dabei zum Vorbilde hätte nehmen können? Wenn Erfahrung nicht lehrte, daß ein Naturtalent häufig keines Vorbildes bedarf. Genoveva's Zofe und Ver- traute wurde durch die Schwägerin; Schmerzensreich durch den kleinen Rosse-lenkenden Neffen gegeben. Vom Darsteller des verrätherischen Golo werden wir späterhin zu sagen haben, wollen jedoch hier nicht unbemerkt lassen, daß die Mitspielenden (wahrschein- lich Freunde der deutschen Karte?) ihn Solo zu nennen beliebten. An Rittern und Knappen lieferten die jüngeren Landstreicher genügenden Vorrath; sie verwandelten sich aus halbnackten Raub-Fischern gar leicht in wackere Kämpen, mit Hülfe einiger buntge- färbten Federn und Pferdeschwänze auf glanzlederne Kappen gesteckt.
Für die Hirschkuh, die nicht fehlen durfte, war man genöthiget gewesen, einen Dilettanten aufzu- suchen, weil die zur Bande gehörige gelb-braune Vorsteh-Hündin, welche bisher mit Glück und Ge- schick dieser wichtigen Rolle vorgestanden, gestern auf der Reise von unbesiegbarer Jagdlust verlockt, einem strengen Revierjäger zum blutigen Opfer gefallen. Die "umsichtige Direktion" hatte in dem an Jahren weit vorgerückten, halberblindeten Dachsschliefer des
dabei zum Vorbilde haͤtte nehmen koͤnnen? Wenn Erfahrung nicht lehrte, daß ein Naturtalent haͤufig keines Vorbildes bedarf. Genoveva’s Zofe und Ver- traute wurde durch die Schwaͤgerin; Schmerzensreich durch den kleinen Roſſe-lenkenden Neffen gegeben. Vom Darſteller des verraͤtheriſchen Golo werden wir ſpaͤterhin zu ſagen haben, wollen jedoch hier nicht unbemerkt laſſen, daß die Mitſpielenden (wahrſchein- lich Freunde der deutſchen Karte?) ihn Solo zu nennen beliebten. An Rittern und Knappen lieferten die juͤngeren Landſtreicher genuͤgenden Vorrath; ſie verwandelten ſich aus halbnackten Raub-Fiſchern gar leicht in wackere Kaͤmpen, mit Huͤlfe einiger buntge- faͤrbten Federn und Pferdeſchwaͤnze auf glanzlederne Kappen geſteckt.
Fuͤr die Hirſchkuh, die nicht fehlen durfte, war man genoͤthiget geweſen, einen Dilettanten aufzu- ſuchen, weil die zur Bande gehoͤrige gelb-braune Vorſteh-Huͤndin, welche bisher mit Gluͤck und Ge- ſchick dieſer wichtigen Rolle vorgeſtanden, geſtern auf der Reiſe von unbeſiegbarer Jagdluſt verlockt, einem ſtrengen Revierjaͤger zum blutigen Opfer gefallen. Die „umſichtige Direktion“ hatte in dem an Jahren weit vorgeruͤckten, halberblindeten Dachsſchliefer des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0120"n="104"/>
dabei zum Vorbilde haͤtte nehmen koͤnnen? Wenn<lb/>
Erfahrung nicht lehrte, daß ein Naturtalent haͤufig<lb/>
keines Vorbildes bedarf. Genoveva’s Zofe und Ver-<lb/>
traute wurde durch die Schwaͤgerin; Schmerzensreich<lb/>
durch den kleinen Roſſe-lenkenden Neffen gegeben.<lb/>
Vom Darſteller des verraͤtheriſchen Golo werden wir<lb/>ſpaͤterhin zu ſagen haben, wollen jedoch hier nicht<lb/>
unbemerkt laſſen, daß die Mitſpielenden (wahrſchein-<lb/>
lich Freunde der deutſchen Karte?) ihn <hirendition="#g">Solo</hi> zu<lb/>
nennen beliebten. An Rittern und Knappen lieferten<lb/>
die juͤngeren Landſtreicher genuͤgenden Vorrath; ſie<lb/>
verwandelten ſich aus halbnackten Raub-Fiſchern gar<lb/>
leicht in wackere Kaͤmpen, mit Huͤlfe einiger buntge-<lb/>
faͤrbten Federn und Pferdeſchwaͤnze auf glanzlederne<lb/>
Kappen geſteckt.</p><lb/><p>Fuͤr die Hirſchkuh, die nicht fehlen durfte, war<lb/>
man genoͤthiget geweſen, einen Dilettanten aufzu-<lb/>ſuchen, weil die zur Bande gehoͤrige gelb-braune<lb/>
Vorſteh-Huͤndin, welche bisher mit Gluͤck und Ge-<lb/>ſchick dieſer wichtigen Rolle vorgeſtanden, geſtern auf<lb/>
der Reiſe von unbeſiegbarer Jagdluſt verlockt, einem<lb/>ſtrengen Revierjaͤger zum blutigen Opfer gefallen.<lb/>
Die „umſichtige Direktion“ hatte in dem an Jahren<lb/>
weit vorgeruͤckten, halberblindeten Dachsſchliefer des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0120]
dabei zum Vorbilde haͤtte nehmen koͤnnen? Wenn
Erfahrung nicht lehrte, daß ein Naturtalent haͤufig
keines Vorbildes bedarf. Genoveva’s Zofe und Ver-
traute wurde durch die Schwaͤgerin; Schmerzensreich
durch den kleinen Roſſe-lenkenden Neffen gegeben.
Vom Darſteller des verraͤtheriſchen Golo werden wir
ſpaͤterhin zu ſagen haben, wollen jedoch hier nicht
unbemerkt laſſen, daß die Mitſpielenden (wahrſchein-
lich Freunde der deutſchen Karte?) ihn Solo zu
nennen beliebten. An Rittern und Knappen lieferten
die juͤngeren Landſtreicher genuͤgenden Vorrath; ſie
verwandelten ſich aus halbnackten Raub-Fiſchern gar
leicht in wackere Kaͤmpen, mit Huͤlfe einiger buntge-
faͤrbten Federn und Pferdeſchwaͤnze auf glanzlederne
Kappen geſteckt.
Fuͤr die Hirſchkuh, die nicht fehlen durfte, war
man genoͤthiget geweſen, einen Dilettanten aufzu-
ſuchen, weil die zur Bande gehoͤrige gelb-braune
Vorſteh-Huͤndin, welche bisher mit Gluͤck und Ge-
ſchick dieſer wichtigen Rolle vorgeſtanden, geſtern auf
der Reiſe von unbeſiegbarer Jagdluſt verlockt, einem
ſtrengen Revierjaͤger zum blutigen Opfer gefallen.
Die „umſichtige Direktion“ hatte in dem an Jahren
weit vorgeruͤckten, halberblindeten Dachsſchliefer des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/120>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.