Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

die Herrschaft für ihn bestimmt, zu seinem "Edelsitz"
ausersehen war. Je burschikoser Theodor erschien,
desto leichter mußte ihm seine Rolle als unentdeckter
Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit,
welche der Pastorsöhne Einladung darbot, so eifrig,
im Voraus von seines Vaters zustimmendem Lobe
überzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutschirte,
neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von
Herrn van der Helfft's Gabelfrühstück hoch ent-
flammte Zehnzahl bestens den grünen Waldgefilden
zu, welche er bereits als ihm gehörig prüfte und lie-
ferte sämmtliche Burschenschaft, durch rasche Fahrt
ziemlich nüchtern geworden, richtig vor der uns
bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Nasus ent-
setzte sich anfänglich, daß der kolossale Vierspänner
nur junges Tänzergesindel, nicht aber den erwarteten,
fürchtend-gehofften, listig zu zähmenden Gläubiger
mitbringe? Wie jedoch Theodor sich als Sohn des
Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er diesen bereit-
willigst für einen Friedensherold und eilte, Tiele-
tunke, als die jüngste, hübscheste und klügste der
Töchter, durch einige Kniffe, Püffe und Zwicker in
kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung
einzuweihen, wobei er ihr zärtlich in's Ohr grunzte:

die Herrſchaft fuͤr ihn beſtimmt, zu ſeinem „Edelſitz“
auserſehen war. Je burſchikoſer Theodor erſchien,
deſto leichter mußte ihm ſeine Rolle als unentdeckter
Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit,
welche der Paſtorſoͤhne Einladung darbot, ſo eifrig,
im Voraus von ſeines Vaters zuſtimmendem Lobe
uͤberzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutſchirte,
neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von
Herrn van der Helfft’s Gabelfruͤhſtuͤck hoch ent-
flammte Zehnzahl beſtens den gruͤnen Waldgefilden
zu, welche er bereits als ihm gehoͤrig pruͤfte und lie-
ferte ſaͤmmtliche Burſchenſchaft, durch raſche Fahrt
ziemlich nuͤchtern geworden, richtig vor der uns
bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Naſus ent-
ſetzte ſich anfaͤnglich, daß der koloſſale Vierſpaͤnner
nur junges Taͤnzergeſindel, nicht aber den erwarteten,
fuͤrchtend-gehofften, liſtig zu zaͤhmenden Glaͤubiger
mitbringe? Wie jedoch Theodor ſich als Sohn des
Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er dieſen bereit-
willigſt fuͤr einen Friedensherold und eilte, Tiele-
tunke, als die juͤngſte, huͤbſcheſte und kluͤgſte der
Toͤchter, durch einige Kniffe, Puͤffe und Zwicker in
kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung
einzuweihen, wobei er ihr zaͤrtlich in’s Ohr grunzte:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="127"/>
die Herr&#x017F;chaft fu&#x0364;r ihn be&#x017F;timmt, zu &#x017F;einem &#x201E;Edel&#x017F;itz&#x201C;<lb/>
auser&#x017F;ehen war. Je bur&#x017F;chiko&#x017F;er Theodor er&#x017F;chien,<lb/>
de&#x017F;to leichter mußte ihm &#x017F;eine Rolle als unentdeckter<lb/>
Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit,<lb/>
welche der Pa&#x017F;tor&#x017F;o&#x0364;hne Einladung darbot, &#x017F;o eifrig,<lb/>
im Voraus von &#x017F;eines Vaters zu&#x017F;timmendem Lobe<lb/>
u&#x0364;berzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kut&#x017F;chirte,<lb/>
neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von<lb/>
Herrn van der Helfft&#x2019;s Gabelfru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck hoch ent-<lb/>
flammte Zehnzahl be&#x017F;tens den gru&#x0364;nen Waldgefilden<lb/>
zu, welche er bereits als ihm geho&#x0364;rig pru&#x0364;fte und lie-<lb/>
ferte &#x017F;a&#x0364;mmtliche Bur&#x017F;chen&#x017F;chaft, durch ra&#x017F;che Fahrt<lb/>
ziemlich nu&#x0364;chtern geworden, richtig vor der uns<lb/>
bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Na&#x017F;us ent-<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich anfa&#x0364;nglich, daß der kolo&#x017F;&#x017F;ale Vier&#x017F;pa&#x0364;nner<lb/>
nur junges Ta&#x0364;nzerge&#x017F;indel, nicht aber den erwarteten,<lb/>
fu&#x0364;rchtend-gehofften, li&#x017F;tig zu za&#x0364;hmenden Gla&#x0364;ubiger<lb/>
mitbringe? Wie jedoch Theodor &#x017F;ich als Sohn des<lb/>
Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er die&#x017F;en bereit-<lb/>
willig&#x017F;t fu&#x0364;r einen Friedensherold und eilte, Tiele-<lb/>
tunke, als die ju&#x0364;ng&#x017F;te, hu&#x0364;b&#x017F;che&#x017F;te und klu&#x0364;g&#x017F;te der<lb/>
To&#x0364;chter, durch einige Kniffe, Pu&#x0364;ffe und Zwicker in<lb/>
kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung<lb/>
einzuweihen, wobei er ihr za&#x0364;rtlich in&#x2019;s Ohr grunzte:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0143] die Herrſchaft fuͤr ihn beſtimmt, zu ſeinem „Edelſitz“ auserſehen war. Je burſchikoſer Theodor erſchien, deſto leichter mußte ihm ſeine Rolle als unentdeckter Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit, welche der Paſtorſoͤhne Einladung darbot, ſo eifrig, im Voraus von ſeines Vaters zuſtimmendem Lobe uͤberzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutſchirte, neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von Herrn van der Helfft’s Gabelfruͤhſtuͤck hoch ent- flammte Zehnzahl beſtens den gruͤnen Waldgefilden zu, welche er bereits als ihm gehoͤrig pruͤfte und lie- ferte ſaͤmmtliche Burſchenſchaft, durch raſche Fahrt ziemlich nuͤchtern geworden, richtig vor der uns bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Naſus ent- ſetzte ſich anfaͤnglich, daß der koloſſale Vierſpaͤnner nur junges Taͤnzergeſindel, nicht aber den erwarteten, fuͤrchtend-gehofften, liſtig zu zaͤhmenden Glaͤubiger mitbringe? Wie jedoch Theodor ſich als Sohn des Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er dieſen bereit- willigſt fuͤr einen Friedensherold und eilte, Tiele- tunke, als die juͤngſte, huͤbſcheſte und kluͤgſte der Toͤchter, durch einige Kniffe, Puͤffe und Zwicker in kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung einzuweihen, wobei er ihr zaͤrtlich in’s Ohr grunzte:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/143
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/143>, abgerufen am 02.05.2024.