Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
da doch vorlängst deutlich genug gezeigt worden:
daß die götter der heyden, aus aberglauben entstand-
ne getichte, und die in versen ertheilten oracula, eine
schlaue erfindung der heydnischen pfaffen gewesen.
Wir finden zwar in unsrer bibel: daß GOtt wahr-
hafftig geredet habe; aber nicht: daß er sich blos ge-
bundner reden bedienet.

3. Der göttliche trieb, den man der poesie zuschreibt,
ist ebenfalls ein rest des heydenthums, der sammt den
Musen längst ausgepeitscht seyn sollte. Es ist nicht
ohne: ein poete wird nicht gemacht, sondern geboh-
ren; aber daraus folgt gantz keine göttligkeit der
menschlichen tichtkunst. Ein mathematicus, und
redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei-
ben die mathesis und redekunst bey allen vernünffti-
gen leuten gantz natürliche künste. Die menschen
sind unterschiedner art, und zwar nach der allwei-
sen vorsehung und einrichtung des unbegreifflichen
Schöpffers. Einer schickt sich zu dem, der andre zu
was andern: und so unterschieden die leibes-mischun-
gen seyn, so unterschieden ist auch die geschickligkeit
der menschen in ansehen ihres verstandes. Die sa-
che wird anderwerts weitläufftig ausgeführet, des-
wegen ich mich nicht dabey aufhalten, sondern nur
noch dieses beyfügen will, daß das vorgeben jenes
alten poeten:

Consules fiunt quotannis & novi proconsules:
Solus, aut rex, aut poeta non quotannis na-
scitur.

mehr hoffart als wahrheit hinter sich habe.

4. Aber
):( 5

Vorrede.
da doch vorlaͤngſt deutlich genug gezeigt worden:
daß die goͤtter der heyden, aus aberglauben entſtand-
ne getichte, und die in verſen ertheilten oracula, eine
ſchlaue erfindung der heydniſchen pfaffen geweſen.
Wir finden zwar in unſrer bibel: daß GOtt wahr-
hafftig geredet habe; aber nicht: daß er ſich blos ge-
bundner reden bedienet.

3. Der goͤttliche tꝛieb, den man deꝛ poeſie zuſchꝛeibt,
iſt ebenfalls ein reſt des heydenthums, der ſammt den
Muſen laͤngſt ausgepeitſcht ſeyn ſollte. Es iſt nicht
ohne: ein poete wird nicht gemacht, ſondern geboh-
ren; aber daraus folgt gantz keine goͤttligkeit der
menſchlichen tichtkunſt. Ein mathematicus, und
redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei-
ben die matheſis und redekunſt bey allen vernuͤnffti-
gen leuten gantz natuͤrliche kuͤnſte. Die menſchen
ſind unterſchiedner art, und zwar nach der allwei-
ſen vorſehung und einrichtung des unbegreifflichen
Schoͤpffers. Einer ſchickt ſich zu dem, der andre zu
was andern: und ſo unterſchieden die leibes-miſchun-
gen ſeyn, ſo unterſchieden iſt auch die geſchickligkeit
der menſchen in anſehen ihres verſtandes. Die ſa-
che wird anderwerts weitlaͤufftig ausgefuͤhret, des-
wegen ich mich nicht dabey aufhalten, ſondern nur
noch dieſes beyfuͤgen will, daß das vorgeben jenes
alten poeten:

Conſules fiunt quotannis & novi proconſules:
Solus, aut rex, aut poëta non quotannis na-
ſcitur.

mehr hoffart als wahrheit hinter ſich habe.

4. Aber
):( 5
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
da doch vorla&#x0364;ng&#x017F;t deutlich genug gezeigt worden:<lb/>
daß die go&#x0364;tter der heyden, aus aberglauben ent&#x017F;tand-<lb/>
ne getichte, und die in ver&#x017F;en ertheilten <hi rendition="#aq">oracula,</hi> eine<lb/>
&#x017F;chlaue erfindung der heydni&#x017F;chen pfaffen gewe&#x017F;en.<lb/>
Wir finden zwar in un&#x017F;rer bibel: daß GOtt wahr-<lb/>
hafftig geredet habe; aber nicht: daß er &#x017F;ich blos ge-<lb/>
bundner reden bedienet.</p><lb/>
        <p>3. Der go&#x0364;ttliche t&#xA75B;ieb, den man de&#xA75B; poe&#x017F;ie zu&#x017F;ch&#xA75B;eibt,<lb/>
i&#x017F;t ebenfalls ein re&#x017F;t des heydenthums, der &#x017F;ammt den<lb/>
Mu&#x017F;en la&#x0364;ng&#x017F;t ausgepeit&#x017F;cht &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Es i&#x017F;t nicht<lb/>
ohne: ein poete wird nicht gemacht, &#x017F;ondern geboh-<lb/>
ren; aber daraus folgt gantz keine go&#x0364;ttligkeit der<lb/>
men&#x017F;chlichen tichtkun&#x017F;t. Ein <hi rendition="#aq">mathematicus,</hi> und<lb/>
redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei-<lb/>
ben die <hi rendition="#aq">mathe&#x017F;is</hi> und redekun&#x017F;t bey allen vernu&#x0364;nffti-<lb/>
gen leuten gantz natu&#x0364;rliche ku&#x0364;n&#x017F;te. Die men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ind unter&#x017F;chiedner art, und zwar nach der allwei-<lb/>
&#x017F;en vor&#x017F;ehung und einrichtung des unbegreifflichen<lb/>
Scho&#x0364;pffers. Einer &#x017F;chickt &#x017F;ich zu dem, der andre zu<lb/>
was andern: und &#x017F;o unter&#x017F;chieden die leibes-mi&#x017F;chun-<lb/>
gen &#x017F;eyn, &#x017F;o unter&#x017F;chieden i&#x017F;t auch die ge&#x017F;chickligkeit<lb/>
der men&#x017F;chen in an&#x017F;ehen ihres ver&#x017F;tandes. Die &#x017F;a-<lb/>
che wird anderwerts weitla&#x0364;ufftig ausgefu&#x0364;hret, des-<lb/>
wegen ich mich nicht dabey aufhalten, &#x017F;ondern nur<lb/>
noch die&#x017F;es beyfu&#x0364;gen will, daß das vorgeben jenes<lb/>
alten poeten:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Con&#x017F;ules fiunt quotannis &amp; novi procon&#x017F;ules:<lb/>
Solus, aut rex, aut poëta non quotannis na-<lb/>
&#x017F;citur.</hi> </hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>mehr hoffart als wahrheit hinter &#x017F;ich habe.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">):( 5</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">4. Aber</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] Vorrede. da doch vorlaͤngſt deutlich genug gezeigt worden: daß die goͤtter der heyden, aus aberglauben entſtand- ne getichte, und die in verſen ertheilten oracula, eine ſchlaue erfindung der heydniſchen pfaffen geweſen. Wir finden zwar in unſrer bibel: daß GOtt wahr- hafftig geredet habe; aber nicht: daß er ſich blos ge- bundner reden bedienet. 3. Der goͤttliche tꝛieb, den man deꝛ poeſie zuſchꝛeibt, iſt ebenfalls ein reſt des heydenthums, der ſammt den Muſen laͤngſt ausgepeitſcht ſeyn ſollte. Es iſt nicht ohne: ein poete wird nicht gemacht, ſondern geboh- ren; aber daraus folgt gantz keine goͤttligkeit der menſchlichen tichtkunſt. Ein mathematicus, und redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei- ben die matheſis und redekunſt bey allen vernuͤnffti- gen leuten gantz natuͤrliche kuͤnſte. Die menſchen ſind unterſchiedner art, und zwar nach der allwei- ſen vorſehung und einrichtung des unbegreifflichen Schoͤpffers. Einer ſchickt ſich zu dem, der andre zu was andern: und ſo unterſchieden die leibes-miſchun- gen ſeyn, ſo unterſchieden iſt auch die geſchickligkeit der menſchen in anſehen ihres verſtandes. Die ſa- che wird anderwerts weitlaͤufftig ausgefuͤhret, des- wegen ich mich nicht dabey aufhalten, ſondern nur noch dieſes beyfuͤgen will, daß das vorgeben jenes alten poeten: Conſules fiunt quotannis & novi proconſules: Solus, aut rex, aut poëta non quotannis na- ſcitur. mehr hoffart als wahrheit hinter ſich habe. 4. Aber ):( 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/9
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/9>, abgerufen am 21.11.2024.