und kann noch länger halten, als mir lieb ist. Klock fünf geh' ich um den Sarg. Nur bei'm harten Tha- ler muß es bleiben, sonst keinen Schritt nicht." --
Sie sagen immer, nichts auf Erden sei umsonst, außer der Tod? brummte Anton, wie er zur Groß- mutter zurückkehrte; doch das ist auch eine Lüge. Der Tod kostet genug.
"Jawohl," erwiederte Mutter Goksch, "nur mit dem Unterschiede, daß der Todte die Unkosten nicht zu tra- gen hat, sondern seine Hinterbliebenen. Diesmal trifft es uns und an einer Erbschaft werden wir uns nicht entschädigen."
Doch, Großmutter. Mir hat er viel hinterlas- sen, der schwarze Wolfgang. So lang' ich lebe, werd' ich ihn vor Augen haben, als Leiche. Und sobald mich Uebermuth, oder Thorheit verlocken will zu dummen Streichen, werd' ich denken: Was hilft's, junges Blut? Du bist auch einmal solch' ein starres, langes, blasses, lebloses Stück Leichnam! -- Das ist eine tüchtige Lehre! --
Bis gegen fünf Uhr arbeitete Anton unverdrossen. Dann ging er in's kleine Gärtchen, flocht einen Strauß von Rosmarin und Nelken, wendete sich zu des Tisch- lers Wohnung, der Wort gehalten und wartete dort
und kann noch laͤnger halten, als mir lieb iſt. Klock fuͤnf geh’ ich um den Sarg. Nur bei’m harten Tha- ler muß es bleiben, ſonſt keinen Schritt nicht.“ —
Sie ſagen immer, nichts auf Erden ſei umſonſt, außer der Tod? brummte Anton, wie er zur Groß- mutter zuruͤckkehrte; doch das iſt auch eine Luͤge. Der Tod koſtet genug.
„Jawohl,“ erwiederte Mutter Gokſch, „nur mit dem Unterſchiede, daß der Todte die Unkoſten nicht zu tra- gen hat, ſondern ſeine Hinterbliebenen. Diesmal trifft es uns und an einer Erbſchaft werden wir uns nicht entſchaͤdigen.“
Doch, Großmutter. Mir hat er viel hinterlaſ- ſen, der ſchwarze Wolfgang. So lang’ ich lebe, werd’ ich ihn vor Augen haben, als Leiche. Und ſobald mich Uebermuth, oder Thorheit verlocken will zu dummen Streichen, werd’ ich denken: Was hilft’s, junges Blut? Du biſt auch einmal ſolch’ ein ſtarres, langes, blaſſes, lebloſes Stuͤck Leichnam! — Das iſt eine tuͤchtige Lehre! —
Bis gegen fuͤnf Uhr arbeitete Anton unverdroſſen. Dann ging er in’s kleine Gaͤrtchen, flocht einen Strauß von Rosmarin und Nelken, wendete ſich zu des Tiſch- lers Wohnung, der Wort gehalten und wartete dort
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und kann noch laͤnger halten, als mir lieb iſt. Klock
fuͤnf geh’ ich um den Sarg. Nur bei’m harten Tha-
ler muß es bleiben, ſonſt keinen Schritt nicht.“ —
Sie ſagen immer, nichts auf Erden ſei umſonſt,
außer der Tod? brummte Anton, wie er zur Groß-
mutter zuruͤckkehrte; doch das iſt auch eine Luͤge. Der
Tod koſtet genug.
„Jawohl,“ erwiederte Mutter Gokſch, „nur mit dem
Unterſchiede, daß der Todte die Unkoſten nicht zu tra-
gen hat, ſondern ſeine Hinterbliebenen. Diesmal
trifft es uns und an einer Erbſchaft werden wir uns
nicht entſchaͤdigen.“
Doch, Großmutter. Mir hat er viel hinterlaſ-
ſen, der ſchwarze Wolfgang. So lang’ ich lebe, werd’
ich ihn vor Augen haben, als Leiche. Und ſobald mich
Uebermuth, oder Thorheit verlocken will zu dummen
Streichen, werd’ ich denken: Was hilft’s, junges
Blut? Du biſt auch einmal ſolch’ ein ſtarres, langes,
blaſſes, lebloſes Stuͤck Leichnam! — Das iſt eine
tuͤchtige Lehre! —
Bis gegen fuͤnf Uhr arbeitete Anton unverdroſſen.
Dann ging er in’s kleine Gaͤrtchen, flocht einen Strauß
von Rosmarin und Nelken, wendete ſich zu des Tiſch-
lers Wohnung, der Wort gehalten und wartete dort
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/169>, abgerufen am 22.11.2024.
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