gebracht, nannte sie Raben-Aeser von Kindern und erklärte auf Ehrenwort: lieber wolle er Zeitlebens seinen "Gesichts-Erker" mit Trauer-Tuch ausgeta- peziert tragen, als sich schinden und abhäuten lassen, wie ein geschossenes Wasserhuhn; und sie möchten sich zum Henker scheeren, wenn sie nicht seine Hetz- peitsche zu schmecken Appetit hätten. Auf Erklärun- gen über Geisterspuck und wie das Pflaster damit zusammenhänge? ließ er sich weiter nicht ein.
Anton malte, während er langsam einen Löffel Suppe nach dem anderen und mit jedem zugleich einige Brocken dieser heiter'n Morgenmähr' schlürfte, ein ziemlich klares Bild in seinem Geiste aus, von den Vorfällen, die allen übrigen Dorfbewohnern wie Zauberkunde klangen. Die rasche Abreise der Samue- lischen Truppe bestätigte ihm auf's neue seinen gestern gefaßten, schier schon wieder verschlafenen Argwohn, daß Genoveva und Golo darauf ausgezogen seien, Onkel Nasus zu schädigen. Er hütete sich aber wohl- weislich, die Großmutter in seine Malereien blicken zu lassen, begnügte sich, mehrfach den Kopf zu schüt- teln und versuchte, alles Ernstes, an die gefährliche Schöne gar nicht mehr zu denken.
Was Onkel Nasus betrifft, so hat erst einige Tage
gebracht, nannte ſie Raben-Aeſer von Kindern und erklaͤrte auf Ehrenwort: lieber wolle er Zeitlebens ſeinen „Geſichts-Erker“ mit Trauer-Tuch ausgeta- peziert tragen, als ſich ſchinden und abhaͤuten laſſen, wie ein geſchoſſenes Waſſerhuhn; und ſie moͤchten ſich zum Henker ſcheeren, wenn ſie nicht ſeine Hetz- peitſche zu ſchmecken Appetit haͤtten. Auf Erklaͤrun- gen uͤber Geiſterſpuck und wie das Pflaſter damit zuſammenhaͤnge? ließ er ſich weiter nicht ein.
Anton malte, waͤhrend er langſam einen Loͤffel Suppe nach dem anderen und mit jedem zugleich einige Brocken dieſer heiter’n Morgenmaͤhr’ ſchluͤrfte, ein ziemlich klares Bild in ſeinem Geiſte aus, von den Vorfaͤllen, die allen uͤbrigen Dorfbewohnern wie Zauberkunde klangen. Die raſche Abreiſe der Samue- liſchen Truppe beſtaͤtigte ihm auf’s neue ſeinen geſtern gefaßten, ſchier ſchon wieder verſchlafenen Argwohn, daß Genoveva und Golo darauf ausgezogen ſeien, Onkel Naſus zu ſchaͤdigen. Er huͤtete ſich aber wohl- weislich, die Großmutter in ſeine Malereien blicken zu laſſen, begnuͤgte ſich, mehrfach den Kopf zu ſchuͤt- teln und verſuchte, alles Ernſtes, an die gefaͤhrliche Schoͤne gar nicht mehr zu denken.
Was Onkel Naſus betrifft, ſo hat erſt einige Tage
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gebracht, nannte ſie Raben-Aeſer von Kindern und
erklaͤrte auf Ehrenwort: lieber wolle er Zeitlebens
ſeinen „Geſichts-Erker“ mit Trauer-Tuch ausgeta-
peziert tragen, als ſich ſchinden und abhaͤuten laſſen,
wie ein geſchoſſenes Waſſerhuhn; und ſie moͤchten
ſich zum Henker ſcheeren, wenn ſie nicht ſeine Hetz-
peitſche zu ſchmecken Appetit haͤtten. Auf Erklaͤrun-
gen uͤber Geiſterſpuck und wie das Pflaſter damit
zuſammenhaͤnge? ließ er ſich weiter nicht ein.
Anton malte, waͤhrend er langſam einen Loͤffel
Suppe nach dem anderen und mit jedem zugleich
einige Brocken dieſer heiter’n Morgenmaͤhr’ ſchluͤrfte,
ein ziemlich klares Bild in ſeinem Geiſte aus, von
den Vorfaͤllen, die allen uͤbrigen Dorfbewohnern wie
Zauberkunde klangen. Die raſche Abreiſe der Samue-
liſchen Truppe beſtaͤtigte ihm auf’s neue ſeinen geſtern
gefaßten, ſchier ſchon wieder verſchlafenen Argwohn,
daß Genoveva und Golo darauf ausgezogen ſeien,
Onkel Naſus zu ſchaͤdigen. Er huͤtete ſich aber wohl-
weislich, die Großmutter in ſeine Malereien blicken
zu laſſen, begnuͤgte ſich, mehrfach den Kopf zu ſchuͤt-
teln und verſuchte, alles Ernſtes, an die gefaͤhrliche
Schoͤne gar nicht mehr zu denken.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/133>, abgerufen am 22.11.2024.
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