Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

auffordern und ihm in ihrer Sprache sagen: entäuß're
Dich Deiner Sorgen, amüsire Dich, nimm die Sachen
leicht; es ist auf Erden nicht der Mühe werth, sich zu
ärgern, oder zu grämen.

Anton mußte nicht sein, der er war; nicht der
geistig begabte, von Geburt bevorzugte Mensch, wenn
diese fratzenhaften Zerrbilder menschlicher Erscheinung
ihn gleichgültig lassen sollten. Er empfand sehr tief
jenen ahnungsschweren Schauder, welcher uns jedes-
mal durchdringt, wo es sich um geheimnißvolle
Beziehungen, Aehnlichkeiten, Verwandtschaften des
Menschlichen mit dem Thierischen handelt. Doch
steckte sein Naturphilosoph noch zu fest im unent-
wickelten Keime, um auf die Dauer über die halbkin-
dische Lachlust triumphiren zu können. Waren es
doch die ersten Affen, die er sah! Er begrüßte sie als
Brüder und vergaß in ihrem Umgang die verlorene
Börse. Er ließ sich in Spiele mit ihnen ein, wobei
er zuletzt selbst ein Affe wurde, der nachzuahmen ver-
suchte, wie sie ihn nachahmten.

Der Schwarzbart ging ab und zu. Von der
Affengruppe zu den Damen, von den Damen zu An-
ton und den Affen. Er war einem außerordentlichen
Botschafter nicht unähnlich; hielt auch mitten im

auffordern und ihm in ihrer Sprache ſagen: entaͤuß’re
Dich Deiner Sorgen, amuͤſire Dich, nimm die Sachen
leicht; es iſt auf Erden nicht der Muͤhe werth, ſich zu
aͤrgern, oder zu graͤmen.

Anton mußte nicht ſein, der er war; nicht der
geiſtig begabte, von Geburt bevorzugte Menſch, wenn
dieſe fratzenhaften Zerrbilder menſchlicher Erſcheinung
ihn gleichguͤltig laſſen ſollten. Er empfand ſehr tief
jenen ahnungsſchweren Schauder, welcher uns jedes-
mal durchdringt, wo es ſich um geheimnißvolle
Beziehungen, Aehnlichkeiten, Verwandtſchaften des
Menſchlichen mit dem Thieriſchen handelt. Doch
ſteckte ſein Naturphiloſoph noch zu feſt im unent-
wickelten Keime, um auf die Dauer uͤber die halbkin-
diſche Lachluſt triumphiren zu koͤnnen. Waren es
doch die erſten Affen, die er ſah! Er begruͤßte ſie als
Bruͤder und vergaß in ihrem Umgang die verlorene
Boͤrſe. Er ließ ſich in Spiele mit ihnen ein, wobei
er zuletzt ſelbſt ein Affe wurde, der nachzuahmen ver-
ſuchte, wie ſie ihn nachahmten.

Der Schwarzbart ging ab und zu. Von der
Affengruppe zu den Damen, von den Damen zu An-
ton und den Affen. Er war einem außerordentlichen
Botſchafter nicht unaͤhnlich; hielt auch mitten im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="252"/>
auffordern und ihm in ihrer Sprache &#x017F;agen: enta&#x0364;&#x2019;re<lb/>
Dich Deiner Sorgen, amu&#x0364;&#x017F;ire Dich, nimm die Sachen<lb/>
leicht; es i&#x017F;t auf Erden nicht der Mu&#x0364;he werth, &#x017F;ich zu<lb/>
a&#x0364;rgern, oder zu gra&#x0364;men.</p><lb/>
        <p>Anton mußte nicht &#x017F;ein, der er war; nicht der<lb/>
gei&#x017F;tig begabte, von Geburt bevorzugte Men&#x017F;ch, wenn<lb/>
die&#x017F;e fratzenhaften Zerrbilder men&#x017F;chlicher Er&#x017F;cheinung<lb/>
ihn gleichgu&#x0364;ltig la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten. Er empfand &#x017F;ehr tief<lb/>
jenen ahnungs&#x017F;chweren Schauder, welcher uns jedes-<lb/>
mal durchdringt, wo es &#x017F;ich um geheimnißvolle<lb/>
Beziehungen, Aehnlichkeiten, Verwandt&#x017F;chaften des<lb/>
Men&#x017F;chlichen mit dem Thieri&#x017F;chen handelt. Doch<lb/>
&#x017F;teckte &#x017F;ein Naturphilo&#x017F;oph noch zu fe&#x017F;t im unent-<lb/>
wickelten Keime, um auf die Dauer u&#x0364;ber die halbkin-<lb/>
di&#x017F;che Lachlu&#x017F;t triumphiren zu ko&#x0364;nnen. Waren es<lb/>
doch die er&#x017F;ten Affen, die er &#x017F;ah! Er begru&#x0364;ßte &#x017F;ie als<lb/>
Bru&#x0364;der und vergaß in ihrem Umgang die verlorene<lb/>
Bo&#x0364;r&#x017F;e. Er ließ &#x017F;ich in Spiele mit ihnen ein, wobei<lb/>
er zuletzt &#x017F;elb&#x017F;t ein Affe wurde, der nachzuahmen ver-<lb/>
&#x017F;uchte, wie &#x017F;ie ihn nachahmten.</p><lb/>
        <p>Der Schwarzbart ging ab und zu. Von der<lb/>
Affengruppe zu den Damen, von den Damen zu An-<lb/>
ton und den Affen. Er war einem außerordentlichen<lb/>
Bot&#x017F;chafter nicht una&#x0364;hnlich; hielt auch mitten im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0268] auffordern und ihm in ihrer Sprache ſagen: entaͤuß’re Dich Deiner Sorgen, amuͤſire Dich, nimm die Sachen leicht; es iſt auf Erden nicht der Muͤhe werth, ſich zu aͤrgern, oder zu graͤmen. Anton mußte nicht ſein, der er war; nicht der geiſtig begabte, von Geburt bevorzugte Menſch, wenn dieſe fratzenhaften Zerrbilder menſchlicher Erſcheinung ihn gleichguͤltig laſſen ſollten. Er empfand ſehr tief jenen ahnungsſchweren Schauder, welcher uns jedes- mal durchdringt, wo es ſich um geheimnißvolle Beziehungen, Aehnlichkeiten, Verwandtſchaften des Menſchlichen mit dem Thieriſchen handelt. Doch ſteckte ſein Naturphiloſoph noch zu feſt im unent- wickelten Keime, um auf die Dauer uͤber die halbkin- diſche Lachluſt triumphiren zu koͤnnen. Waren es doch die erſten Affen, die er ſah! Er begruͤßte ſie als Bruͤder und vergaß in ihrem Umgang die verlorene Boͤrſe. Er ließ ſich in Spiele mit ihnen ein, wobei er zuletzt ſelbſt ein Affe wurde, der nachzuahmen ver- ſuchte, wie ſie ihn nachahmten. Der Schwarzbart ging ab und zu. Von der Affengruppe zu den Damen, von den Damen zu An- ton und den Affen. Er war einem außerordentlichen Botſchafter nicht unaͤhnlich; hielt auch mitten im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/268
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/268>, abgerufen am 17.05.2024.