Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Der sterbende und Gehöre sind die vornehmsten unter ihnen/ weilnun diese/ wie am Tage ist/ uns offenbarlich betrie- gen/ was sollen wir wol von den andern gewärtig seyn. So ist nun höchster Nothwendigkeit/ daß die Seele sich auf die Seite mache/ und bey ge- schlossenen Augen/ und verstopfften Ohren/ ohne ein- zigen Uberlauff der Lust/ oder der Betrübnisse sich in sich selbst verwickele/ dem Leibe vor sich sein Thun haben lasse/ und in solcher Beschaffenheit zu unfehl- barem Erkäntniß der Sachen zu kommen sich be- mühe. Daraus dann genugsam zu ersehen ist/ wie eines Weisen Gemüthe den Leib hindan setzet/ in dem es sich seiner entäussert/ und sein Leben vor sich zu führen bemühet ist. Wir müssen aber auch daran kommen Simias/ ob dieses/ was wir gerecht/ gut oder schöne nennen/ etwas oder nichts sey. Simias. Es ist sonder Zweiffel etwas. Socrates. Kan man dieses mit den leiblichen Augen/ ne- benst Gesundheit/ Grösse/ Stärcke und andern Ei- genschafften erkiesen; das ist so viel zu sagen/ ob man alle Sachen durch das Gesicht ermessen kön- ne? Warlich keines weges; Dann dieses ist eine Wirckung der Gedancken/ und so von genauer Un- tersuchung der Seelen herkommet. Dahin aber rechtschaffen zu gelangen/ so ist vor allen Dingen hoch
Der ſterbende und Gehoͤre ſind die vornehmſten unter ihnen/ weilnun dieſe/ wie am Tage iſt/ uns offenbarlich betrie- gen/ was ſollen wir wol von den andern gewaͤrtig ſeyn. So iſt nun hoͤchſter Nothwendigkeit/ daß die Seele ſich auf die Seite mache/ und bey ge- ſchloſſenen Augen/ und verſtopfften Ohren/ ohne ein- zigen Uberlauff der Luſt/ oder der Betruͤbniſſe ſich in ſich ſelbſt verwickele/ dem Leibe vor ſich ſein Thun haben laſſe/ und in ſolcher Beſchaffenheit zu unfehl- barem Erkaͤntniß der Sachen zu kommen ſich be- muͤhe. Daraus dann genugſam zu erſehen iſt/ wie eines Weiſen Gemuͤthe den Leib hindan ſetzet/ in dem es ſich ſeiner entaͤuſſert/ und ſein Leben vor ſich zu fuͤhren bemuͤhet iſt. Wir muͤſſen aber auch daran kommen Simias/ ob dieſes/ was wir gerecht/ gut oder ſchoͤne nennen/ etwas oder nichts ſey. Simias. Es iſt ſonder Zweiffel etwas. Socrates. Kan man dieſes mit den leiblichen Augen/ ne- benſt Geſundheit/ Groͤſſe/ Staͤrcke und andern Ei- genſchafften erkieſen; das iſt ſo viel zu ſagen/ ob man alle Sachen durch das Geſicht ermeſſen koͤn- ne? Warlich keines weges; Dann dieſes iſt eine Wirckung der Gedancken/ und ſo von genauer Un- terſuchung der Seelen herkommet. Dahin aber rechtſchaffen zu gelangen/ ſo iſt vor allen Dingen hoch
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Der ſterbende
und Gehoͤre ſind die vornehmſten unter ihnen/ weil
nun dieſe/ wie am Tage iſt/ uns offenbarlich betrie-
gen/ was ſollen wir wol von den andern gewaͤrtig
ſeyn. So iſt nun hoͤchſter Nothwendigkeit/ daß
die Seele ſich auf die Seite mache/ und bey ge-
ſchloſſenen Augen/ und verſtopfften Ohren/ ohne ein-
zigen Uberlauff der Luſt/ oder der Betruͤbniſſe ſich
in ſich ſelbſt verwickele/ dem Leibe vor ſich ſein Thun
haben laſſe/ und in ſolcher Beſchaffenheit zu unfehl-
barem Erkaͤntniß der Sachen zu kommen ſich be-
muͤhe. Daraus dann genugſam zu erſehen iſt/ wie
eines Weiſen Gemuͤthe den Leib hindan ſetzet/ in
dem es ſich ſeiner entaͤuſſert/ und ſein Leben vor ſich
zu fuͤhren bemuͤhet iſt. Wir muͤſſen aber auch daran
kommen Simias/ ob dieſes/ was wir gerecht/ gut
oder ſchoͤne nennen/ etwas oder nichts ſey.
Simias.
Es iſt ſonder Zweiffel etwas.
Socrates.
Kan man dieſes mit den leiblichen Augen/ ne-
benſt Geſundheit/ Groͤſſe/ Staͤrcke und andern Ei-
genſchafften erkieſen; das iſt ſo viel zu ſagen/ ob
man alle Sachen durch das Geſicht ermeſſen koͤn-
ne? Warlich keines weges; Dann dieſes iſt eine
Wirckung der Gedancken/ und ſo von genauer Un-
terſuchung der Seelen herkommet. Dahin aber
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