die Herrschaft für ihn bestimmt, zu seinem "Edelsitz" ausersehen war. Je burschikoser Theodor erschien, desto leichter mußte ihm seine Rolle als unentdeckter Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit, welche der Pastorsöhne Einladung darbot, so eifrig, im Voraus von seines Vaters zustimmendem Lobe überzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutschirte, neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von Herrn van der Helfft's Gabelfrühstück hoch ent- flammte Zehnzahl bestens den grünen Waldgefilden zu, welche er bereits als ihm gehörig prüfte und lie- ferte sämmtliche Burschenschaft, durch rasche Fahrt ziemlich nüchtern geworden, richtig vor der uns bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Nasus ent- setzte sich anfänglich, daß der kolossale Vierspänner nur junges Tänzergesindel, nicht aber den erwarteten, fürchtend-gehofften, listig zu zähmenden Gläubiger mitbringe? Wie jedoch Theodor sich als Sohn des Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er diesen bereit- willigst für einen Friedensherold und eilte, Tiele- tunke, als die jüngste, hübscheste und klügste der Töchter, durch einige Kniffe, Püffe und Zwicker in kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung einzuweihen, wobei er ihr zärtlich in's Ohr grunzte:
die Herrſchaft fuͤr ihn beſtimmt, zu ſeinem „Edelſitz“ auserſehen war. Je burſchikoſer Theodor erſchien, deſto leichter mußte ihm ſeine Rolle als unentdeckter Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit, welche der Paſtorſoͤhne Einladung darbot, ſo eifrig, im Voraus von ſeines Vaters zuſtimmendem Lobe uͤberzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutſchirte, neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von Herrn van der Helfft’s Gabelfruͤhſtuͤck hoch ent- flammte Zehnzahl beſtens den gruͤnen Waldgefilden zu, welche er bereits als ihm gehoͤrig pruͤfte und lie- ferte ſaͤmmtliche Burſchenſchaft, durch raſche Fahrt ziemlich nuͤchtern geworden, richtig vor der uns bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Naſus ent- ſetzte ſich anfaͤnglich, daß der koloſſale Vierſpaͤnner nur junges Taͤnzergeſindel, nicht aber den erwarteten, fuͤrchtend-gehofften, liſtig zu zaͤhmenden Glaͤubiger mitbringe? Wie jedoch Theodor ſich als Sohn des Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er dieſen bereit- willigſt fuͤr einen Friedensherold und eilte, Tiele- tunke, als die juͤngſte, huͤbſcheſte und kluͤgſte der Toͤchter, durch einige Kniffe, Puͤffe und Zwicker in kindliche Pflichten der Koketterie und Bezauberung einzuweihen, wobei er ihr zaͤrtlich in’s Ohr grunzte:
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die Herrſchaft fuͤr ihn beſtimmt, zu ſeinem „Edelſitz“
auserſehen war. Je burſchikoſer Theodor erſchien,
deſto leichter mußte ihm ſeine Rolle als unentdeckter
Spion werden und deshalb ergriff er die Gelegenheit,
welche der Paſtorſoͤhne Einladung darbot, ſo eifrig,
im Voraus von ſeines Vaters zuſtimmendem Lobe
uͤberzeugt. Daran fehlte es auch nicht. Er kutſchirte,
neben einem zierlichen Reitknecht thronend, die von
Herrn van der Helfft’s Gabelfruͤhſtuͤck hoch ent-
flammte Zehnzahl beſtens den gruͤnen Waldgefilden
zu, welche er bereits als ihm gehoͤrig pruͤfte und lie-
ferte ſaͤmmtliche Burſchenſchaft, durch raſche Fahrt
ziemlich nuͤchtern geworden, richtig vor der uns
bekannten Wildenweinlaube ab. Onkel Naſus ent-
ſetzte ſich anfaͤnglich, daß der koloſſale Vierſpaͤnner
nur junges Taͤnzergeſindel, nicht aber den erwarteten,
fuͤrchtend-gehofften, liſtig zu zaͤhmenden Glaͤubiger
mitbringe? Wie jedoch Theodor ſich als Sohn des
Gewaltigen zu erkennen gab, nahm er dieſen bereit-
willigſt fuͤr einen Friedensherold und eilte, Tiele-
tunke, als die juͤngſte, huͤbſcheſte und kluͤgſte der
Toͤchter, durch einige Kniffe, Puͤffe und Zwicker in
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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