Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite

Galante Getichte.

Jn dessen kühlen aufenthalt
Wir öffters und mit lust gesessen,
Da wird den rinden eingehaun
Man die versicherungen schaun,
Und in den jungen bircken-rinden
Wird man das wort: Diß ist mein schluß,
Daß ich den Criton haben muß;
Durch ihre hand geschnitten, finden.

Ach! dächte sie an diese rinden,
Die itzund über meiner pein
Aus beyleid höchst betrübet seyn,
Und meinen schmertzen mit empfinden;
So würde durch die leere lufft
Von ihr vielleicht mir zugeruft,
Es würd' ein lispeln um mich schweben[,]
Und mir, wie daß noch ihre treu
Und liebe nicht entheiligt sey;
Gantz deutlich zu verstehen geben.
So aber ist es nur vergebens,
Jch bleibe gäntzlich ausgethan.
Denn deß ich mich getrösten kan,
Jst blos das ende meines lebens.
Es kan alsdenn mein leichen-stein
Mit dieser schrifft bezeichnet seyn:
Hier lieget lieb und treu begraben.
Und welcher im vorüber gehn
Hieraus wird meinen tod verstehn,
Der wird mit mir erbarmung haben;
Doch eh ich noch die augen schliessen;
Und meiner schmertzen end und ziel
Bey euch, ihr leichen! suchen will;
So sollen vorher alle wissen,
Daß, ob ich gleich um ihre zier
Jn rein-gesinnter liebs-begier
Mich

Galante Getichte.

Jn deſſen kuͤhlen aufenthalt
Wir oͤffters und mit luſt geſeſſen,
Da wird den rinden eingehaun
Man die verſicherungen ſchaun,
Und in den jungen bircken-rinden
Wird man das wort: Diß iſt mein ſchluß,
Daß ich den Criton haben muß;
Durch ihre hand geſchnitten, finden.

Ach! daͤchte ſie an dieſe rinden,
Die itzund uͤber meiner pein
Aus beyleid hoͤchſt betruͤbet ſeyn,
Und meinen ſchmertzen mit empfinden;
So wuͤrde durch die leere lufft
Von ihr vielleicht mir zugeruft,
Es wuͤrd’ ein liſpeln um mich ſchweben[,]
Und mir, wie daß noch ihre treu
Und liebe nicht entheiligt ſey;
Gantz deutlich zu verſtehen geben.
So aber iſt es nur vergebens,
Jch bleibe gaͤntzlich ausgethan.
Denn deß ich mich getroͤſten kan,
Jſt blos das ende meines lebens.
Es kan alsdenn mein leichen-ſtein
Mit dieſer ſchrifft bezeichnet ſeyn:
Hier lieget lieb und treu begraben.
Und welcher im voruͤber gehn
Hieraus wird meinen tod verſtehn,
Der wird mit mir erbarmung haben;
Doch eh ich noch die augen ſchlieſſen;
Und meiner ſchmertzen end und ziel
Bey euch, ihr leichen! ſuchen will;
So ſollen vorher alle wiſſen,
Daß, ob ich gleich um ihre zier
Jn rein-geſinnter liebs-begier
Mich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <l>
                <pb facs="#f0051" n="27"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante Getichte.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Jn de&#x017F;&#x017F;en ku&#x0364;hlen aufenthalt</l><lb/>
              <l>Wir o&#x0364;ffters und mit lu&#x017F;t ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Da wird den rinden eingehaun</l><lb/>
              <l>Man die ver&#x017F;icherungen &#x017F;chaun,</l><lb/>
              <l>Und in den jungen bircken-rinden</l><lb/>
              <l>Wird man das wort: Diß i&#x017F;t mein &#x017F;chluß,</l><lb/>
              <l>Daß ich den Criton haben muß;</l><lb/>
              <l>Durch ihre hand ge&#x017F;chnitten, finden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Ach! da&#x0364;chte &#x017F;ie an die&#x017F;e rinden,</l><lb/>
              <l>Die itzund u&#x0364;ber meiner pein</l><lb/>
              <l>Aus beyleid ho&#x0364;ch&#x017F;t betru&#x0364;bet &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Und meinen &#x017F;chmertzen mit empfinden;</l><lb/>
              <l>So wu&#x0364;rde durch die leere lufft</l><lb/>
              <l>Von ihr vielleicht mir zugeruft,</l><lb/>
              <l>Es wu&#x0364;rd&#x2019; ein li&#x017F;peln um mich &#x017F;chweben<supplied>,</supplied></l><lb/>
              <l>Und mir, wie daß noch ihre treu</l><lb/>
              <l>Und liebe nicht entheiligt &#x017F;ey;</l><lb/>
              <l>Gantz deutlich zu ver&#x017F;tehen geben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>So aber i&#x017F;t es nur vergebens,</l><lb/>
              <l>Jch bleibe ga&#x0364;ntzlich ausgethan.</l><lb/>
              <l>Denn deß ich mich getro&#x0364;&#x017F;ten kan,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t blos das ende meines lebens.</l><lb/>
              <l>Es kan alsdenn mein leichen-&#x017F;tein</l><lb/>
              <l>Mit die&#x017F;er &#x017F;chrifft bezeichnet &#x017F;eyn:</l><lb/>
              <l>Hier lieget lieb und treu begraben.</l><lb/>
              <l>Und welcher im voru&#x0364;ber gehn</l><lb/>
              <l>Hieraus wird meinen tod ver&#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Der wird mit mir erbarmung haben;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Doch eh ich noch die augen &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Und meiner &#x017F;chmertzen end und ziel</l><lb/>
              <l>Bey euch, ihr leichen! &#x017F;uchen will;</l><lb/>
              <l>So &#x017F;ollen vorher alle wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Daß, ob ich gleich um ihre zier</l><lb/>
              <l>Jn rein-ge&#x017F;innter liebs-begier<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0051] Galante Getichte. Jn deſſen kuͤhlen aufenthalt Wir oͤffters und mit luſt geſeſſen, Da wird den rinden eingehaun Man die verſicherungen ſchaun, Und in den jungen bircken-rinden Wird man das wort: Diß iſt mein ſchluß, Daß ich den Criton haben muß; Durch ihre hand geſchnitten, finden. Ach! daͤchte ſie an dieſe rinden, Die itzund uͤber meiner pein Aus beyleid hoͤchſt betruͤbet ſeyn, Und meinen ſchmertzen mit empfinden; So wuͤrde durch die leere lufft Von ihr vielleicht mir zugeruft, Es wuͤrd’ ein liſpeln um mich ſchweben, Und mir, wie daß noch ihre treu Und liebe nicht entheiligt ſey; Gantz deutlich zu verſtehen geben. So aber iſt es nur vergebens, Jch bleibe gaͤntzlich ausgethan. Denn deß ich mich getroͤſten kan, Jſt blos das ende meines lebens. Es kan alsdenn mein leichen-ſtein Mit dieſer ſchrifft bezeichnet ſeyn: Hier lieget lieb und treu begraben. Und welcher im voruͤber gehn Hieraus wird meinen tod verſtehn, Der wird mit mir erbarmung haben; Doch eh ich noch die augen ſchlieſſen; Und meiner ſchmertzen end und ziel Bey euch, ihr leichen! ſuchen will; So ſollen vorher alle wiſſen, Daß, ob ich gleich um ihre zier Jn rein-geſinnter liebs-begier Mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/51
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/51>, abgerufen am 03.05.2024.