Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

der unten am Fuße der hohen, steinernen Brücke ein
Häuschen bewohnte; ein dürftig-hölzernes Ding von
Gebäude. Ging unser Bergflüßchen nur ein Bissel
voll, so leckten die Wellen an des Mannes Besitzthum,
und wär' es nicht von Steinen, Grabkreuzen und
plumpen Heiligen beschwert worden, mir scheint, das
Gewässer hätt' es längst fortgeschwemmt. Mit der
besagten Bildhauers Christel hatte unsere Antoinette
Freundschaft geschlossen und sie besuchten sich. Mir
gefiel der Umgang nicht. Erstens wollte sich's doch
nicht recht schicken, daß des Luther'schen Kantors Kind
Tag-aus Tag-ein bei den kathol'schen Leuten steckte,
die da lauter steinerne Götzenbilder um sich hatten.
Und dann überhaupt war mir so weh', wie wenn mir
Unheil schwante. Wie gesagt, so gescheh'n. Eines
Abends komm' ich über die Brücke, von Neudorf
herein, wo ich eine meinige Muhme besucht hatte, und
mitten auf der Brücke, da sie sich am höchsten wölbt,
und ich vom Steigen müde bin, rast' ich einen Augen-
blick aus, schau' mich um nach den grünen Bergen im
Abendroth, -- fällt mein Blick hinab auf Bildhauers
Häuschen, -- und siehst Du, Anton, Du magst mir's
nun glauben, oder nicht, jetzt noch, wo ich Dir's
beschreibe, fühl' ich den Stoß, den mir's damals in's

der unten am Fuße der hohen, ſteinernen Bruͤcke ein
Haͤuschen bewohnte; ein duͤrftig-hoͤlzernes Ding von
Gebaͤude. Ging unſer Bergfluͤßchen nur ein Biſſel
voll, ſo leckten die Wellen an des Mannes Beſitzthum,
und waͤr’ es nicht von Steinen, Grabkreuzen und
plumpen Heiligen beſchwert worden, mir ſcheint, das
Gewaͤſſer haͤtt’ es laͤngſt fortgeſchwemmt. Mit der
beſagten Bildhauers Chriſtel hatte unſere Antoinette
Freundſchaft geſchloſſen und ſie beſuchten ſich. Mir
gefiel der Umgang nicht. Erſtens wollte ſich’s doch
nicht recht ſchicken, daß des Luther’ſchen Kantors Kind
Tag-aus Tag-ein bei den kathol’ſchen Leuten ſteckte,
die da lauter ſteinerne Goͤtzenbilder um ſich hatten.
Und dann uͤberhaupt war mir ſo weh’, wie wenn mir
Unheil ſchwante. Wie geſagt, ſo geſcheh’n. Eines
Abends komm’ ich uͤber die Bruͤcke, von Neudorf
herein, wo ich eine meinige Muhme beſucht hatte, und
mitten auf der Bruͤcke, da ſie ſich am hoͤchſten woͤlbt,
und ich vom Steigen muͤde bin, raſt’ ich einen Augen-
blick aus, ſchau’ mich um nach den gruͤnen Bergen im
Abendroth, — faͤllt mein Blick hinab auf Bildhauers
Haͤuschen, — und ſiehſt Du, Anton, Du magſt mir’s
nun glauben, oder nicht, jetzt noch, wo ich Dir’s
beſchreibe, fuͤhl’ ich den Stoß, den mir’s damals in’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="13"/>
der unten am Fuße der hohen, &#x017F;teinernen Bru&#x0364;cke ein<lb/>
Ha&#x0364;uschen bewohnte; ein du&#x0364;rftig-ho&#x0364;lzernes Ding von<lb/>
Geba&#x0364;ude. Ging un&#x017F;er Bergflu&#x0364;ßchen nur ein Bi&#x017F;&#x017F;el<lb/>
voll, &#x017F;o leckten die Wellen an des Mannes Be&#x017F;itzthum,<lb/>
und wa&#x0364;r&#x2019; es nicht von Steinen, Grabkreuzen und<lb/>
plumpen Heiligen be&#x017F;chwert worden, mir &#x017F;cheint, das<lb/>
Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er ha&#x0364;tt&#x2019; es la&#x0364;ng&#x017F;t fortge&#x017F;chwemmt. Mit der<lb/>
be&#x017F;agten Bildhauers Chri&#x017F;tel hatte un&#x017F;ere Antoinette<lb/>
Freund&#x017F;chaft ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ie be&#x017F;uchten &#x017F;ich. Mir<lb/>
gefiel der Umgang nicht. Er&#x017F;tens wollte &#x017F;ich&#x2019;s doch<lb/>
nicht recht &#x017F;chicken, daß des Luther&#x2019;&#x017F;chen Kantors Kind<lb/>
Tag-aus Tag-ein bei den kathol&#x2019;&#x017F;chen Leuten &#x017F;teckte,<lb/>
die da lauter &#x017F;teinerne Go&#x0364;tzenbilder um &#x017F;ich hatten.<lb/>
Und dann u&#x0364;berhaupt war mir &#x017F;o weh&#x2019;, wie wenn mir<lb/>
Unheil &#x017F;chwante. Wie ge&#x017F;agt, &#x017F;o ge&#x017F;cheh&#x2019;n. Eines<lb/>
Abends komm&#x2019; ich u&#x0364;ber die Bru&#x0364;cke, von Neudorf<lb/>
herein, wo ich eine meinige Muhme be&#x017F;ucht hatte, und<lb/>
mitten auf der Bru&#x0364;cke, da &#x017F;ie &#x017F;ich am ho&#x0364;ch&#x017F;ten wo&#x0364;lbt,<lb/>
und ich vom Steigen mu&#x0364;de bin, ra&#x017F;t&#x2019; ich einen Augen-<lb/>
blick aus, &#x017F;chau&#x2019; mich um nach den gru&#x0364;nen Bergen im<lb/>
Abendroth, &#x2014; fa&#x0364;llt mein Blick hinab auf Bildhauers<lb/>
Ha&#x0364;uschen, &#x2014; und &#x017F;ieh&#x017F;t Du, Anton, Du mag&#x017F;t mir&#x2019;s<lb/>
nun glauben, oder nicht, jetzt noch, wo ich Dir&#x2019;s<lb/>
be&#x017F;chreibe, fu&#x0364;hl&#x2019; ich den Stoß, den mir&#x2019;s damals in&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0029] der unten am Fuße der hohen, ſteinernen Bruͤcke ein Haͤuschen bewohnte; ein duͤrftig-hoͤlzernes Ding von Gebaͤude. Ging unſer Bergfluͤßchen nur ein Biſſel voll, ſo leckten die Wellen an des Mannes Beſitzthum, und waͤr’ es nicht von Steinen, Grabkreuzen und plumpen Heiligen beſchwert worden, mir ſcheint, das Gewaͤſſer haͤtt’ es laͤngſt fortgeſchwemmt. Mit der beſagten Bildhauers Chriſtel hatte unſere Antoinette Freundſchaft geſchloſſen und ſie beſuchten ſich. Mir gefiel der Umgang nicht. Erſtens wollte ſich’s doch nicht recht ſchicken, daß des Luther’ſchen Kantors Kind Tag-aus Tag-ein bei den kathol’ſchen Leuten ſteckte, die da lauter ſteinerne Goͤtzenbilder um ſich hatten. Und dann uͤberhaupt war mir ſo weh’, wie wenn mir Unheil ſchwante. Wie geſagt, ſo geſcheh’n. Eines Abends komm’ ich uͤber die Bruͤcke, von Neudorf herein, wo ich eine meinige Muhme beſucht hatte, und mitten auf der Bruͤcke, da ſie ſich am hoͤchſten woͤlbt, und ich vom Steigen muͤde bin, raſt’ ich einen Augen- blick aus, ſchau’ mich um nach den gruͤnen Bergen im Abendroth, — faͤllt mein Blick hinab auf Bildhauers Haͤuschen, — und ſiehſt Du, Anton, Du magſt mir’s nun glauben, oder nicht, jetzt noch, wo ich Dir’s beſchreibe, fuͤhl’ ich den Stoß, den mir’s damals in’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/29
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/29>, abgerufen am 25.04.2024.