Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

gab ihr den letzten Gnadenstoß. Wenn ich ihr eine
häusliche Arbeit auftrug, ließ sie nur ihren Ring im
Lichte glitzern und setzte sich an's Klavicembalo. O
Anton, da war sie so lieblich und schüttelte mit den
dunklen Locken herum, daß die allerhöchsten Noten
herauspfiffen aus dem Perlenmunde, als ob's Was-
sertropfen wären, die an der Sonne funkeln. Und
da war die thörigte Mutter wieder still, schaffte selbst
im Hause und horchte auf ihres Kindes Gesang.

Unterdessen waren die Husaren, die sonst in G.
gelegen, zu uns nach N. in's Quartier gekommen.
Schon wie sie einrückten und wie ihre Trompeten über
den Platz schmetterten, daß es bis in unseren stillen
Kirchhof drang, spürt' ich an Netten's Betragen, die
Sachen wären nicht in der Ordnung. Sie war wie
ausgetauscht, unruhig, niedergeschlagen, dann wieder
auf einmal übermüthig, wild, lustig. Der Alte gab
nichts auf meine Mahnungen. So sind halt die
Künstlernaturen, sprach er. Sie ist eine echte Künst-
lernatur! Was er damit sagen wollte, hab' ich nicht
entdecken können. Mir war's zu hoch.

Da hatte denn Deine Mutter Freundschaft geschlos-
sen mit einem Mädel ihres Alters, die Tochter eines
Steinmetzgers, oder Bildhauers, wie er sich nannte,

gab ihr den letzten Gnadenſtoß. Wenn ich ihr eine
haͤusliche Arbeit auftrug, ließ ſie nur ihren Ring im
Lichte glitzern und ſetzte ſich an’s Klavicembalo. O
Anton, da war ſie ſo lieblich und ſchuͤttelte mit den
dunklen Locken herum, daß die allerhoͤchſten Noten
herauspfiffen aus dem Perlenmunde, als ob’s Waſ-
ſertropfen waͤren, die an der Sonne funkeln. Und
da war die thoͤrigte Mutter wieder ſtill, ſchaffte ſelbſt
im Hauſe und horchte auf ihres Kindes Geſang.

Unterdeſſen waren die Huſaren, die ſonſt in G.
gelegen, zu uns nach N. in’s Quartier gekommen.
Schon wie ſie einruͤckten und wie ihre Trompeten uͤber
den Platz ſchmetterten, daß es bis in unſeren ſtillen
Kirchhof drang, ſpuͤrt’ ich an Netten’s Betragen, die
Sachen waͤren nicht in der Ordnung. Sie war wie
ausgetauſcht, unruhig, niedergeſchlagen, dann wieder
auf einmal uͤbermuͤthig, wild, luſtig. Der Alte gab
nichts auf meine Mahnungen. So ſind halt die
Kuͤnſtlernaturen, ſprach er. Sie iſt eine echte Kuͤnſt-
lernatur! Was er damit ſagen wollte, hab’ ich nicht
entdecken koͤnnen. Mir war’s zu hoch.

Da hatte denn Deine Mutter Freundſchaft geſchloſ-
ſen mit einem Maͤdel ihres Alters, die Tochter eines
Steinmetzgers, oder Bildhauers, wie er ſich nannte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="12"/>
gab ihr den letzten Gnaden&#x017F;toß. Wenn ich ihr eine<lb/>
ha&#x0364;usliche Arbeit auftrug, ließ &#x017F;ie nur ihren Ring im<lb/>
Lichte glitzern und &#x017F;etzte &#x017F;ich an&#x2019;s Klavicembalo. O<lb/>
Anton, da war &#x017F;ie &#x017F;o lieblich und &#x017F;chu&#x0364;ttelte mit den<lb/>
dunklen Locken herum, daß die allerho&#x0364;ch&#x017F;ten Noten<lb/>
herauspfiffen aus dem Perlenmunde, als ob&#x2019;s Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ertropfen wa&#x0364;ren, die an der Sonne funkeln. Und<lb/>
da war die tho&#x0364;rigte Mutter wieder &#x017F;till, &#x017F;chaffte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
im Hau&#x017F;e und horchte auf ihres Kindes Ge&#x017F;ang.</p><lb/>
        <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en waren die Hu&#x017F;aren, die &#x017F;on&#x017F;t in G.<lb/>
gelegen, zu uns nach N. in&#x2019;s Quartier gekommen.<lb/>
Schon wie &#x017F;ie einru&#x0364;ckten und wie ihre Trompeten u&#x0364;ber<lb/>
den Platz &#x017F;chmetterten, daß es bis in un&#x017F;eren &#x017F;tillen<lb/>
Kirchhof drang, &#x017F;pu&#x0364;rt&#x2019; ich an Netten&#x2019;s Betragen, die<lb/>
Sachen wa&#x0364;ren nicht in der Ordnung. Sie war wie<lb/>
ausgetau&#x017F;cht, unruhig, niederge&#x017F;chlagen, dann wieder<lb/>
auf einmal u&#x0364;bermu&#x0364;thig, wild, lu&#x017F;tig. Der Alte gab<lb/>
nichts auf meine Mahnungen. So &#x017F;ind halt die<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlernaturen, &#x017F;prach er. Sie i&#x017F;t eine echte Ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
lernatur! Was er damit &#x017F;agen wollte, hab&#x2019; ich nicht<lb/>
entdecken ko&#x0364;nnen. Mir war&#x2019;s zu hoch.</p><lb/>
        <p>Da hatte denn Deine Mutter Freund&#x017F;chaft ge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en mit einem Ma&#x0364;del ihres Alters, die Tochter eines<lb/>
Steinmetzgers, oder Bildhauers, wie er &#x017F;ich nannte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0028] gab ihr den letzten Gnadenſtoß. Wenn ich ihr eine haͤusliche Arbeit auftrug, ließ ſie nur ihren Ring im Lichte glitzern und ſetzte ſich an’s Klavicembalo. O Anton, da war ſie ſo lieblich und ſchuͤttelte mit den dunklen Locken herum, daß die allerhoͤchſten Noten herauspfiffen aus dem Perlenmunde, als ob’s Waſ- ſertropfen waͤren, die an der Sonne funkeln. Und da war die thoͤrigte Mutter wieder ſtill, ſchaffte ſelbſt im Hauſe und horchte auf ihres Kindes Geſang. Unterdeſſen waren die Huſaren, die ſonſt in G. gelegen, zu uns nach N. in’s Quartier gekommen. Schon wie ſie einruͤckten und wie ihre Trompeten uͤber den Platz ſchmetterten, daß es bis in unſeren ſtillen Kirchhof drang, ſpuͤrt’ ich an Netten’s Betragen, die Sachen waͤren nicht in der Ordnung. Sie war wie ausgetauſcht, unruhig, niedergeſchlagen, dann wieder auf einmal uͤbermuͤthig, wild, luſtig. Der Alte gab nichts auf meine Mahnungen. So ſind halt die Kuͤnſtlernaturen, ſprach er. Sie iſt eine echte Kuͤnſt- lernatur! Was er damit ſagen wollte, hab’ ich nicht entdecken koͤnnen. Mir war’s zu hoch. Da hatte denn Deine Mutter Freundſchaft geſchloſ- ſen mit einem Maͤdel ihres Alters, die Tochter eines Steinmetzgers, oder Bildhauers, wie er ſich nannte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/28
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/28>, abgerufen am 23.04.2024.