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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Bekam in kurtzer zeit des öden waldes satt:
Jhr ticht' und trachten war von dannen in die sondt.
"Was? also ließ sie fich in ihrer mund-art hören:
"Was will ich doch den wald mit meinem singen ehren?
"Und mir fast tag und nacht den hals in stücken schreyn?
"Ob meine lieder noch so unvergleichlich seyn,
"Was hab ich hier davon? Den eulen zu gefallen,
"Und vor das tumme wild ein künstlich stück erschallen,
"Heißt einen leeren schlag ins kalte wasser thun.
"Laß eine hirtin hier im kühlen schatten ruhn;
"So höret sie doch mehr, was ihr der buhler faget,
"Als was ein vogel singt. Nachdem sie so geklaget,
So war ihr letzter gall: "Verworffuer aufenthalt!
"Jhr püsche! gute nacht! Dann striech sie durch den wald,
Ließ bäum und thäler stehn, floh über sträuch und hecken,
Setzt über dörffer, bäch, und ließ sich nichts erschrecken,
Biß sie die kleine welt, das prächtige Pariß,
Durch ihren flug erlangt, und sich da fangen ließ.
Man steckte sie alsbald in einen engen kercker:
Den trug man in ein haus, und hieug ihn in dem ercker
Des schönsten zimmers auf. Die zunge wurde los,
Von der der honigseim der reinsten stimme flos.
Man hörte sie mit lust: Auf ihr so süsses schlagen
Lieff alles häuffig zu: Jhr ruhm ward fortgetragen
Noch ferner, als der schall von ihrer zunge gieng.
Die nachtigall war froh: Weil doch ein jedes ding,
Was neu ist, süsse schmeckt. Sie ließ Floretten sorgen:
So hieß das schöne kind, von dem sie alle morgen
Mit eigner hand gespeist und auch geträncket ward:
Sie wolt auch keine faust, so niedlich und so zart
Sie immer mochte seyn, sonst am gebauer leiden.
Was that die nachtigall? Sie stiminte voller freuden
Ein holdes danck-lied an. Sie sang: "O wie vergnügt!
"O wie vergnügt bin ich! wenn es das schicksal fügt,
"Daß mein beglückter stand so lang als ewig dauret!
Er daurte nicht so lang, als man bey hofe trauret;

Denn
Z 2

Vermiſchte Getichte.
Bekam in kurtzer zeit des oͤden waldes ſatt:
Jhr ticht’ und trachten war von dannen in die ſondt.
„Was? alſo ließ ſie fich in ihrer mund-art hoͤren:
„Was will ich doch den wald mit meinem ſingen ehren?
„Und mir faſt tag und nacht den hals in ſtuͤcken ſchreyn?
„Ob meine lieder noch ſo unvergleichlich ſeyn,
„Was hab ich hier davon? Den eulen zu gefallen,
„Und vor das tumme wild ein kuͤnſtlich ſtuͤck erſchallen,
„Heißt einen leeren ſchlag ins kalte waſſer thun.
„Laß eine hirtin hier im kuͤhlen ſchatten ruhn;
„So hoͤret ſie doch mehr, was ihr der buhler faget,
„Als was ein vogel ſingt. Nachdem ſie ſo geklaget,
So war ihr letzter gall: “Verworffuer aufenthalt!
„Jhr puͤſche! gute nacht! Dann ſtriech ſie durch den wald,
Ließ baͤum und thaͤler ſtehn, floh uͤber ſtraͤuch und hecken,
Setzt uͤber doͤrffer, baͤch, und ließ ſich nichts erſchrecken,
Biß ſie die kleine welt, das praͤchtige Pariß,
Durch ihren flug erlangt, und ſich da fangen ließ.
Man ſteckte ſie alsbald in einen engen kercker:
Den trug man in ein haus, und hieug ihn in dem ercker
Des ſchoͤnſten zimmers auf. Die zunge wurde los,
Von der der honigſeim der reinſten ſtimme flos.
Man hoͤrte ſie mit luſt: Auf ihr ſo ſuͤſſes ſchlagen
Lieff alles haͤuffig zu: Jhr ruhm ward fortgetragen
Noch ferner, als der ſchall von ihrer zunge gieng.
Die nachtigall war froh: Weil doch ein jedes ding,
Was neu iſt, ſuͤſſe ſchmeckt. Sie ließ Floretten ſorgen:
So hieß das ſchoͤne kind, von dem ſie alle morgen
Mit eigner hand geſpeiſt und auch getraͤncket ward:
Sie wolt auch keine fauſt, ſo niedlich und ſo zart
Sie immer mochte ſeyn, ſonſt am gebauer leiden.
Was that die nachtigall? Sie ſtiminte voller freuden
Ein holdes danck-lied an. Sie ſang: “O wie vergnuͤgt!
„O wie vergnuͤgt bin ich! wenn es das ſchickſal fuͤgt,
„Daß mein begluͤckter ſtand ſo lang als ewig dauret!
Er daurte nicht ſo lang, als man bey hofe trauret;

Denn
Z 2
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[355/0379] Vermiſchte Getichte. Bekam in kurtzer zeit des oͤden waldes ſatt: Jhr ticht’ und trachten war von dannen in die ſondt. „Was? alſo ließ ſie fich in ihrer mund-art hoͤren: „Was will ich doch den wald mit meinem ſingen ehren? „Und mir faſt tag und nacht den hals in ſtuͤcken ſchreyn? „Ob meine lieder noch ſo unvergleichlich ſeyn, „Was hab ich hier davon? Den eulen zu gefallen, „Und vor das tumme wild ein kuͤnſtlich ſtuͤck erſchallen, „Heißt einen leeren ſchlag ins kalte waſſer thun. „Laß eine hirtin hier im kuͤhlen ſchatten ruhn; „So hoͤret ſie doch mehr, was ihr der buhler faget, „Als was ein vogel ſingt. Nachdem ſie ſo geklaget, So war ihr letzter gall: “Verworffuer aufenthalt! „Jhr puͤſche! gute nacht! Dann ſtriech ſie durch den wald, Ließ baͤum und thaͤler ſtehn, floh uͤber ſtraͤuch und hecken, Setzt uͤber doͤrffer, baͤch, und ließ ſich nichts erſchrecken, Biß ſie die kleine welt, das praͤchtige Pariß, Durch ihren flug erlangt, und ſich da fangen ließ. Man ſteckte ſie alsbald in einen engen kercker: Den trug man in ein haus, und hieug ihn in dem ercker Des ſchoͤnſten zimmers auf. Die zunge wurde los, Von der der honigſeim der reinſten ſtimme flos. Man hoͤrte ſie mit luſt: Auf ihr ſo ſuͤſſes ſchlagen Lieff alles haͤuffig zu: Jhr ruhm ward fortgetragen Noch ferner, als der ſchall von ihrer zunge gieng. Die nachtigall war froh: Weil doch ein jedes ding, Was neu iſt, ſuͤſſe ſchmeckt. Sie ließ Floretten ſorgen: So hieß das ſchoͤne kind, von dem ſie alle morgen Mit eigner hand geſpeiſt und auch getraͤncket ward: Sie wolt auch keine fauſt, ſo niedlich und ſo zart Sie immer mochte ſeyn, ſonſt am gebauer leiden. Was that die nachtigall? Sie ſtiminte voller freuden Ein holdes danck-lied an. Sie ſang: “O wie vergnuͤgt! „O wie vergnuͤgt bin ich! wenn es das ſchickſal fuͤgt, „Daß mein begluͤckter ſtand ſo lang als ewig dauret! Er daurte nicht ſo lang, als man bey hofe trauret; Denn Z 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/379>, abgerufen am 23.11.2024.