Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Genoveva gesehen habe? Daß er Kenntniß hat von
den sündhaften Gefühlen, die in mir wach wurden?
Er muß mich besser kennen, wie ich mich selber. Denn
ich weiß durchaus nicht, was mit mir vorgeht? Jch
weiß doch, daß ich Ottilie noch immer unveränderlich
liebe und wenn ich an sie gedenke, ist mir zwar wehe,
weil sie mich verachten will, aber es ist mir doch auch
wohl dabei; wahrscheinlich weil ich in dieser Liebe
emporwuchs. Gedenk' ich aber an die Schauspielerin,
so wird mir gleich ganz anders, ganz bang' und angst-
voll, es hammert und pocht mir im Herzen, wie
wenn ich zerspringen sollte? Was ist denn das? Lieb'
ich denn auch die Genoveva? Und giebt's denn
zweierlei Arten von Liebe? Und kann man denn zwei
Frauenzimmer auf einmal lieben? Jn den Büchern
lieben sie doch immer nur Eine und die nennen sie
ihre Einzige!

Sie hat mich betrachtet, spricht der Wolfgang;
ich gefalle ihr? Er ist eifersüchtig auf mich; deshalb
ist er mein Feind worden, der sonst mein Freund sein
wollte. Umbringen will er mich, sobald ich ihr nahe
komme!? Also er ist ihr Liebhaber. Darum ist er
unter die Komödianten gegangen? -- Wie glücklich
muß er nicht sein, weil er immer bei ihr ist; weil sie

Genoveva geſehen habe? Daß er Kenntniß hat von
den ſuͤndhaften Gefuͤhlen, die in mir wach wurden?
Er muß mich beſſer kennen, wie ich mich ſelber. Denn
ich weiß durchaus nicht, was mit mir vorgeht? Jch
weiß doch, daß ich Ottilie noch immer unveraͤnderlich
liebe und wenn ich an ſie gedenke, iſt mir zwar wehe,
weil ſie mich verachten will, aber es iſt mir doch auch
wohl dabei; wahrſcheinlich weil ich in dieſer Liebe
emporwuchs. Gedenk’ ich aber an die Schauſpielerin,
ſo wird mir gleich ganz anders, ganz bang’ und angſt-
voll, es hammert und pocht mir im Herzen, wie
wenn ich zerſpringen ſollte? Was iſt denn das? Lieb’
ich denn auch die Genoveva? Und giebt’s denn
zweierlei Arten von Liebe? Und kann man denn zwei
Frauenzimmer auf einmal lieben? Jn den Buͤchern
lieben ſie doch immer nur Eine und die nennen ſie
ihre Einzige!

Sie hat mich betrachtet, ſpricht der Wolfgang;
ich gefalle ihr? Er iſt eiferſuͤchtig auf mich; deshalb
iſt er mein Feind worden, der ſonſt mein Freund ſein
wollte. Umbringen will er mich, ſobald ich ihr nahe
komme!? Alſo er iſt ihr Liebhaber. Darum iſt er
unter die Komoͤdianten gegangen? — Wie gluͤcklich
muß er nicht ſein, weil er immer bei ihr iſt; weil ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="112"/>
Genoveva ge&#x017F;ehen habe? Daß er Kenntniß hat von<lb/>
den &#x017F;u&#x0364;ndhaften Gefu&#x0364;hlen, die in mir wach wurden?<lb/>
Er muß mich be&#x017F;&#x017F;er kennen, wie ich mich &#x017F;elber. Denn<lb/>
ich weiß durchaus nicht, was mit mir vorgeht? Jch<lb/>
weiß doch, daß ich Ottilie noch immer unvera&#x0364;nderlich<lb/>
liebe und wenn ich an &#x017F;ie gedenke, i&#x017F;t mir zwar wehe,<lb/>
weil &#x017F;ie mich verachten will, aber es i&#x017F;t mir doch auch<lb/>
wohl dabei; wahr&#x017F;cheinlich weil ich in die&#x017F;er Liebe<lb/>
emporwuchs. Gedenk&#x2019; ich aber an die Schau&#x017F;pielerin,<lb/>
&#x017F;o wird mir gleich ganz anders, ganz bang&#x2019; und ang&#x017F;t-<lb/>
voll, es hammert und pocht mir im Herzen, wie<lb/>
wenn ich zer&#x017F;pringen &#x017F;ollte? Was i&#x017F;t denn das? Lieb&#x2019;<lb/>
ich denn auch die Genoveva? Und giebt&#x2019;s denn<lb/>
zweierlei Arten von Liebe? Und kann man denn zwei<lb/>
Frauenzimmer auf einmal lieben? Jn den Bu&#x0364;chern<lb/>
lieben &#x017F;ie doch immer nur Eine und die nennen &#x017F;ie<lb/>
ihre Einzige!</p><lb/>
        <p>Sie hat mich betrachtet, &#x017F;pricht der Wolfgang;<lb/>
ich gefalle ihr? Er i&#x017F;t eifer&#x017F;u&#x0364;chtig auf mich; deshalb<lb/>
i&#x017F;t er mein Feind worden, der &#x017F;on&#x017F;t mein Freund &#x017F;ein<lb/>
wollte. Umbringen will er mich, &#x017F;obald ich ihr nahe<lb/>
komme!? Al&#x017F;o er i&#x017F;t ihr Liebhaber. Darum i&#x017F;t er<lb/>
unter die Komo&#x0364;dianten gegangen? &#x2014; Wie glu&#x0364;cklich<lb/>
muß er nicht &#x017F;ein, weil er immer bei ihr i&#x017F;t; weil &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0128] Genoveva geſehen habe? Daß er Kenntniß hat von den ſuͤndhaften Gefuͤhlen, die in mir wach wurden? Er muß mich beſſer kennen, wie ich mich ſelber. Denn ich weiß durchaus nicht, was mit mir vorgeht? Jch weiß doch, daß ich Ottilie noch immer unveraͤnderlich liebe und wenn ich an ſie gedenke, iſt mir zwar wehe, weil ſie mich verachten will, aber es iſt mir doch auch wohl dabei; wahrſcheinlich weil ich in dieſer Liebe emporwuchs. Gedenk’ ich aber an die Schauſpielerin, ſo wird mir gleich ganz anders, ganz bang’ und angſt- voll, es hammert und pocht mir im Herzen, wie wenn ich zerſpringen ſollte? Was iſt denn das? Lieb’ ich denn auch die Genoveva? Und giebt’s denn zweierlei Arten von Liebe? Und kann man denn zwei Frauenzimmer auf einmal lieben? Jn den Buͤchern lieben ſie doch immer nur Eine und die nennen ſie ihre Einzige! Sie hat mich betrachtet, ſpricht der Wolfgang; ich gefalle ihr? Er iſt eiferſuͤchtig auf mich; deshalb iſt er mein Feind worden, der ſonſt mein Freund ſein wollte. Umbringen will er mich, ſobald ich ihr nahe komme!? Alſo er iſt ihr Liebhaber. Darum iſt er unter die Komoͤdianten gegangen? — Wie gluͤcklich muß er nicht ſein, weil er immer bei ihr iſt; weil ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/128
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/128>, abgerufen am 03.05.2024.