Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Bärbel bin ich ausgewichen; und Deine todten Augen
hab' ich Dir zugedrückt, hier wo wir beide sitzen.
Warum sperrst Du sie jetzt so weit auf? Willst Du mich
schrecken? Jch fürcht' mich nicht vor Dir; nein, nun
gar nicht mehr! Du kannst mir ja doch nichts an-
haben. Aber begehrst Du noch was, so sag's, dann
wird's geschehn!

Je lauter sich Anton in den frisch gewonnenen
Muth hineinsprach; je fester und zuversichtlicher sein
Auge sich auf den schwarzen Wolfgang richtete, desto
weiter schien dieser von ihm zu rücken, bis sich das
ganze Wesen gar in ein Nichts auflösete und nicht
mehr vorhanden war.

Steht es also mit euch, ihr Schreckbilder der
Finsterniß? rief Anton; wenn man euch ernstlich ent-
gegentritt, dann macht ihr Platz? Das soll mir
wieder eine Lehre bleiben. Vielleicht ist's nicht
anders mit Allem, was mich im neuen Leben bedrohen
will? Nur drauf! Bin ich nicht ein rechter Wasch-
lappen gewesen, mir unnütze Angst einjagen zu lassen?
Hab ich nicht gesunde Glieder und starke Knochen?
Mit denen muß ich mich halt durchschlagen. Wird
schon gehen! Zurück kann ich nicht mehr, also vor-
wärts! Einen Kurator brauch ich nicht; will mein

15*

Baͤrbel bin ich ausgewichen; und Deine todten Augen
hab’ ich Dir zugedruͤckt, hier wo wir beide ſitzen.
Warum ſperrſt Du ſie jetzt ſo weit auf? Willſt Du mich
ſchrecken? Jch fuͤrcht’ mich nicht vor Dir; nein, nun
gar nicht mehr! Du kannſt mir ja doch nichts an-
haben. Aber begehrſt Du noch was, ſo ſag’s, dann
wird’s geſchehn!

Je lauter ſich Anton in den friſch gewonnenen
Muth hineinſprach; je feſter und zuverſichtlicher ſein
Auge ſich auf den ſchwarzen Wolfgang richtete, deſto
weiter ſchien dieſer von ihm zu ruͤcken, bis ſich das
ganze Weſen gar in ein Nichts aufloͤſete und nicht
mehr vorhanden war.

Steht es alſo mit euch, ihr Schreckbilder der
Finſterniß? rief Anton; wenn man euch ernſtlich ent-
gegentritt, dann macht ihr Platz? Das ſoll mir
wieder eine Lehre bleiben. Vielleicht iſt’s nicht
anders mit Allem, was mich im neuen Leben bedrohen
will? Nur drauf! Bin ich nicht ein rechter Waſch-
lappen geweſen, mir unnuͤtze Angſt einjagen zu laſſen?
Hab ich nicht geſunde Glieder und ſtarke Knochen?
Mit denen muß ich mich halt durchſchlagen. Wird
ſchon gehen! Zuruͤck kann ich nicht mehr, alſo vor-
waͤrts! Einen Kurator brauch ich nicht; will mein

15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="227"/>
Ba&#x0364;rbel bin ich ausgewichen; und Deine todten Augen<lb/>
hab&#x2019; ich Dir zugedru&#x0364;ckt, hier wo wir beide &#x017F;itzen.<lb/>
Warum &#x017F;perr&#x017F;t Du &#x017F;ie jetzt &#x017F;o weit auf? Will&#x017F;t Du mich<lb/>
&#x017F;chrecken? Jch fu&#x0364;rcht&#x2019; mich nicht vor Dir; nein, nun<lb/>
gar nicht mehr! Du kann&#x017F;t mir ja doch nichts an-<lb/>
haben. Aber begehr&#x017F;t Du noch was, &#x017F;o &#x017F;ag&#x2019;s, dann<lb/>
wird&#x2019;s ge&#x017F;chehn!</p><lb/>
        <p>Je lauter &#x017F;ich Anton in den fri&#x017F;ch gewonnenen<lb/>
Muth hinein&#x017F;prach; je fe&#x017F;ter und zuver&#x017F;ichtlicher &#x017F;ein<lb/>
Auge &#x017F;ich auf den &#x017F;chwarzen Wolfgang richtete, de&#x017F;to<lb/>
weiter &#x017F;chien die&#x017F;er von ihm zu ru&#x0364;cken, bis &#x017F;ich das<lb/>
ganze We&#x017F;en gar in ein Nichts auflo&#x0364;&#x017F;ete und nicht<lb/>
mehr vorhanden war.</p><lb/>
        <p>Steht es al&#x017F;o mit euch, ihr Schreckbilder der<lb/>
Fin&#x017F;terniß? rief Anton; wenn man euch ern&#x017F;tlich ent-<lb/>
gegentritt, dann macht ihr Platz? Das &#x017F;oll mir<lb/>
wieder eine Lehre bleiben. Vielleicht i&#x017F;t&#x2019;s nicht<lb/>
anders mit Allem, was mich im neuen Leben bedrohen<lb/>
will? Nur drauf! Bin ich nicht ein rechter Wa&#x017F;ch-<lb/>
lappen gewe&#x017F;en, mir unnu&#x0364;tze Ang&#x017F;t einjagen zu la&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
Hab ich nicht ge&#x017F;unde Glieder und &#x017F;tarke Knochen?<lb/>
Mit denen muß ich mich halt durch&#x017F;chlagen. Wird<lb/>
&#x017F;chon gehen! Zuru&#x0364;ck kann ich nicht mehr, al&#x017F;o vor-<lb/>
wa&#x0364;rts! Einen Kurator brauch ich nicht; will mein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0243] Baͤrbel bin ich ausgewichen; und Deine todten Augen hab’ ich Dir zugedruͤckt, hier wo wir beide ſitzen. Warum ſperrſt Du ſie jetzt ſo weit auf? Willſt Du mich ſchrecken? Jch fuͤrcht’ mich nicht vor Dir; nein, nun gar nicht mehr! Du kannſt mir ja doch nichts an- haben. Aber begehrſt Du noch was, ſo ſag’s, dann wird’s geſchehn! Je lauter ſich Anton in den friſch gewonnenen Muth hineinſprach; je feſter und zuverſichtlicher ſein Auge ſich auf den ſchwarzen Wolfgang richtete, deſto weiter ſchien dieſer von ihm zu ruͤcken, bis ſich das ganze Weſen gar in ein Nichts aufloͤſete und nicht mehr vorhanden war. Steht es alſo mit euch, ihr Schreckbilder der Finſterniß? rief Anton; wenn man euch ernſtlich ent- gegentritt, dann macht ihr Platz? Das ſoll mir wieder eine Lehre bleiben. Vielleicht iſt’s nicht anders mit Allem, was mich im neuen Leben bedrohen will? Nur drauf! Bin ich nicht ein rechter Waſch- lappen geweſen, mir unnuͤtze Angſt einjagen zu laſſen? Hab ich nicht geſunde Glieder und ſtarke Knochen? Mit denen muß ich mich halt durchſchlagen. Wird ſchon gehen! Zuruͤck kann ich nicht mehr, alſo vor- waͤrts! Einen Kurator brauch ich nicht; will mein 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/243
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/243>, abgerufen am 06.05.2024.