Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. Socrates. Jch wil in diesem Fall thun so viel mir möglich ist; last uns aber zuvor vernehmen/ was Crito erinnern wil/ dann ich habe ihm schon lange angemerckt/ daß er etwas zu reden im Sinn hat. Jch habe nichts anders zu sagen/ sprach Crito/ als dieses/ was der Nachrichter wol hundert mal gedacht/ daß du nem- lich nicht allzuviel reden soltest/ weil solche Bewe- gung dich vielleicht erhitzen/ und die Wirckung des Giffts also verhindern dörffte/ wie er denn zugleich beteuerte/ daß man etlichen den Gifft-Trunck zu unterschiedlichen malen geben müssen. Laß ihn da/ sagte Socrates/ er mag dessen/ was ihm befohlen ist/ abwarten/ und das Gifft auf drey/ vier oder mehrmal/ beliebt es ihm anders zu berei- ten. Jch dachte wol/ fing Crito an/ daß ich kein ande- re Antwort erlangen würde/ konte mich aber deß Nachrichters Uberlauffens nicht anders entledi- gen. Socrates. Laß ihn da. Euch aber/ meine Richter/ wil ich itzund die Ursache entdecken/ warum ein Mensch/ der seine gantze Zeit in Untersuchung der Weißheit zugebracht/ dem Tode mit Standhafftigkeit unter Augen gehen/ und vollkommene Glückseligkeit nach diesem Leben erwarten solle. Und schauet/ geliebten Freunde/ wie dieses meinem Erachten nach zuver- stehen ist. Der B 3
Socrates. Socrates. Jch wil in dieſem Fall thun ſo viel mir moͤglich iſt; laſt uns aber zuvor vernehmen/ was Crito erinnern wil/ dann ich habe ihm ſchon lange angemerckt/ daß er etwas zu reden im Sinn hat. Jch habe nichts anders zu ſagen/ ſprach Crito/ als dieſes/ was der Nachrichter wol hundert mal gedacht/ daß du nem- lich nicht allzuviel reden ſolteſt/ weil ſolche Bewe- gung dich vielleicht erhitzen/ und die Wirckung des Giffts alſo verhindern doͤrffte/ wie er denn zugleich beteuerte/ daß man etlichen den Gifft-Trunck zu unterſchiedlichen malen geben muͤſſen. Laß ihn da/ ſagte Socrates/ er mag deſſen/ was ihm befohlen iſt/ abwarten/ und das Gifft auf drey/ vier oder mehrmal/ beliebt es ihm anders zu berei- ten. Jch dachte wol/ fing Crito an/ daß ich kein ande- re Antwort erlangen wuͤrde/ konte mich aber deß Nachrichters Uberlauffens nicht anders entledi- gen. Socrates. Laß ihn da. Euch aber/ meine Richter/ wil ich itzund die Urſache entdecken/ warum ein Menſch/ der ſeine gantze Zeit in Unterſuchung der Weißheit zugebracht/ dem Tode mit Standhafftigkeit unter Augen gehen/ und vollkommene Gluͤckſeligkeit nach dieſem Leben erwarten ſolle. Und ſchauet/ geliebten Freunde/ wie dieſes meinem Erachten nach zuver- ſtehen iſt. Der B 3
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Socrates.
Socrates.
Jch wil in dieſem Fall thun ſo viel mir moͤglich iſt;
laſt uns aber zuvor vernehmen/ was Crito erinnern
wil/ dann ich habe ihm ſchon lange angemerckt/ daß
er etwas zu reden im Sinn hat. Jch habe nichts
anders zu ſagen/ ſprach Crito/ als dieſes/ was der
Nachrichter wol hundert mal gedacht/ daß du nem-
lich nicht allzuviel reden ſolteſt/ weil ſolche Bewe-
gung dich vielleicht erhitzen/ und die Wirckung des
Giffts alſo verhindern doͤrffte/ wie er denn zugleich
beteuerte/ daß man etlichen den Gifft-Trunck zu
unterſchiedlichen malen geben muͤſſen.
Laß ihn da/ ſagte Socrates/ er mag deſſen/ was
ihm befohlen iſt/ abwarten/ und das Gifft auf drey/
vier oder mehrmal/ beliebt es ihm anders zu berei-
ten. Jch dachte wol/ fing Crito an/ daß ich kein ande-
re Antwort erlangen wuͤrde/ konte mich aber deß
Nachrichters Uberlauffens nicht anders entledi-
gen.
Socrates.
Laß ihn da. Euch aber/ meine Richter/ wil ich
itzund die Urſache entdecken/ warum ein Menſch/
der ſeine gantze Zeit in Unterſuchung der Weißheit
zugebracht/ dem Tode mit Standhafftigkeit unter
Augen gehen/ und vollkommene Gluͤckſeligkeit nach
dieſem Leben erwarten ſolle. Und ſchauet/ geliebten
Freunde/ wie dieſes meinem Erachten nach zuver-
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