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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.

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Anderes Buch/ Haus-Vatter.
Cap. LXXIX.
Was Gestalt einem jeden sein Lebens-Termin von GOTT
gesetzt sey.
[Spaltenumbruch]

UNser Leben vergleicht sich einem Schiff/ der
Port ist das Ziel/ das uns GOTT hat aufge-
setzt: wer nun sein Schiff wol versiehet/ recht
beladet/ gebührlich regieret/ der kommt mit guter Ver-
gnügung/ und zu bestimmter Zeit dahin; wann wir
aber entweder selbst unser Schiff zu schwer belasten/ we-
der gute Schiffleute noch Zeuge haben/ können wir
(sonderlich wann die Gemüths-Bewegungen als heff-
tige Winds-Prauß und Ungewitter darzu kommen)
gar leicht unser Schiff stürtzen/ oder an einen Felsen
zersplittern/ und also/ eh wir ans Uffer gelangen/ er-
sauffen. Daß aber GOtt einem jeden sein gewisses
Ziel/ das er nicht überschreiten kan/ gesetzt hat/ bezeugt
der heilige Hiob cap. 14. Definiti sunt dies Hominis
& numerus mensium ejus penes Te est, Terminos
ejus statuisti, quos non praeteribit.
Und ist kein Ver-
nünfftiger/ der diese durch die H. Schrifft und gesunde
Vernunfft bestättigte Meinung laugnen oder wiederspre-
chen sollte. Nur dieses wollen etliche in Zweiffel ziehen/
ob ein Mensch ihm selbst sein Leben verkürtzen könne?
ob alle Tod-Fälle der Menschen/ sie leben mässig oder
nicht/ sie geben sich in Gefahr oder nicht/ allzeit von
GOtt also vorgesehen sind/ daß ein jeder necessario
nach GOttes Willen also hätte sterben müssen? und da
muß man einen Unterscheid machen inter voluntatem
Dei definientis & permittentis;
unter GOttes Wil-
len/ der es geheissen/ oder der es zugelassen. Diß letzte
weiß man wol/ daß nichts auf Erden geschehen kan/
Gott verhenge es dann/ und laß es aus seinem heimlich-ver-
borgenen doch allein weisen und allzeit guten Willen also
geschehen; Sine Tuo Numine nihil est in Homine, in
Ipso sumus, vivimus & movemur:
Also daß man in
diesem Verstand wol zugeben kan/ daß dergleichen
selb-stverursachte und aus unordentlichem Leben herrüh-
rende Todes-Fälle ohne GOttes Verhängnis nicht
haben fürfallen können; diß aber probirt noch nicht/ daß
es darum auch GOttes Will eigentlich gewest sey.
Allerdings wie das gemeine Sprichwort lautet: Die
Heurathen sind beschaffen/ nicht also zu verstehen/ als
solten alle und jede so wol Kuppelte als durch böse Stücke
practicirte Heurathen mit GOttes Willen vorbey ge-
hen; dann ob es wol wahr von allen frommen Tugend-
Liebenden Hertzen/ wann sie GOTT mit dem betenden
Jsaac und jungen Tobia hertzlich darum anruffen/ und
die gebührenden Christlichen erbaren Mittel darzu ge-
[Spaltenumbruch] brauchen/ daß Gott Seinen gnädigen Willen und Schi-
ckung darzu fügt/ und also ihre Heurath von Gott be-
schaffen worden/ so werden doch die muthwilligen
bösen liederlichen Heurathen zwar von Gott/ zu der
Parteyen selbst-eigner Straff nur verhänget/ aber nicht
beschaffen; und kan des Menschen freyer Wille/ so wol
Gutes als Böses erwehlen/ weil ihm beedes vorgelegt/
er zu einem ernstlich ermahnet/ vor dem andern aber treu-
lich gewarnet wird. Also hat Gott freylich wol einem
jeden Menschen seinen Lebens-Termin gesetzt/ und wann
er der Natur/ tanquam optimo Duci (wie sie Cicero
nennet) folgen wird/ mag er solchen wol und glücklich
erreichen. GOtt hat aber auch das übrige Fressen und
Sauffen hart verbotten/ und will/ daß wir sollen züchtig/
gerecht und mässig leben/ nüchtern und wachsam seyn/
daher wann ein Mensch dieses in den Wind schlägt/
muthwillig mit Füllerey sein Hertz/ Magen und
Haupt beschweret/ die natürliche Cohaerenz und Uber-
einstimmung der Glieder zerrüttet; sollte dann Gott die
Schuld haben (wann er also/ bey so beschaffenem un-
ordentlichem Leben/ ehe sterben müste) daß er ihm kem
weiters Lebens-Ziehl gesetzt hätte. GOtt lässet der Na-
tur/ tanquam causae secundae ihren Lauff/ und gibt dem
Menschen seinen freyen Willen/ darnach zu leben oder
nicht; die Natur hat jeglichem Leibe so viel Feuchten und
natürliche Wärme eingepflantzet/ als zu dem von GOtt
vorbestimmten Ziel genugsam ist/ und ist gleich/ als
wann eine Haus-Mutter ihrem Mayr oder Haus-Vogt
auf ein gantzes Monath/ Kertzen zum Brennen genug
gebe/ er wollte aber 10. 12. oder mehr Kertzen täglich
aufftecken/ da ihn doch eine genugsam wäre/ so würde
er ja das Ziel nicht erreichen/ so ihm vorbestimmt wor-
den/ aber nur aus eigner Schulde; gehet er recht mit
der Kertzen um/ so kan er den Termin/ der ihm gege-
ben worden/ wol erreichen/ doch aber auch nicht länger
ausdauren; dennoch je gespäriger er umgehet/ je länger
währen sie: Also ist gewiß/ daß ein Mensch sein Leben
nicht weiter erstrecken kan/ als ihm GOtt durch die Na-
tur und deren Eigenschafft und Kräfften vorgesetzt und
verordnet hat/ es geschehe dann/ durch des gnädigen
GOttes Wunder-Hand/ wie an dem frommen König
Hiskia: Aber verkürtzen kan der Mensch sein Leben gar
leicht/ wann er der Unmässigkeit und Trunckenheit/ oder
andern Lastern ergeben ist.

Cap. LXXX.
Vom Alter/ und Ursachen des Todes.
[Spaltenumbruch]

WJr sehen an vielen Beyspielen der Natur die
Ursachen so wol des Alters als des Todes; so
bald ein Baum so hoch gewachsen ist/ daß er
Frucht bringet/ und sich allenthalben mit Aesten und
Blättern ausbreitet/ so bleibt er zwar lang in diesem
Stande/ wann nicht äusserliche gewaltsame Zufälle
dieses verhindern; er bleibe aber in seiner Vegetation
so lang er wolle/ so kommt er doch endlich ins Abneh-
[Spaltenumbruch] men/ daß er Wipfeldürr/ oder sonst von Wurm/
Brand und andern Ungeziefer verwüstet und angespren-
get wird/ biß er endlich gar verdorret: Also der Mensch
hat sein Wachsthum/ Zunehmen/ Stillstand/ Abneh-
men/ und endlich den Tod. Und wie mancher Baum/
der das Ansehen hat/ als sey er frisch und grünend/ in
einer Stund von den Wetterleuchten (die Lateiner
nennen es Siderationem) kan verderbt/ und von oben

an/ biß
Y iij
Anderes Buch/ Haus-Vatter.
Cap. LXXIX.
Was Geſtalt einem jeden ſein Lebens-Termin von GOTT
geſetzt ſey.
[Spaltenumbruch]

UNſer Leben vergleicht ſich einem Schiff/ der
Port iſt das Ziel/ das uns GOTT hat aufge-
ſetzt: wer nun ſein Schiff wol verſiehet/ recht
beladet/ gebuͤhrlich regieret/ der kommt mit guter Ver-
gnuͤgung/ und zu beſtimmter Zeit dahin; wann wir
aber entweder ſelbſt unſer Schiff zu ſchwer belaſten/ we-
der gute Schiffleute noch Zeuge haben/ koͤnnen wir
(ſonderlich wann die Gemuͤths-Bewegungen als heff-
tige Winds-Prauß und Ungewitter darzu kommen)
gar leicht unſer Schiff ſtuͤrtzen/ oder an einen Felſen
zerſplittern/ und alſo/ eh wir ans Uffer gelangen/ er-
ſauffen. Daß aber GOtt einem jeden ſein gewiſſes
Ziel/ das er nicht uͤberſchreiten kan/ geſetzt hat/ bezeugt
der heilige Hiob cap. 14. Definiti ſunt dies Hominis
& numerus menſium ejus penes Te eſt, Terminos
ejus ſtatuiſti, quos non præteribit.
Und iſt kein Ver-
nuͤnfftiger/ der dieſe durch die H. Schrifft und geſunde
Vernunfft beſtaͤttigte Meinung laugnen oder wiederſpre-
chen ſollte. Nur dieſes wollen etliche in Zweiffel ziehen/
ob ein Menſch ihm ſelbſt ſein Leben verkuͤrtzen koͤnne?
ob alle Tod-Faͤlle der Menſchen/ ſie leben maͤſſig oder
nicht/ ſie geben ſich in Gefahr oder nicht/ allzeit von
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nach GOttes Willen alſo haͤtte ſterben muͤſſen? und da
muß man einen Unterſcheid machen inter voluntatem
Dei definientis & permittentis;
unter GOttes Wil-
len/ der es geheiſſen/ oder der es zugelaſſen. Diß letzte
weiß man wol/ daß nichts auf Erden geſchehen kan/
Gott verhenge es dañ/ uñ laß es aus ſeinem heimlich-ver-
borgenen doch allein weiſen und allzeit guten Willen alſo
geſchehen; Sine Tuo Numine nihil eſt in Homine, in
Ipſo ſumus, vivimus & movemur:
Alſo daß man in
dieſem Verſtand wol zugeben kan/ daß dergleichen
ſelb-ſtverurſachte und aus unordentlichem Leben herruͤh-
rende Todes-Faͤlle ohne GOttes Verhaͤngnis nicht
haben fuͤrfallen koͤnnen; diß aber probirt noch nicht/ daß
es darum auch GOttes Will eigentlich geweſt ſey.
Allerdings wie das gemeine Sprichwort lautet: Die
Heurathen ſind beſchaffen/ nicht alſo zu verſtehen/ als
ſolten alle und jede ſo wol Kuppelte als durch boͤſe Stuͤcke
practicirte Heurathen mit GOttes Willen vorbey ge-
hen; dann ob es wol wahr von allen frommen Tugend-
Liebenden Hertzen/ wann ſie GOTT mit dem betenden
Jſaac und jungen Tobia hertzlich darum anruffen/ und
die gebuͤhrenden Chriſtlichen erbaren Mittel darzu ge-
[Spaltenumbruch] brauchen/ daß Gott Seinen gnaͤdigen Willen und Schi-
ckung darzu fuͤgt/ und alſo ihre Heurath von Gott be-
ſchaffen worden/ ſo werden doch die muthwilligen
boͤſen liederlichen Heurathen zwar von Gott/ zu der
Parteyen ſelbſt-eigner Straff nur verhaͤnget/ aber nicht
beſchaffen; und kan des Menſchen freyer Wille/ ſo wol
Gutes als Boͤſes erwehlen/ weil ihm beedes vorgelegt/
er zu einem ernſtlich ermahnet/ vor dem andeꝛn aber tꝛeu-
lich gewarnet wird. Alſo hat Gott freylich wol einem
jeden Menſchen ſeinen Lebens-Termin geſetzt/ und wann
er der Natur/ tanquàm optimo Duci (wie ſie Cicero
nennet) folgen wird/ mag er ſolchen wol und gluͤcklich
erreichen. GOtt hat aber auch das uͤbrige Freſſen und
Sauffen hart verbotten/ und will/ daß wir ſollen zuͤchtig/
gerecht und maͤſſig leben/ nuͤchtern und wachſam ſeyn/
daher wann ein Menſch dieſes in den Wind ſchlaͤgt/
muthwillig mit Fuͤllerey ſein Hertz/ Magen und
Haupt beſchweret/ die natuͤrliche Cohærenz und Uber-
einſtimmung der Glieder zerruͤttet; ſollte dann Gott die
Schuld haben (wann er alſo/ bey ſo beſchaffenem un-
ordentlichem Leben/ ehe ſterben muͤſte) daß er ihm kem
weiters Lebens-Ziehl geſetzt haͤtte. GOtt laͤſſet der Na-
tur/ tanquam cauſæ ſecundæ ihren Lauff/ und gibt dem
Menſchen ſeinen freyen Willen/ darnach zu leben oder
nicht; die Natur hat jeglichem Leibe ſo viel Feuchten und
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vorbeſtimmten Ziel genugſam iſt/ und iſt gleich/ als
wann eine Haus-Mutter ihrem Mayr oder Haus-Vogt
auf ein gantzes Monath/ Kertzen zum Brennen genug
gebe/ er wollte aber 10. 12. oder mehr Kertzen taͤglich
aufftecken/ da ihn doch eine genugſam waͤre/ ſo wuͤrde
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ben worden/ wol erreichen/ doch aber auch nicht laͤnger
ausdauren; dennoch je geſpaͤriger er umgehet/ je laͤnger
waͤhren ſie: Alſo iſt gewiß/ daß ein Menſch ſein Leben
nicht weiter erſtrecken kan/ als ihm GOtt durch die Na-
tur und deren Eigenſchafft und Kraͤfften vorgeſetzt und
verordnet hat/ es geſchehe dann/ durch des gnaͤdigen
GOttes Wunder-Hand/ wie an dem frommen Koͤnig
Hiskia: Aber verkuͤrtzen kan der Menſch ſein Leben gar
leicht/ wann er der Unmaͤſſigkeit und Trunckenheit/ oder
andern Laſtern ergeben iſt.

Cap. LXXX.
Vom Alter/ und Urſachen des Todes.
[Spaltenumbruch]

WJr ſehen an vielen Beyſpielen der Natur die
Urſachen ſo wol des Alters als des Todes; ſo
bald ein Baum ſo hoch gewachſen iſt/ daß er
Frucht bringet/ und ſich allenthalben mit Aeſten und
Blaͤttern ausbreitet/ ſo bleibt er zwar lang in dieſem
Stande/ wann nicht aͤuſſerliche gewaltſame Zufaͤlle
dieſes verhindern; er bleibe aber in ſeiner Vegetation
ſo lang er wolle/ ſo kommt er doch endlich ins Abneh-
[Spaltenumbruch] men/ daß er Wipfelduͤrr/ oder ſonſt von Wurm/
Brand und andern Ungeziefer verwuͤſtet und angeſpren-
get wird/ biß er endlich gar verdorret: Alſo der Menſch
hat ſein Wachsthum/ Zunehmen/ Stillſtand/ Abneh-
men/ und endlich den Tod. Und wie mancher Baum/
der das Anſehen hat/ als ſey er friſch und gruͤnend/ in
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[173/0191] Anderes Buch/ Haus-Vatter. Cap. LXXIX. Was Geſtalt einem jeden ſein Lebens-Termin von GOTT geſetzt ſey. UNſer Leben vergleicht ſich einem Schiff/ der Port iſt das Ziel/ das uns GOTT hat aufge- ſetzt: wer nun ſein Schiff wol verſiehet/ recht beladet/ gebuͤhrlich regieret/ der kommt mit guter Ver- gnuͤgung/ und zu beſtimmter Zeit dahin; wann wir aber entweder ſelbſt unſer Schiff zu ſchwer belaſten/ we- der gute Schiffleute noch Zeuge haben/ koͤnnen wir (ſonderlich wann die Gemuͤths-Bewegungen als heff- tige Winds-Prauß und Ungewitter darzu kommen) gar leicht unſer Schiff ſtuͤrtzen/ oder an einen Felſen zerſplittern/ und alſo/ eh wir ans Uffer gelangen/ er- ſauffen. Daß aber GOtt einem jeden ſein gewiſſes Ziel/ das er nicht uͤberſchreiten kan/ geſetzt hat/ bezeugt der heilige Hiob cap. 14. Definiti ſunt dies Hominis & numerus menſium ejus penes Te eſt, Terminos ejus ſtatuiſti, quos non præteribit. Und iſt kein Ver- nuͤnfftiger/ der dieſe durch die H. Schrifft und geſunde Vernunfft beſtaͤttigte Meinung laugnen oder wiederſpre- chen ſollte. Nur dieſes wollen etliche in Zweiffel ziehen/ ob ein Menſch ihm ſelbſt ſein Leben verkuͤrtzen koͤnne? ob alle Tod-Faͤlle der Menſchen/ ſie leben maͤſſig oder nicht/ ſie geben ſich in Gefahr oder nicht/ allzeit von GOtt alſo vorgeſehen ſind/ daß ein jeder neceſſariò nach GOttes Willen alſo haͤtte ſterben muͤſſen? und da muß man einen Unterſcheid machen inter voluntatem Dei definientis & permittentis; unter GOttes Wil- len/ der es geheiſſen/ oder der es zugelaſſen. Diß letzte weiß man wol/ daß nichts auf Erden geſchehen kan/ Gott verhenge es dañ/ uñ laß es aus ſeinem heimlich-ver- borgenen doch allein weiſen und allzeit guten Willen alſo geſchehen; Sine Tuo Numine nihil eſt in Homine, in Ipſo ſumus, vivimus & movemur: Alſo daß man in dieſem Verſtand wol zugeben kan/ daß dergleichen ſelb-ſtverurſachte und aus unordentlichem Leben herruͤh- rende Todes-Faͤlle ohne GOttes Verhaͤngnis nicht haben fuͤrfallen koͤnnen; diß aber probirt noch nicht/ daß es darum auch GOttes Will eigentlich geweſt ſey. Allerdings wie das gemeine Sprichwort lautet: Die Heurathen ſind beſchaffen/ nicht alſo zu verſtehen/ als ſolten alle und jede ſo wol Kuppelte als durch boͤſe Stuͤcke practicirte Heurathen mit GOttes Willen vorbey ge- hen; dann ob es wol wahr von allen frommen Tugend- Liebenden Hertzen/ wann ſie GOTT mit dem betenden Jſaac und jungen Tobia hertzlich darum anruffen/ und die gebuͤhrenden Chriſtlichen erbaren Mittel darzu ge- brauchen/ daß Gott Seinen gnaͤdigen Willen und Schi- ckung darzu fuͤgt/ und alſo ihre Heurath von Gott be- ſchaffen worden/ ſo werden doch die muthwilligen boͤſen liederlichen Heurathen zwar von Gott/ zu der Parteyen ſelbſt-eigner Straff nur verhaͤnget/ aber nicht beſchaffen; und kan des Menſchen freyer Wille/ ſo wol Gutes als Boͤſes erwehlen/ weil ihm beedes vorgelegt/ er zu einem ernſtlich ermahnet/ vor dem andeꝛn aber tꝛeu- lich gewarnet wird. Alſo hat Gott freylich wol einem jeden Menſchen ſeinen Lebens-Termin geſetzt/ und wann er der Natur/ tanquàm optimo Duci (wie ſie Cicero nennet) folgen wird/ mag er ſolchen wol und gluͤcklich erreichen. GOtt hat aber auch das uͤbrige Freſſen und Sauffen hart verbotten/ und will/ daß wir ſollen zuͤchtig/ gerecht und maͤſſig leben/ nuͤchtern und wachſam ſeyn/ daher wann ein Menſch dieſes in den Wind ſchlaͤgt/ muthwillig mit Fuͤllerey ſein Hertz/ Magen und Haupt beſchweret/ die natuͤrliche Cohærenz und Uber- einſtimmung der Glieder zerruͤttet; ſollte dann Gott die Schuld haben (wann er alſo/ bey ſo beſchaffenem un- ordentlichem Leben/ ehe ſterben muͤſte) daß er ihm kem weiters Lebens-Ziehl geſetzt haͤtte. GOtt laͤſſet der Na- tur/ tanquam cauſæ ſecundæ ihren Lauff/ und gibt dem Menſchen ſeinen freyen Willen/ darnach zu leben oder nicht; die Natur hat jeglichem Leibe ſo viel Feuchten und natuͤrliche Waͤrme eingepflantzet/ als zu dem von GOtt vorbeſtimmten Ziel genugſam iſt/ und iſt gleich/ als wann eine Haus-Mutter ihrem Mayr oder Haus-Vogt auf ein gantzes Monath/ Kertzen zum Brennen genug gebe/ er wollte aber 10. 12. oder mehr Kertzen taͤglich aufftecken/ da ihn doch eine genugſam waͤre/ ſo wuͤrde er ja das Ziel nicht erreichen/ ſo ihm vorbeſtimmt wor- den/ aber nur aus eigner Schulde; gehet er recht mit der Kertzen um/ ſo kan er den Termin/ der ihm gege- ben worden/ wol erreichen/ doch aber auch nicht laͤnger ausdauren; dennoch je geſpaͤriger er umgehet/ je laͤnger waͤhren ſie: Alſo iſt gewiß/ daß ein Menſch ſein Leben nicht weiter erſtrecken kan/ als ihm GOtt durch die Na- tur und deren Eigenſchafft und Kraͤfften vorgeſetzt und verordnet hat/ es geſchehe dann/ durch des gnaͤdigen GOttes Wunder-Hand/ wie an dem frommen Koͤnig Hiskia: Aber verkuͤrtzen kan der Menſch ſein Leben gar leicht/ wann er der Unmaͤſſigkeit und Trunckenheit/ oder andern Laſtern ergeben iſt. Cap. LXXX. Vom Alter/ und Urſachen des Todes. WJr ſehen an vielen Beyſpielen der Natur die Urſachen ſo wol des Alters als des Todes; ſo bald ein Baum ſo hoch gewachſen iſt/ daß er Frucht bringet/ und ſich allenthalben mit Aeſten und Blaͤttern ausbreitet/ ſo bleibt er zwar lang in dieſem Stande/ wann nicht aͤuſſerliche gewaltſame Zufaͤlle dieſes verhindern; er bleibe aber in ſeiner Vegetation ſo lang er wolle/ ſo kommt er doch endlich ins Abneh- men/ daß er Wipfelduͤrr/ oder ſonſt von Wurm/ Brand und andern Ungeziefer verwuͤſtet und angeſpren- get wird/ biß er endlich gar verdorret: Alſo der Menſch hat ſein Wachsthum/ Zunehmen/ Stillſtand/ Abneh- men/ und endlich den Tod. Und wie mancher Baum/ der das Anſehen hat/ als ſey er friſch und gruͤnend/ in einer Stund von den Wetterleuchten (die Lateiner nennen es Siderationem) kan verderbt/ und von oben an/ biß Y iij

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/191>, abgerufen am 28.11.2024.