Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite

Leanders aus Schlesien

Und die flügel seiner liebe nur an leichte worte bindet;
Denn dieses heißt ein haus auf sand und wellen baun.
Vermaß sich Thyrsis nicht, dir ewig treu zu seyn,
Als er mit angenommnen klagen
Dich nächst dahin gebracht, ihm gegen-liebe zuzusagen?
Jtzt schaut er dich kaum über achsel an.
Allzugetreues hertze!
Werd' einst mit schaden klug!
Einmahl betrogen seyn, ist warlich gar genug.



Ach! Floris! soltest du noch dermahleinst erfahren,
Wie deiner schönheit licht mein hertz in asche kehrt;
Jch weiß, du würdest noch,
Wenn meine glieder sich schon mit dem sande paaren,
Und sie der würmer mund verzehrt,
Mitleiden mit mir tragen.
Könnt' es doch möglich seyn,
Und dir, wo nicht ein mensch, doch nur ein kalter stein,
Die schöne nachricht sagen,
Warum dein Seladon so bald verfallen ist!
Allein, es geht unmöglich an,
Weil das, was niemand weiß, auch niemand melden kan.
Wiewohl, das ist mein trost, den ich noch hier erwerbe,
Der mich in stiller lust dem blassen tode giebt:
Daß, weil mein kühner geist dich, schönstes kind! geliebt,
Jch blos aus tieffer ehr-furcht sterbe.



Grabschrifft eines gescheuten harlequin.
JCh lachte selber nicht; und doch hab ich gemacht,
Daß vieler thoren mund ihr eigen thun belacht.
Und also that ich mehr, als ein Democritus:
Wie kommt es, daß er weis', ich närrisch, heissen muß.


Die nachtigall im gebauer.
Aus dem Französischen des Herrn du Trousser.
DJe muntre nachtigall, vor derer holdem singen
Die andern vögel sich nicht wusten aufzuschwingen,
Bekam

Leanders aus Schleſien

Und die fluͤgel ſeiner liebe nur an leichte worte bindet;
Denn dieſes heißt ein haus auf ſand und wellen baun.
Vermaß ſich Thyrſis nicht, dir ewig treu zu ſeyn,
Als er mit angenommnen klagen
Dich naͤchſt dahin gebracht, ihm gegen-liebe zuzuſagen?
Jtzt ſchaut er dich kaum uͤber achſel an.
Allzugetreues hertze!
Werd’ einſt mit ſchaden klug!
Einmahl betrogen ſeyn, iſt warlich gar genug.



Ach! Floris! ſolteſt du noch dermahleinſt erfahren,
Wie deiner ſchoͤnheit licht mein hertz in aſche kehrt;
Jch weiß, du wuͤrdeſt noch,
Wenn meine glieder ſich ſchon mit dem ſande paaren,
Und ſie der wuͤrmer mund verzehrt,
Mitleiden mit mir tragen.
Koͤnnt’ es doch moͤglich ſeyn,
Und dir, wo nicht ein menſch, doch nur ein kalter ſtein,
Die ſchoͤne nachricht ſagen,
Warum dein Seladon ſo bald verfallen iſt!
Allein, es geht unmoͤglich an,
Weil das, was niemand weiß, auch niemand melden kan.
Wiewohl, das iſt mein troſt, den ich noch hier erwerbe,
Der mich in ſtiller luſt dem blaſſen tode giebt:
Daß, weil mein kuͤhner geiſt dich, ſchoͤnſtes kind! geliebt,
Jch blos aus tieffer ehr-furcht ſterbe.



Grabſchrifft eines geſcheuten harlequin.
JCh lachte ſelber nicht; und doch hab ich gemacht,
Daß vieler thoren mund ihr eigen thun belacht.
Und alſo that ich mehr, als ein Democritus:
Wie kommt es, daß er weiſ’, ich naͤrriſch, heiſſen muß.


Die nachtigall im gebauer.
Aus dem Franzoͤſiſchen des Herꝛn du Trouſſer.
DJe muntre nachtigall, vor derer holdem ſingen
Die andern voͤgel ſich nicht wuſten aufzuſchwingen,
Bekam
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>
                <pb facs="#f0378" n="354"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Und die flu&#x0364;gel &#x017F;einer liebe nur an leichte worte bindet;</l><lb/>
              <l>Denn die&#x017F;es heißt ein haus auf &#x017F;and und wellen baun.</l><lb/>
              <l>Vermaß &#x017F;ich Thyr&#x017F;is nicht, dir ewig treu zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Als er mit angenommnen klagen</l><lb/>
              <l>Dich na&#x0364;ch&#x017F;t dahin gebracht, ihm gegen-liebe zuzu&#x017F;agen?</l><lb/>
              <l>Jtzt &#x017F;chaut er dich kaum u&#x0364;ber ach&#x017F;el an.</l><lb/>
              <l>Allzugetreues hertze!</l><lb/>
              <l>Werd&#x2019; ein&#x017F;t mit &#x017F;chaden klug!</l><lb/>
              <l>Einmahl betrogen &#x017F;eyn, i&#x017F;t warlich gar genug.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ach! Floris! &#x017F;olte&#x017F;t du noch dermahlein&#x017F;t erfahren,</l><lb/>
              <l>Wie deiner &#x017F;cho&#x0364;nheit licht mein hertz in a&#x017F;che kehrt;</l><lb/>
              <l>Jch weiß, du wu&#x0364;rde&#x017F;t noch,</l><lb/>
              <l>Wenn meine glieder &#x017F;ich &#x017F;chon mit dem &#x017F;ande paaren,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie der wu&#x0364;rmer mund verzehrt,</l><lb/>
              <l>Mitleiden mit mir tragen.</l><lb/>
              <l>Ko&#x0364;nnt&#x2019; es doch mo&#x0364;glich &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Und dir, wo nicht ein men&#x017F;ch, doch nur ein kalter &#x017F;tein,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne nachricht &#x017F;agen,</l><lb/>
              <l>Warum dein Seladon &#x017F;o bald verfallen i&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Allein, es geht unmo&#x0364;glich an,</l><lb/>
              <l>Weil das, was niemand weiß, auch niemand melden kan.</l><lb/>
              <l>Wiewohl, das i&#x017F;t mein tro&#x017F;t, den ich noch hier erwerbe,</l><lb/>
              <l>Der mich in &#x017F;tiller lu&#x017F;t dem bla&#x017F;&#x017F;en tode giebt:</l><lb/>
              <l>Daß, weil mein ku&#x0364;hner gei&#x017F;t dich, &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;tes kind! geliebt,</l><lb/>
              <l>Jch blos aus tieffer ehr-furcht &#x017F;terbe.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Grab&#x017F;chrifft eines ge&#x017F;cheuten harlequin.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">J</hi>Ch lachte &#x017F;elber nicht; und doch hab ich gemacht,</l><lb/>
            <l>Daß vieler thoren mund ihr eigen thun belacht.</l><lb/>
            <l>Und al&#x017F;o that ich mehr, als ein Democritus:</l><lb/>
            <l>Wie kommt es, daß er wei&#x017F;&#x2019;, ich na&#x0364;rri&#x017F;ch, hei&#x017F;&#x017F;en muß.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#b">Die nachtigall im gebauer.</hi><lb/>
Aus dem Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen des Her&#xA75B;n <hi rendition="#aq">du Trou&#x017F;&#x017F;er.</hi></head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>Je muntre nachtigall, vor derer holdem &#x017F;ingen</l><lb/>
              <l>Die andern vo&#x0364;gel &#x017F;ich nicht wu&#x017F;ten aufzu&#x017F;chwingen,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Bekam</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0378] Leanders aus Schleſien Und die fluͤgel ſeiner liebe nur an leichte worte bindet; Denn dieſes heißt ein haus auf ſand und wellen baun. Vermaß ſich Thyrſis nicht, dir ewig treu zu ſeyn, Als er mit angenommnen klagen Dich naͤchſt dahin gebracht, ihm gegen-liebe zuzuſagen? Jtzt ſchaut er dich kaum uͤber achſel an. Allzugetreues hertze! Werd’ einſt mit ſchaden klug! Einmahl betrogen ſeyn, iſt warlich gar genug. Ach! Floris! ſolteſt du noch dermahleinſt erfahren, Wie deiner ſchoͤnheit licht mein hertz in aſche kehrt; Jch weiß, du wuͤrdeſt noch, Wenn meine glieder ſich ſchon mit dem ſande paaren, Und ſie der wuͤrmer mund verzehrt, Mitleiden mit mir tragen. Koͤnnt’ es doch moͤglich ſeyn, Und dir, wo nicht ein menſch, doch nur ein kalter ſtein, Die ſchoͤne nachricht ſagen, Warum dein Seladon ſo bald verfallen iſt! Allein, es geht unmoͤglich an, Weil das, was niemand weiß, auch niemand melden kan. Wiewohl, das iſt mein troſt, den ich noch hier erwerbe, Der mich in ſtiller luſt dem blaſſen tode giebt: Daß, weil mein kuͤhner geiſt dich, ſchoͤnſtes kind! geliebt, Jch blos aus tieffer ehr-furcht ſterbe. Grabſchrifft eines geſcheuten harlequin. JCh lachte ſelber nicht; und doch hab ich gemacht, Daß vieler thoren mund ihr eigen thun belacht. Und alſo that ich mehr, als ein Democritus: Wie kommt es, daß er weiſ’, ich naͤrriſch, heiſſen muß. Die nachtigall im gebauer. Aus dem Franzoͤſiſchen des Herꝛn du Trouſſer. DJe muntre nachtigall, vor derer holdem ſingen Die andern voͤgel ſich nicht wuſten aufzuſchwingen, Bekam

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/378
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/378>, abgerufen am 23.11.2024.