Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. Auf das wenn wir zum Tode gehn/ Und diesen Kercker lassen stehn/ Da unser Seele muste kleben/ Der Weise lebe Zweiffels frey/ Daß gar gewiß nach diesem Leben Ein Leben noch zu hoffen sey. Was wäre sonst die Wollust hassen/ Schlaff/ Wein und Buhlerey zu lassen/ Und allem diesem Feind zu seyn. Und durch was mehr die reinen Sinnen/ Sich nahen zu der Tugend Schein/ Als nur ein törichtes Beginnen? Die Lust so ewig uns erfreut/ Nach vielerley Verdrießlichkeit/ Die nur auf dieser Erde bleibet/ Wär' eine Hoffnung die verschwind/ Und was man von dem Himmel schreibet/ Verbliebe falscher Dampff und Wind. bens dieses für die gröste Bemühung gehalten/ in dem Tode wol für einen Thoren dürffte gehalten werden. Das ist eben die Gefahr Cebes/ darin- nen er/ deiner Meinung nach/ schwebet/ weil er noch nicht recht weiß/ ob ein Mensch der Unsterbligkeit der Seelen gnugsam versichert seyn kan. Dann du sagest/ daß es/ ob sie gleich wehrhafftiger und vornehmer als der Leib/ und etwas Gottlichen fast ähnlich ist/ wie auch daß sie eher als der Leib ent- standen/ und viel Sachen ohne fremde Hülffe/ aus eigenem Vermögen erkennet und wircket/ doch die- ses alles noch nicht genugsam sie darum vor unsterb- lich
Socrates. Auf das wenn wir zum Tode gehn/ Und dieſen Kercker laſſen ſtehn/ Da unſer Seele muſte kleben/ Der Weiſe lebe Zweiffels frey/ Daß gar gewiß nach dieſem Leben Ein Leben noch zu hoffen ſey. Was waͤre ſonſt die Wolluſt haſſen/ Schlaff/ Wein und Buhlerey zu laſſen/ Und allem dieſem Feind zu ſeyn. Und durch was mehr die reinen Sinnen/ Sich nahen zu der Tugend Schein/ Als nur ein toͤrichtes Beginnen? Die Luſt ſo ewig uns erfreut/ Nach vielerley Verdrießlichkeit/ Die nur auf dieſer Erde bleibet/ Waͤr’ eine Hoffnung die verſchwind/ Und was man von dem Himmel ſchreibet/ Verbliebe falſcher Dampff und Wind. bens dieſes fuͤr die groͤſte Bemuͤhung gehalten/ in dem Tode wol fuͤr einen Thoren duͤrffte gehalten werden. Das iſt eben die Gefahr Cebes/ darin- nen er/ deiner Meinung nach/ ſchwebet/ weil er noch nicht recht weiß/ ob ein Menſch der Unſterbligkeit der Seelen gnugſam verſichert ſeyn kan. Dann du ſageſt/ daß es/ ob ſie gleich wehrhafftiger und vornehmer als der Leib/ und etwas Gottlichen faſt aͤhnlich iſt/ wie auch daß ſie eher als der Leib ent- ſtanden/ und viel Sachen ohne fremde Huͤlffe/ aus eigenem Vermoͤgen erkennet und wircket/ doch die- ſes alles noch nicht genugſam ſie darum vor unſterb- lich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SOC"> <pb facs="#f0347" n="89"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Socrates.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <lg> <l>Auf das wenn wir zum Tode gehn/</l><lb/> <l>Und dieſen Kercker laſſen ſtehn/</l><lb/> <l>Da unſer Seele muſte kleben/</l><lb/> <l>Der Weiſe lebe Zweiffels frey/</l><lb/> <l>Daß gar gewiß nach dieſem Leben</l><lb/> <l>Ein Leben noch zu hoffen ſey.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Was waͤre ſonſt die Wolluſt haſſen/</l><lb/> <l>Schlaff/ Wein und Buhlerey zu laſſen/</l><lb/> <l>Und allem dieſem Feind zu ſeyn.</l><lb/> <l>Und durch was mehr die reinen Sinnen/</l><lb/> <l>Sich nahen zu der Tugend Schein/</l><lb/> <l>Als nur ein toͤrichtes Beginnen?</l> </lg><lb/> <lg> <l>Die Luſt ſo ewig uns erfreut/</l><lb/> <l>Nach vielerley Verdrießlichkeit/</l><lb/> <l>Die nur auf dieſer Erde bleibet/</l><lb/> <l>Waͤr’ eine Hoffnung die verſchwind/</l><lb/> <l>Und was man von dem Himmel ſchreibet/</l><lb/> <l>Verbliebe falſcher Dampff und Wind.</l> </lg> </lg><lb/> <p>Daß alſo ein Weiſer/ und der die Zeit ſeines Le-<lb/> bens dieſes fuͤr die groͤſte Bemuͤhung gehalten/ in<lb/> dem Tode wol fuͤr einen Thoren duͤrffte gehalten<lb/> werden. Das iſt eben die Gefahr Cebes/ darin-<lb/> nen er/ deiner Meinung nach/ ſchwebet/ weil er noch<lb/> nicht recht weiß/ ob ein Menſch der Unſterbligkeit<lb/> der Seelen gnugſam verſichert ſeyn kan. Dann<lb/> du ſageſt/ daß es/ ob ſie gleich wehrhafftiger und<lb/> vornehmer als der Leib/ und etwas Gottlichen faſt<lb/> aͤhnlich iſt/ wie auch daß ſie eher als der Leib ent-<lb/> ſtanden/ und viel Sachen ohne fremde Huͤlffe/ aus<lb/> eigenem Vermoͤgen erkennet und wircket/ doch die-<lb/> ſes alles noch nicht genugſam ſie darum vor unſterb-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [89/0347]
Socrates.
Auf das wenn wir zum Tode gehn/
Und dieſen Kercker laſſen ſtehn/
Da unſer Seele muſte kleben/
Der Weiſe lebe Zweiffels frey/
Daß gar gewiß nach dieſem Leben
Ein Leben noch zu hoffen ſey.
Was waͤre ſonſt die Wolluſt haſſen/
Schlaff/ Wein und Buhlerey zu laſſen/
Und allem dieſem Feind zu ſeyn.
Und durch was mehr die reinen Sinnen/
Sich nahen zu der Tugend Schein/
Als nur ein toͤrichtes Beginnen?
Die Luſt ſo ewig uns erfreut/
Nach vielerley Verdrießlichkeit/
Die nur auf dieſer Erde bleibet/
Waͤr’ eine Hoffnung die verſchwind/
Und was man von dem Himmel ſchreibet/
Verbliebe falſcher Dampff und Wind.
Daß alſo ein Weiſer/ und der die Zeit ſeines Le-
bens dieſes fuͤr die groͤſte Bemuͤhung gehalten/ in
dem Tode wol fuͤr einen Thoren duͤrffte gehalten
werden. Das iſt eben die Gefahr Cebes/ darin-
nen er/ deiner Meinung nach/ ſchwebet/ weil er noch
nicht recht weiß/ ob ein Menſch der Unſterbligkeit
der Seelen gnugſam verſichert ſeyn kan. Dann
du ſageſt/ daß es/ ob ſie gleich wehrhafftiger und
vornehmer als der Leib/ und etwas Gottlichen faſt
aͤhnlich iſt/ wie auch daß ſie eher als der Leib ent-
ſtanden/ und viel Sachen ohne fremde Huͤlffe/ aus
eigenem Vermoͤgen erkennet und wircket/ doch die-
ſes alles noch nicht genugſam ſie darum vor unſterb-
lich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |