gethan, durch den vielbesprochenen Luftkuß, -- der Engel verliert die Fittige, das Menschliche tritt heraus, der junge Mann beginnt sich zu fühlen, Leidenschaft siegt über die Andacht, irdische Hoffnungen quellen blühend hervor, die sich an jenes unerwartete Ereig- niß knüpfen, wie das Erblühen voreiliger Blumen an einem warmen Apriltag; ... doch nun ist's auch schon aus. Alles ist vorbei. Vergeblich harrt der kühn Gewordene auf die nothwendigen Folgen des ersten Schrittes? -- Sie unterbleiben. Der erste Schritt war der letzte und hat nur dazu gedient, ihm seine Ruhe zu rauben, indem er kecke Wünsche aufer- weckte, die unerfüllt welken.
Dies alles geschah unserem Anton. Ottilie, wenn sie ihm zufällig und selten begegnete, war stolzer, fremder, zurückstoßender als jemals vor jenem Abende, welchen der luftige Traum eines Kusses durchweht hatte. Versuchte er, ihr näher zu treten, um ein Zwiegespräch zu beginnen, so kehrte sie ihm den Rücken und ließ ihn stehen, während Linz und Miez gleich- gültig-freundlich mit ihm redend, nach seiner Arbeit, nach seiner Großmutter fragten, wie sie es stets gethan, und ihm Grüße von Puschel und Rubs bestellten, um anzudeuten, daß die langen Jünglinge ihnen bisweilen
gethan, durch den vielbeſprochenen Luftkuß, — der Engel verliert die Fittige, das Menſchliche tritt heraus, der junge Mann beginnt ſich zu fuͤhlen, Leidenſchaft ſiegt uͤber die Andacht, irdiſche Hoffnungen quellen bluͤhend hervor, die ſich an jenes unerwartete Ereig- niß knuͤpfen, wie das Erbluͤhen voreiliger Blumen an einem warmen Apriltag; ... doch nun iſt’s auch ſchon aus. Alles iſt vorbei. Vergeblich harrt der kuͤhn Gewordene auf die nothwendigen Folgen des erſten Schrittes? — Sie unterbleiben. Der erſte Schritt war der letzte und hat nur dazu gedient, ihm ſeine Ruhe zu rauben, indem er kecke Wuͤnſche aufer- weckte, die unerfuͤllt welken.
Dies alles geſchah unſerem Anton. Ottilie, wenn ſie ihm zufaͤllig und ſelten begegnete, war ſtolzer, fremder, zuruͤckſtoßender als jemals vor jenem Abende, welchen der luftige Traum eines Kuſſes durchweht hatte. Verſuchte er, ihr naͤher zu treten, um ein Zwiegeſpraͤch zu beginnen, ſo kehrte ſie ihm den Ruͤcken und ließ ihn ſtehen, waͤhrend Linz und Miez gleich- guͤltig-freundlich mit ihm redend, nach ſeiner Arbeit, nach ſeiner Großmutter fragten, wie ſie es ſtets gethan, und ihm Gruͤße von Puſchel und Rubs beſtellten, um anzudeuten, daß die langen Juͤnglinge ihnen bisweilen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0106"n="90"/>
gethan, durch den vielbeſprochenen Luftkuß, — der<lb/>
Engel verliert die Fittige, das Menſchliche tritt heraus,<lb/>
der junge Mann beginnt ſich zu fuͤhlen, Leidenſchaft<lb/>ſiegt uͤber die Andacht, irdiſche Hoffnungen quellen<lb/>
bluͤhend hervor, die ſich an jenes unerwartete Ereig-<lb/>
niß knuͤpfen, wie das Erbluͤhen voreiliger Blumen<lb/>
an einem warmen Apriltag; ... doch nun iſt’s auch<lb/>ſchon aus. Alles iſt vorbei. Vergeblich harrt der<lb/>
kuͤhn Gewordene auf die nothwendigen Folgen des<lb/>
erſten Schrittes? — Sie unterbleiben. Der erſte<lb/>
Schritt war der letzte und hat nur dazu gedient, ihm<lb/>ſeine Ruhe zu rauben, indem er kecke Wuͤnſche aufer-<lb/>
weckte, die unerfuͤllt welken.</p><lb/><p>Dies alles geſchah unſerem Anton. Ottilie, wenn<lb/>ſie ihm zufaͤllig und ſelten begegnete, war ſtolzer,<lb/>
fremder, zuruͤckſtoßender als jemals vor jenem Abende,<lb/>
welchen der luftige Traum eines Kuſſes durchweht<lb/>
hatte. Verſuchte er, ihr naͤher zu treten, um ein<lb/>
Zwiegeſpraͤch zu beginnen, ſo kehrte ſie ihm den Ruͤcken<lb/>
und ließ ihn ſtehen, waͤhrend Linz und Miez gleich-<lb/>
guͤltig-freundlich mit ihm redend, nach ſeiner Arbeit,<lb/>
nach ſeiner Großmutter fragten, wie ſie es ſtets gethan,<lb/>
und ihm Gruͤße von Puſchel und Rubs beſtellten, um<lb/>
anzudeuten, daß die langen Juͤnglinge ihnen bisweilen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[90/0106]
gethan, durch den vielbeſprochenen Luftkuß, — der
Engel verliert die Fittige, das Menſchliche tritt heraus,
der junge Mann beginnt ſich zu fuͤhlen, Leidenſchaft
ſiegt uͤber die Andacht, irdiſche Hoffnungen quellen
bluͤhend hervor, die ſich an jenes unerwartete Ereig-
niß knuͤpfen, wie das Erbluͤhen voreiliger Blumen
an einem warmen Apriltag; ... doch nun iſt’s auch
ſchon aus. Alles iſt vorbei. Vergeblich harrt der
kuͤhn Gewordene auf die nothwendigen Folgen des
erſten Schrittes? — Sie unterbleiben. Der erſte
Schritt war der letzte und hat nur dazu gedient, ihm
ſeine Ruhe zu rauben, indem er kecke Wuͤnſche aufer-
weckte, die unerfuͤllt welken.
Dies alles geſchah unſerem Anton. Ottilie, wenn
ſie ihm zufaͤllig und ſelten begegnete, war ſtolzer,
fremder, zuruͤckſtoßender als jemals vor jenem Abende,
welchen der luftige Traum eines Kuſſes durchweht
hatte. Verſuchte er, ihr naͤher zu treten, um ein
Zwiegeſpraͤch zu beginnen, ſo kehrte ſie ihm den Ruͤcken
und ließ ihn ſtehen, waͤhrend Linz und Miez gleich-
guͤltig-freundlich mit ihm redend, nach ſeiner Arbeit,
nach ſeiner Großmutter fragten, wie ſie es ſtets gethan,
und ihm Gruͤße von Puſchel und Rubs beſtellten, um
anzudeuten, daß die langen Juͤnglinge ihnen bisweilen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/106>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.