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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Lederhosen, der vor einem zeltartigen, von Wasser
triefendem Vorhange, dicht neben einem kolossalen
Oelgemälde stand.

Der Schwarzbart wies stumm doch bedeutend
über die Schulter auf das Tableau.

Anton schauderte zurück: unter sanften Palmen,
an denen Cocosnüsse in Massen hingen, gleich Stachel-
beeren am Strauch, verspeisete so eben der grimmigste
Tiger mit Seelenruhe einen vielversprechenden jugend-
lichen Neger, dessen Oberleib aus dem weit aufge-
sperrten Rachen noch hervorsah, wie ein schwarzer
Rettig.

Geht's hier so zu? dachte der friedfertige Liebe-
nauer und wollte Kehrt machen; aber unterdeß hatte
Schwarzbart den triefenden Vorhang zurückschlagend,
ihn, den Zögernden in den innern Raum gedrängt.
Mit bunten Tüchern und Kattunen aller Farben und
Muster umhangen zeigte sich hier eine Art Vorhalle,
in deren Mitte, an kleinem Tischchen, worauf die
glänzend-schwarze durch helle Metallbeschläge gezierte
Kassette stand, eine Frau mit etwa fünfzig Jahren,
reich und bequem bekleidet, nicht ohne Würde saß;
in ihrem Schoose ein Affe von der kleinsten Gattung
der Seidenaffen. An der anderen Seite des Tisch-

Die Vagabunden. I. 16

Lederhoſen, der vor einem zeltartigen, von Waſſer
triefendem Vorhange, dicht neben einem koloſſalen
Oelgemaͤlde ſtand.

Der Schwarzbart wies ſtumm doch bedeutend
uͤber die Schulter auf das Tableau.

Anton ſchauderte zuruͤck: unter ſanften Palmen,
an denen Cocosnuͤſſe in Maſſen hingen, gleich Stachel-
beeren am Strauch, verſpeiſete ſo eben der grimmigſte
Tiger mit Seelenruhe einen vielverſprechenden jugend-
lichen Neger, deſſen Oberleib aus dem weit aufge-
ſperrten Rachen noch hervorſah, wie ein ſchwarzer
Rettig.

Geht’s hier ſo zu? dachte der friedfertige Liebe-
nauer und wollte Kehrt machen; aber unterdeß hatte
Schwarzbart den triefenden Vorhang zuruͤckſchlagend,
ihn, den Zoͤgernden in den innern Raum gedraͤngt.
Mit bunten Tuͤchern und Kattunen aller Farben und
Muſter umhangen zeigte ſich hier eine Art Vorhalle,
in deren Mitte, an kleinem Tiſchchen, worauf die
glaͤnzend-ſchwarze durch helle Metallbeſchlaͤge gezierte
Kaſſette ſtand, eine Frau mit etwa fuͤnfzig Jahren,
reich und bequem bekleidet, nicht ohne Wuͤrde ſaß;
in ihrem Schooſe ein Affe von der kleinſten Gattung
der Seidenaffen. An der anderen Seite des Tiſch-

Die Vagabunden. I. 16
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[241/0257] Lederhoſen, der vor einem zeltartigen, von Waſſer triefendem Vorhange, dicht neben einem koloſſalen Oelgemaͤlde ſtand. Der Schwarzbart wies ſtumm doch bedeutend uͤber die Schulter auf das Tableau. Anton ſchauderte zuruͤck: unter ſanften Palmen, an denen Cocosnuͤſſe in Maſſen hingen, gleich Stachel- beeren am Strauch, verſpeiſete ſo eben der grimmigſte Tiger mit Seelenruhe einen vielverſprechenden jugend- lichen Neger, deſſen Oberleib aus dem weit aufge- ſperrten Rachen noch hervorſah, wie ein ſchwarzer Rettig. Geht’s hier ſo zu? dachte der friedfertige Liebe- nauer und wollte Kehrt machen; aber unterdeß hatte Schwarzbart den triefenden Vorhang zuruͤckſchlagend, ihn, den Zoͤgernden in den innern Raum gedraͤngt. Mit bunten Tuͤchern und Kattunen aller Farben und Muſter umhangen zeigte ſich hier eine Art Vorhalle, in deren Mitte, an kleinem Tiſchchen, worauf die glaͤnzend-ſchwarze durch helle Metallbeſchlaͤge gezierte Kaſſette ſtand, eine Frau mit etwa fuͤnfzig Jahren, reich und bequem bekleidet, nicht ohne Wuͤrde ſaß; in ihrem Schooſe ein Affe von der kleinſten Gattung der Seidenaffen. An der anderen Seite des Tiſch- Die Vagabunden. I. 16

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/257>, abgerufen am 23.11.2024.