belebtem Gespräch, wie Jener gerade nach ihm deutete und Ottilie mit fpöttischem Achselzucken darauf erwiederte. Das gab den Ausschlag. Ohne länger zu zögern, wendete er sich nun der Thüre zu, und erreichte, -- unbemerkt von Allen, wie er glaubte, -- die Weinlaube, über deren Spalier er eiligst in den Garten kletterte. Halb bewußtlos stürzte er sich der ihn Erwartenden entgegen, umfing sie mit zitternden Armen und kam erst wieder zur Besinnung, als Bärbel ihn kräftig von sich stieß. "Nix Bussel! Nix zärtlich! Zu Lieb' ist kein' Zeit; der Tod ist kommen. Wolfgang laßt Dich rufen. Der liegt im Fuchswinkel und stirbt. Weil Du ihm ver- sprochen hast, willst zudrucken seinige Augen, muß ich Dich holen. Jch suche Dich schon ganzes Abend. Hurtig, nimm in die Hand Deine Beine und lauf'. Bärbel geht nit mit in Fuchswinkel; fürcht' ich mich vor Tod!" Kaum war diese Botschaft in kurz aus- gestoßenen, abgebrochenen Sätzen verkündiget, so stieg die braune Bärbel mit der Gewandheit eines Marders über die Weinlaube, um wieder den Weg durch den Schloßhof in's Freie zu gewinnen; denn einen andern Ausgang gab es aus dem mit hoher Mauer umgrenzten, zur Nachtzeit verschlossenen Gar-
belebtem Geſpraͤch, wie Jener gerade nach ihm deutete und Ottilie mit fpoͤttiſchem Achſelzucken darauf erwiederte. Das gab den Ausſchlag. Ohne laͤnger zu zoͤgern, wendete er ſich nun der Thuͤre zu, und erreichte, — unbemerkt von Allen, wie er glaubte, — die Weinlaube, uͤber deren Spalier er eiligſt in den Garten kletterte. Halb bewußtlos ſtuͤrzte er ſich der ihn Erwartenden entgegen, umfing ſie mit zitternden Armen und kam erſt wieder zur Beſinnung, als Baͤrbel ihn kraͤftig von ſich ſtieß. „Nix Buſſel! Nix zaͤrtlich! Zu Lieb’ iſt kein’ Zeit; der Tod iſt kommen. Wolfgang laßt Dich rufen. Der liegt im Fuchswinkel und ſtirbt. Weil Du ihm ver- ſprochen haſt, willſt zudrucken ſeinige Augen, muß ich Dich holen. Jch ſuche Dich ſchon ganzes Abend. Hurtig, nimm in die Hand Deine Beine und lauf’. Baͤrbel geht nit mit in Fuchswinkel; fuͤrcht’ ich mich vor Tod!“ Kaum war dieſe Botſchaft in kurz aus- geſtoßenen, abgebrochenen Saͤtzen verkuͤndiget, ſo ſtieg die braune Baͤrbel mit der Gewandheit eines Marders uͤber die Weinlaube, um wieder den Weg durch den Schloßhof in’s Freie zu gewinnen; denn einen andern Ausgang gab es aus dem mit hoher Mauer umgrenzten, zur Nachtzeit verſchloſſenen Gar-
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belebtem Geſpraͤch, wie Jener gerade nach ihm deutete
und Ottilie mit fpoͤttiſchem Achſelzucken darauf
erwiederte. Das gab den Ausſchlag. Ohne laͤnger
zu zoͤgern, wendete er ſich nun der Thuͤre zu, und
erreichte, — unbemerkt von Allen, wie er glaubte, —
die Weinlaube, uͤber deren Spalier er eiligſt in den
Garten kletterte. Halb bewußtlos ſtuͤrzte er ſich der
ihn Erwartenden entgegen, umfing ſie mit zitternden
Armen und kam erſt wieder zur Beſinnung, als
Baͤrbel ihn kraͤftig von ſich ſtieß. „Nix Buſſel!
Nix zaͤrtlich! Zu Lieb’ iſt kein’ Zeit; der Tod iſt
kommen. Wolfgang laßt Dich rufen. Der liegt
im Fuchswinkel und ſtirbt. Weil Du ihm ver-
ſprochen haſt, willſt zudrucken ſeinige Augen, muß
ich Dich holen. Jch ſuche Dich ſchon ganzes Abend.
Hurtig, nimm in die Hand Deine Beine und lauf’.
Baͤrbel geht nit mit in Fuchswinkel; fuͤrcht’ ich mich
vor Tod!“ Kaum war dieſe Botſchaft in kurz aus-
geſtoßenen, abgebrochenen Saͤtzen verkuͤndiget, ſo
ſtieg die braune Baͤrbel mit der Gewandheit eines
Marders uͤber die Weinlaube, um wieder den Weg
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einen andern Ausgang gab es aus dem mit hoher
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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