Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

liche und noch dazu die einzige "dreischürige"*), das
Heujuwel des ganzen Besitzthumes sein mußte.
Bärbel konnte das freilich nicht wissen. Doch nehm'
ich keinen Anstand, zu bekennen, sie würde, wofern sie
es gewußt, auch nicht viel danach gefragt haben.
Denn als die Wirthin in der hinteren Hausthür stehend
ängstlich ausrief: Unglücksmädel, was thust Du?
und da kommen der gnädige Herr von Liebenau eigen-
händig angeritten! -- Als Onkel Nasus auf seinem
steifen Schecken, wenn auch nicht "eigenhändig", doch
wirklich persönlich und lebendig und zwar im wildesten
Trabe, dessen Scheck und er noch mächtig waren, her-
beieilte, die furchtbarsten Flüche schon aus der Ferne
vor sich her sendend! -- Da trat Bärbel, als hätte
sie bei sich erwogen: "ein Baron ist ja eben auch nur
ein Mann!" dem Rasenden lächelnd entgegen, wel-
chem von diesem Anblick geblendet, das Wort auf den
Lippen erstarb.

Euer Gnaden, sprach sie, mit einem ausländisch
tönenden Accent, ich wollt' Euer Gnaden bitten, um

*) Eine Wiese, auf der in einem Sommer zweimal Heu
und einmal "Grumet" gedeiht, die also dreimal geschoren
wird.

liche und noch dazu die einzige „dreiſchuͤrige“*), das
Heujuwel des ganzen Beſitzthumes ſein mußte.
Baͤrbel konnte das freilich nicht wiſſen. Doch nehm’
ich keinen Anſtand, zu bekennen, ſie wuͤrde, wofern ſie
es gewußt, auch nicht viel danach gefragt haben.
Denn als die Wirthin in der hinteren Hausthuͤr ſtehend
aͤngſtlich ausrief: Ungluͤcksmaͤdel, was thuſt Du?
und da kommen der gnaͤdige Herr von Liebenau eigen-
haͤndig angeritten! — Als Onkel Naſus auf ſeinem
ſteifen Schecken, wenn auch nicht „eigenhaͤndig“, doch
wirklich perſoͤnlich und lebendig und zwar im wildeſten
Trabe, deſſen Scheck und er noch maͤchtig waren, her-
beieilte, die furchtbarſten Fluͤche ſchon aus der Ferne
vor ſich her ſendend! — Da trat Baͤrbel, als haͤtte
ſie bei ſich erwogen: „ein Baron iſt ja eben auch nur
ein Mann!“ dem Raſenden laͤchelnd entgegen, wel-
chem von dieſem Anblick geblendet, das Wort auf den
Lippen erſtarb.

Euer Gnaden, ſprach ſie, mit einem auslaͤndiſch
toͤnenden Accent, ich wollt’ Euer Gnaden bitten, um

*) Eine Wieſe, auf der in einem Sommer zweimal Heu
und einmal „Grumet“ gedeiht, die alſo dreimal geſchoren
wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="96"/>
liche und noch dazu die einzige &#x201E;drei&#x017F;chu&#x0364;rige&#x201C;<note place="foot" n="*)">Eine Wie&#x017F;e, auf der in einem Sommer zweimal Heu<lb/>
und einmal &#x201E;Grumet&#x201C; gedeiht, die al&#x017F;o dreimal ge&#x017F;choren<lb/>
wird.</note>, das<lb/>
Heujuwel des ganzen Be&#x017F;itzthumes &#x017F;ein mußte.<lb/>
Ba&#x0364;rbel konnte das freilich nicht wi&#x017F;&#x017F;en. Doch nehm&#x2019;<lb/>
ich keinen An&#x017F;tand, zu bekennen, &#x017F;ie wu&#x0364;rde, wofern &#x017F;ie<lb/>
es gewußt, auch nicht viel danach gefragt haben.<lb/>
Denn als die Wirthin in der hinteren Hausthu&#x0364;r &#x017F;tehend<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tlich ausrief: Unglu&#x0364;cksma&#x0364;del, was thu&#x017F;t Du?<lb/>
und da kommen der gna&#x0364;dige Herr von Liebenau eigen-<lb/>
ha&#x0364;ndig angeritten! &#x2014; Als Onkel Na&#x017F;us auf &#x017F;einem<lb/>
&#x017F;teifen Schecken, wenn auch nicht &#x201E;eigenha&#x0364;ndig&#x201C;, doch<lb/>
wirklich per&#x017F;o&#x0364;nlich und lebendig und zwar im wilde&#x017F;ten<lb/>
Trabe, de&#x017F;&#x017F;en Scheck und er noch ma&#x0364;chtig waren, her-<lb/>
beieilte, die furchtbar&#x017F;ten Flu&#x0364;che &#x017F;chon aus der Ferne<lb/>
vor &#x017F;ich her &#x017F;endend! &#x2014; Da trat Ba&#x0364;rbel, als ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;ie bei &#x017F;ich erwogen: &#x201E;ein Baron i&#x017F;t ja eben auch nur<lb/>
ein Mann!&#x201C; dem Ra&#x017F;enden la&#x0364;chelnd entgegen, wel-<lb/>
chem von die&#x017F;em Anblick geblendet, das Wort auf den<lb/>
Lippen er&#x017F;tarb.</p><lb/>
        <p>Euer Gnaden, &#x017F;prach &#x017F;ie, mit einem ausla&#x0364;ndi&#x017F;ch<lb/>
to&#x0364;nenden Accent, ich wollt&#x2019; Euer Gnaden bitten, um<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0112] liche und noch dazu die einzige „dreiſchuͤrige“ *), das Heujuwel des ganzen Beſitzthumes ſein mußte. Baͤrbel konnte das freilich nicht wiſſen. Doch nehm’ ich keinen Anſtand, zu bekennen, ſie wuͤrde, wofern ſie es gewußt, auch nicht viel danach gefragt haben. Denn als die Wirthin in der hinteren Hausthuͤr ſtehend aͤngſtlich ausrief: Ungluͤcksmaͤdel, was thuſt Du? und da kommen der gnaͤdige Herr von Liebenau eigen- haͤndig angeritten! — Als Onkel Naſus auf ſeinem ſteifen Schecken, wenn auch nicht „eigenhaͤndig“, doch wirklich perſoͤnlich und lebendig und zwar im wildeſten Trabe, deſſen Scheck und er noch maͤchtig waren, her- beieilte, die furchtbarſten Fluͤche ſchon aus der Ferne vor ſich her ſendend! — Da trat Baͤrbel, als haͤtte ſie bei ſich erwogen: „ein Baron iſt ja eben auch nur ein Mann!“ dem Raſenden laͤchelnd entgegen, wel- chem von dieſem Anblick geblendet, das Wort auf den Lippen erſtarb. Euer Gnaden, ſprach ſie, mit einem auslaͤndiſch toͤnenden Accent, ich wollt’ Euer Gnaden bitten, um *) Eine Wieſe, auf der in einem Sommer zweimal Heu und einmal „Grumet“ gedeiht, die alſo dreimal geſchoren wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/112
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/112>, abgerufen am 22.11.2024.