Nach seiner Börse suchend äußerte er: ich kam wohl, die Wahrheit zu gestehen, nicht hierher, um etwas zu bezahlen; wollte mich vielmehr nur erkun- digen, ob in der Menagerie eine Dame wohnt, welche Lore heißt?
Die Leserin fuhr auf, richtete ihre funkelnden Augen über das Buch hinweg nach Anton und fragte fast beleidiget: Woher Sie weiß mein' Name?
Der da ruft ihn unaufhörlich, war die Antwort. Dabei lüftete er einen Zipfel des bekannten blauen Tuches und gestattete Koko'n eine kleine Aussicht in die Umgebung. Die alten wohlgekannten Draperieen heimelten den von Krähen, Wind und Wetter mit- genommenen Dulder traulich an; er schlug sein lautestes Wonnegelächter auf und ehe Anton die Wir- kung desselben auf beide Damen noch beobachten konnte, hatte die jüngere ihren Liebling schon ergriffen, um ihm an ihrem Busen eine allerdings bessere, wärmere, beneidenswerthere Zufluchtstätte anzuweisen, als Anton ihm irgend darzubieten vermocht.
Er mußte erzählen, wo? wann? wie? er Koko'n gerettet. Und ich vermuthe, es ist ein Glück für sämmtliche Krähen im Lande, daß Koko's Gönnerin nicht eine große, mächtige Monarchin gewesen, wie
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Nach ſeiner Boͤrſe ſuchend aͤußerte er: ich kam wohl, die Wahrheit zu geſtehen, nicht hierher, um etwas zu bezahlen; wollte mich vielmehr nur erkun- digen, ob in der Menagerie eine Dame wohnt, welche Lore heißt?
Die Leſerin fuhr auf, richtete ihre funkelnden Augen uͤber das Buch hinweg nach Anton und fragte faſt beleidiget: Woher Sie weiß mein’ Name?
Der da ruft ihn unaufhoͤrlich, war die Antwort. Dabei luͤftete er einen Zipfel des bekannten blauen Tuches und geſtattete Koko’n eine kleine Ausſicht in die Umgebung. Die alten wohlgekannten Draperieen heimelten den von Kraͤhen, Wind und Wetter mit- genommenen Dulder traulich an; er ſchlug ſein lauteſtes Wonnegelaͤchter auf und ehe Anton die Wir- kung deſſelben auf beide Damen noch beobachten konnte, hatte die juͤngere ihren Liebling ſchon ergriffen, um ihm an ihrem Buſen eine allerdings beſſere, waͤrmere, beneidenswerthere Zufluchtſtaͤtte anzuweiſen, als Anton ihm irgend darzubieten vermocht.
Er mußte erzaͤhlen, wo? wann? wie? er Koko’n gerettet. Und ich vermuthe, es iſt ein Gluͤck fuͤr ſaͤmmtliche Kraͤhen im Lande, daß Koko’s Goͤnnerin nicht eine große, maͤchtige Monarchin geweſen, wie
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Nach ſeiner Boͤrſe ſuchend aͤußerte er: ich kam
wohl, die Wahrheit zu geſtehen, nicht hierher, um
etwas zu bezahlen; wollte mich vielmehr nur erkun-
digen, ob in der Menagerie eine Dame wohnt, welche
Lore heißt?
Die Leſerin fuhr auf, richtete ihre funkelnden
Augen uͤber das Buch hinweg nach Anton und fragte
faſt beleidiget: Woher Sie weiß mein’ Name?
Der da ruft ihn unaufhoͤrlich, war die Antwort.
Dabei luͤftete er einen Zipfel des bekannten blauen
Tuches und geſtattete Koko’n eine kleine Ausſicht in
die Umgebung. Die alten wohlgekannten Draperieen
heimelten den von Kraͤhen, Wind und Wetter mit-
genommenen Dulder traulich an; er ſchlug ſein
lauteſtes Wonnegelaͤchter auf und ehe Anton die Wir-
kung deſſelben auf beide Damen noch beobachten
konnte, hatte die juͤngere ihren Liebling ſchon ergriffen,
um ihm an ihrem Buſen eine allerdings beſſere,
waͤrmere, beneidenswerthere Zufluchtſtaͤtte anzuweiſen,
als Anton ihm irgend darzubieten vermocht.
Er mußte erzaͤhlen, wo? wann? wie? er Koko’n
gerettet. Und ich vermuthe, es iſt ein Gluͤck fuͤr
ſaͤmmtliche Kraͤhen im Lande, daß Koko’s Goͤnnerin
nicht eine große, maͤchtige Monarchin geweſen, wie
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/259>, abgerufen am 23.11.2024.
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