichensprache, und für
ihnen wohlgefällige Bewohnerinnen einer ganz ent-
schieden ausgebildeten. Weil nun aber der flickschnei-
dernde Nachtwächter die Eigenschaft besaß, in seiner
Wohnung und als Familien-Vater ungleich schärfer
zu vigiliren und ein besonderer Stuben-Tag-Wächter
zu sein, wie er jemals ein Stadt-Nacht-Wächter
gewesen, so blieb diesen Liebenden für den Austausch
pantomimischer Symbole nur die "heil'ge Nacht mit
blauem Sternenmantel;" diese gewissenlose Beschütze-
rin so vieler Eltern betrügender Pläne gelobte ihren
Schutz desto zuverlässiger, weil die durch den Schnei-
der zu bewachenden Gefilde weit ab lagen, vom fer-
nen Gäßchen in welchem seine Zwillinge zurückblieben.
Es kam nur darauf an, daß Antoine in's Vertrauen
gezogen wurde; daß er so gefällig war, einmal die
"Nacht-Jnspektion" der Thierwelt zu übernehmen;
denn ohne Aufsicht durften Bude und Jnhalt nicht
verbleiben. Dazu fand er sich willig und bereit. Nicht
allein um der viel geplagten Knechte willen, die auch ihm
stets dienlich sein mochten, mehr fast noch, um eine
Veranlassung zu ergreifen, die sich ihm bei seiner

Noth auch der Madame Simonelli. — Fuͤr andere
Bewohner des Landes von der Duͤna bis zum Rhein,
bedienten ſie ſich gern der Zeichenſprache, und fuͤr
ihnen wohlgefaͤllige Bewohnerinnen einer ganz ent-
ſchieden ausgebildeten. Weil nun aber der flickſchnei-
dernde Nachtwaͤchter die Eigenſchaft beſaß, in ſeiner
Wohnung und als Familien-Vater ungleich ſchaͤrfer
zu vigiliren und ein beſonderer Stuben-Tag-Waͤchter
zu ſein, wie er jemals ein Stadt-Nacht-Waͤchter
geweſen, ſo blieb dieſen Liebenden fuͤr den Austauſch
pantomimiſcher Symbole nur die „heil’ge Nacht mit
blauem Sternenmantel;“ dieſe gewiſſenloſe Beſchuͤtze-
rin ſo vieler Eltern betruͤgender Plaͤne gelobte ihren
Schutz deſto zuverlaͤſſiger, weil die durch den Schnei-
der zu bewachenden Gefilde weit ab lagen, vom fer-
nen Gaͤßchen in welchem ſeine Zwillinge zuruͤckblieben.
Es kam nur darauf an, daß Antoine in’s Vertrauen
gezogen wurde; daß er ſo gefaͤllig war, einmal die
„Nacht-Jnſpektion“ der Thierwelt zu uͤbernehmen;
denn ohne Aufſicht durften Bude und Jnhalt nicht
verbleiben. Dazu fand er ſich willig und bereit. Nicht
allein um der viel geplagten Knechte willen, die auch ihm
ſtets dienlich ſein mochten, mehr faſt noch, um eine
Veranlaſſung zu ergreifen, die ſich ihm bei ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="302"/>
Noth auch der Madame Simonelli. &#x2014; Fu&#x0364;r andere<lb/>
Bewohner des Landes von der Du&#x0364;na bis zum Rhein,<lb/>
bedienten &#x017F;ie &#x017F;ich gern der Zeichen&#x017F;prache, und fu&#x0364;r<lb/>
ihnen wohlgefa&#x0364;llige Bewohnerinnen einer ganz ent-<lb/>
&#x017F;chieden ausgebildeten. Weil nun aber der flick&#x017F;chnei-<lb/>
dernde Nachtwa&#x0364;chter die Eigen&#x017F;chaft be&#x017F;aß, in &#x017F;einer<lb/>
Wohnung und als Familien-Vater ungleich &#x017F;cha&#x0364;rfer<lb/>
zu vigiliren und ein be&#x017F;onderer Stuben-Tag-Wa&#x0364;chter<lb/>
zu &#x017F;ein, wie er jemals ein Stadt-Nacht-Wa&#x0364;chter<lb/>
gewe&#x017F;en, &#x017F;o blieb die&#x017F;en Liebenden fu&#x0364;r den Austau&#x017F;ch<lb/>
pantomimi&#x017F;cher Symbole nur die &#x201E;heil&#x2019;ge Nacht mit<lb/>
blauem Sternenmantel;&#x201C; die&#x017F;e gewi&#x017F;&#x017F;enlo&#x017F;e Be&#x017F;chu&#x0364;tze-<lb/>
rin &#x017F;o vieler Eltern betru&#x0364;gender Pla&#x0364;ne gelobte ihren<lb/>
Schutz de&#x017F;to zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger, weil die durch den Schnei-<lb/>
der zu bewachenden Gefilde weit ab lagen, vom fer-<lb/>
nen Ga&#x0364;ßchen in welchem &#x017F;eine Zwillinge zuru&#x0364;ckblieben.<lb/>
Es kam nur darauf an, daß Antoine in&#x2019;s Vertrauen<lb/>
gezogen wurde; daß er &#x017F;o gefa&#x0364;llig war, einmal die<lb/>
&#x201E;Nacht-Jn&#x017F;pektion&#x201C; der Thierwelt zu u&#x0364;bernehmen;<lb/>
denn ohne Auf&#x017F;icht durften Bude und Jnhalt nicht<lb/>
verbleiben. Dazu fand er &#x017F;ich willig und bereit. Nicht<lb/>
allein um der viel geplagten Knechte willen, die auch ihm<lb/>
&#x017F;tets dienlich &#x017F;ein mochten, mehr fa&#x017F;t noch, um eine<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu ergreifen, die &#x017F;ich ihm bei &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0318] Noth auch der Madame Simonelli. — Fuͤr andere Bewohner des Landes von der Duͤna bis zum Rhein, bedienten ſie ſich gern der Zeichenſprache, und fuͤr ihnen wohlgefaͤllige Bewohnerinnen einer ganz ent- ſchieden ausgebildeten. Weil nun aber der flickſchnei- dernde Nachtwaͤchter die Eigenſchaft beſaß, in ſeiner Wohnung und als Familien-Vater ungleich ſchaͤrfer zu vigiliren und ein beſonderer Stuben-Tag-Waͤchter zu ſein, wie er jemals ein Stadt-Nacht-Waͤchter geweſen, ſo blieb dieſen Liebenden fuͤr den Austauſch pantomimiſcher Symbole nur die „heil’ge Nacht mit blauem Sternenmantel;“ dieſe gewiſſenloſe Beſchuͤtze- rin ſo vieler Eltern betruͤgender Plaͤne gelobte ihren Schutz deſto zuverlaͤſſiger, weil die durch den Schnei- der zu bewachenden Gefilde weit ab lagen, vom fer- nen Gaͤßchen in welchem ſeine Zwillinge zuruͤckblieben. Es kam nur darauf an, daß Antoine in’s Vertrauen gezogen wurde; daß er ſo gefaͤllig war, einmal die „Nacht-Jnſpektion“ der Thierwelt zu uͤbernehmen; denn ohne Aufſicht durften Bude und Jnhalt nicht verbleiben. Dazu fand er ſich willig und bereit. Nicht allein um der viel geplagten Knechte willen, die auch ihm ſtets dienlich ſein mochten, mehr faſt noch, um eine Veranlaſſung zu ergreifen, die ſich ihm bei ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/318
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/318>, abgerufen am 17.05.2024.