Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite


PHOEDON.
WAnn ich an Socrates gedencke/
Den ich gefangen heimgesucht/
Als seine Pein kam in die Flucht:
Durch der Athener Gifft-Geträncke;
So schwer ich bey der Wörter Macht/
Damit er hat den Todt verlacht/
Jhn anzusehn in meinem Wercke;
So nicht vielmehr Beschwernis kent/
Als seines Geistes Wunderstärcke;
Nach dem der Todt auf ihn gerent.
Aus Neid der hochberühmten Sachen/
Davon er stets gehandelt hat/
So war gewisser Götter Rath/
Dem Leben noch was Frist zu machen;
Auf daß der Todt auch eh' er schlägt/
Und seinen Leib zu Boden legt/
Jhn durch sein Bildnis recht erschrecke/
Und weil er ihm für Augen hält/
Das Urtheil so kein Bitten fält/
Jhm lange Sterbensangst erwecke.
Ein wunder-seltzames Begeben
Zur Prüfung seiner Tapfferkeit
Ließ das Gericht in solcher Zeit
Nicht bald in seiner Wirckung schweben/
Es ist ein Schiff von alter Art/
Da Theseus ließ auf seiner Farth/
Viel schwartz' und weisse Seegel blicken/
So tausendmal aufs neu gemacht/
Wie auch verkehrt in allen Stücken/
Man vor das alte Wesen acht.
A-
A 3


PHOEDON.
WAnn ich an Socrates gedencke/
Den ich gefangen heimgeſucht/
Als ſeine Pein kam in die Flucht:
Durch der Athener Gifft-Getraͤncke;
So ſchwer ich bey der Woͤrter Macht/
Damit er hat den Todt verlacht/
Jhn anzuſehn in meinem Wercke;
So nicht vielmehr Beſchwernis kent/
Als ſeines Geiſtes Wunderſtaͤrcke;
Nach dem der Todt auf ihn gerent.
Aus Neid der hochberuͤhmten Sachen/
Davon er ſtets gehandelt hat/
So war gewiſſer Goͤtter Rath/
Dem Leben noch was Friſt zu machen;
Auf daß der Todt auch eh' er ſchlaͤgt/
Und ſeinen Leib zu Boden legt/
Jhn durch ſein Bildnis recht erſchrecke/
Und weil er ihm fuͤr Augen haͤlt/
Das Urtheil ſo kein Bitten faͤlt/
Jhm lange Sterbensangſt erwecke.
Ein wunder-ſeltzames Begeben
Zur Pruͤfung ſeiner Tapfferkeit
Ließ das Gericht in ſolcher Zeit
Nicht bald in ſeiner Wirckung ſchweben/
Es iſt ein Schiff von alter Art/
Da Theſeus ließ auf ſeiner Farth/
Viel ſchwartz' und weiſſe Seegel blicken/
So tauſendmal aufs neu gemacht/
Wie auch verkehrt in allen Stuͤcken/
Man vor das alte Weſen acht.
A-
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0259" n="1"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <sp who="#PHO">
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">PHOEDON.</hi> </hi> </speaker><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>Ann ich an Socrates gedencke/</l><lb/>
              <l>Den ich gefangen heimge&#x017F;ucht/</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;eine Pein kam in die Flucht:</l><lb/>
              <l>Durch der Athener Gifft-Getra&#x0364;ncke;</l><lb/>
              <l>So &#x017F;chwer ich bey der Wo&#x0364;rter Macht/</l><lb/>
              <l>Damit er hat den Todt verlacht/</l><lb/>
              <l>Jhn anzu&#x017F;ehn in meinem Wercke;</l><lb/>
              <l>So nicht vielmehr Be&#x017F;chwernis kent/</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;eines Gei&#x017F;tes Wunder&#x017F;ta&#x0364;rcke;</l><lb/>
              <l>Nach dem der Todt auf ihn gerent.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Aus Neid der hochberu&#x0364;hmten Sachen/</l><lb/>
              <l>Davon er &#x017F;tets gehandelt hat/</l><lb/>
              <l>So war gewi&#x017F;&#x017F;er Go&#x0364;tter Rath/</l><lb/>
              <l>Dem Leben noch was Fri&#x017F;t zu machen;</l><lb/>
              <l>Auf daß der Todt auch eh' er &#x017F;chla&#x0364;gt/</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;einen Leib zu Boden legt/</l><lb/>
              <l>Jhn durch &#x017F;ein Bildnis recht er&#x017F;chrecke/</l><lb/>
              <l>Und weil er ihm fu&#x0364;r Augen ha&#x0364;lt/</l><lb/>
              <l>Das Urtheil &#x017F;o kein Bitten fa&#x0364;lt/</l><lb/>
              <l>Jhm lange Sterbensang&#x017F;t erwecke.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Ein wunder-&#x017F;eltzames Begeben</l><lb/>
              <l>Zur Pru&#x0364;fung &#x017F;einer Tapfferkeit</l><lb/>
              <l>Ließ das Gericht in &#x017F;olcher Zeit</l><lb/>
              <l>Nicht bald in &#x017F;einer Wirckung &#x017F;chweben/</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t ein Schiff von alter Art/</l><lb/>
              <l>Da The&#x017F;eus ließ auf &#x017F;einer Farth/</l><lb/>
              <l>Viel &#x017F;chwartz' und wei&#x017F;&#x017F;e Seegel blicken/</l><lb/>
              <l>So tau&#x017F;endmal aufs neu gemacht/</l><lb/>
              <l>Wie auch verkehrt in allen Stu&#x0364;cken/</l><lb/>
              <l>Man vor das alte We&#x017F;en acht.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">A 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">A-</fw><lb/>
          </lg>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1/0259] PHOEDON. WAnn ich an Socrates gedencke/ Den ich gefangen heimgeſucht/ Als ſeine Pein kam in die Flucht: Durch der Athener Gifft-Getraͤncke; So ſchwer ich bey der Woͤrter Macht/ Damit er hat den Todt verlacht/ Jhn anzuſehn in meinem Wercke; So nicht vielmehr Beſchwernis kent/ Als ſeines Geiſtes Wunderſtaͤrcke; Nach dem der Todt auf ihn gerent. Aus Neid der hochberuͤhmten Sachen/ Davon er ſtets gehandelt hat/ So war gewiſſer Goͤtter Rath/ Dem Leben noch was Friſt zu machen; Auf daß der Todt auch eh' er ſchlaͤgt/ Und ſeinen Leib zu Boden legt/ Jhn durch ſein Bildnis recht erſchrecke/ Und weil er ihm fuͤr Augen haͤlt/ Das Urtheil ſo kein Bitten faͤlt/ Jhm lange Sterbensangſt erwecke. Ein wunder-ſeltzames Begeben Zur Pruͤfung ſeiner Tapfferkeit Ließ das Gericht in ſolcher Zeit Nicht bald in ſeiner Wirckung ſchweben/ Es iſt ein Schiff von alter Art/ Da Theſeus ließ auf ſeiner Farth/ Viel ſchwartz' und weiſſe Seegel blicken/ So tauſendmal aufs neu gemacht/ Wie auch verkehrt in allen Stuͤcken/ Man vor das alte Weſen acht. A- A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/259
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/259>, abgerufen am 12.05.2024.