Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
So ist sie es doch nur zum scheine:
Denn ihre thränen sind nicht ihre, sondern meine.


Leanders abschied von Floretten.
LEander, dem vorlängst an Dobroborens quellen
Der vorsatz, sich nur blos der weißheit heimzustellen,
Die süsse poesie durchaus versaltzen hat;
Kam dennoch, als ihn nächst sein liebster Thirsis hat:
Er möchte doch mit ihm in fremde felder schauen!
Auf einen andern sinn; Jndem er aus den auen,
Die ihn bißher ergetzt, an jenes ufer gieng,
Wo seine flöte noch an einer linde hieng,
Die er begierig nahm und in den stillen gründen,
Wo um Floretten sich die holden Musen finden,
Den abschied, der itzt folgt, in seine flöte sang,
Daß ufer, wald und feld von dem gethön erklang.
Ach! rief er: Zörnet nicht! zörnt nicht, gerechten sterne!
Daß ich mich wiederum von dem gelübd entferne!
Die sünd ist freylich gros; allein sie ist so schön,
Daß ich gezwungen bin, sie dennoch zu begehn,
Wenn eure strahlen auch zu scharffen blitzen würden.
Wiewohl! ihr thut es nicht; Jhr wißt wohl, daß die hürden
Der lieb und poesie brunn und behältniß sind:
Wenn nun die Hypocren' aus allen bächen rinnt,
Und eine schäferin die alten funcken rühret,
Die nebst der lieblichkeit verstand und tugend zieret,
Wie kan es anders seyn, als daß Leanders hand
Die flöte, so sein mund aus andacht nächst verbannt,
Aus lieb itzt wieder nimmt? Doch nehm ich sie schon wieder;
So soll sie dennoch gleich, so bald die abschieds-lieder
Den reinen wunsch erfüllt, wie vor, verworffen seyn.
Jhr aber, feld und thal! nehmt meine klagen ein!
Und du, o wiederhall! laß sie Floretten hören!
Ach! daß die sternen doch der hoffnung schloß zerstören,
So der gedancken hand so sinnreich aufgebaut.
Du weist es, stiller wald! was ich dir anvertraut:
Jhr
Leanders aus Schleſien
So iſt ſie es doch nur zum ſcheine:
Denn ihre thraͤnen ſind nicht ihre, ſondern meine.


Leanders abſchied von Floretten.
LEander, dem vorlaͤngſt an Dobroborens quellen
Der vorſatz, ſich nur blos der weißheit heimzuſtellen,
Die ſuͤſſe poeſie durchaus verſaltzen hat;
Kam dennoch, als ihn naͤchſt ſein liebſter Thirſis hat:
Er moͤchte doch mit ihm in fremde felder ſchauen!
Auf einen andern ſinn; Jndem er aus den auen,
Die ihn bißher ergetzt, an jenes ufer gieng,
Wo ſeine floͤte noch an einer linde hieng,
Die er begierig nahm und in den ſtillen gruͤnden,
Wo um Floretten ſich die holden Muſen finden,
Den abſchied, der itzt folgt, in ſeine floͤte ſang,
Daß ufer, wald und feld von dem gethoͤn erklang.
Ach! rief er: Zoͤrnet nicht! zoͤrnt nicht, gerechten ſterne!
Daß ich mich wiederum von dem geluͤbd entferne!
Die ſuͤnd iſt freylich gros; allein ſie iſt ſo ſchoͤn,
Daß ich gezwungen bin, ſie dennoch zu begehn,
Wenn eure ſtrahlen auch zu ſcharffen blitzen wuͤrden.
Wiewohl! ihr thut es nicht; Jhr wißt wohl, daß die huͤrden
Der lieb und poeſie brunn und behaͤltniß ſind:
Wenn nun die Hypocren’ aus allen baͤchen rinnt,
Und eine ſchaͤferin die alten funcken ruͤhret,
Die nebſt der lieblichkeit verſtand und tugend zieret,
Wie kan es anders ſeyn, als daß Leanders hand
Die floͤte, ſo ſein mund aus andacht naͤchſt verbannt,
Aus lieb itzt wieder nimmt? Doch nehm ich ſie ſchon wieder;
So ſoll ſie dennoch gleich, ſo bald die abſchieds-lieder
Den reinen wunſch erfuͤllt, wie vor, verworffen ſeyn.
Jhr aber, feld und thal! nehmt meine klagen ein!
Und du, o wiederhall! laß ſie Floretten hoͤren!
Ach! daß die ſternen doch der hoffnung ſchloß zerſtoͤren,
So der gedancken hand ſo ſinnreich aufgebaut.
Du weiſt es, ſtiller wald! was ich dir anvertraut:
Jhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0316" n="292"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
            <l>So i&#x017F;t &#x017F;ie es doch nur zum &#x017F;cheine:</l><lb/>
            <l>Denn ihre thra&#x0364;nen &#x017F;ind nicht ihre, &#x017F;ondern meine.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Leanders ab&#x017F;chied von Floretten.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">L</hi>Eander, dem vorla&#x0364;ng&#x017F;t an Dobroborens quellen</l><lb/>
            <l>Der vor&#x017F;atz, &#x017F;ich nur blos der weißheit heimzu&#x017F;tellen,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e poe&#x017F;ie durchaus ver&#x017F;altzen hat;</l><lb/>
            <l>Kam dennoch, als ihn na&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;ein lieb&#x017F;ter Thir&#x017F;is hat:</l><lb/>
            <l>Er mo&#x0364;chte doch mit ihm in fremde felder &#x017F;chauen!</l><lb/>
            <l>Auf einen andern &#x017F;inn; Jndem er aus den auen,</l><lb/>
            <l>Die ihn bißher ergetzt, an jenes ufer gieng,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;eine flo&#x0364;te noch an einer linde hieng,</l><lb/>
            <l>Die er begierig nahm und in den &#x017F;tillen gru&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>Wo um Floretten &#x017F;ich die holden Mu&#x017F;en finden,</l><lb/>
            <l>Den ab&#x017F;chied, der itzt folgt, in &#x017F;eine flo&#x0364;te &#x017F;ang,</l><lb/>
            <l>Daß ufer, wald und feld von dem getho&#x0364;n erklang.</l><lb/>
            <l>Ach! rief er: Zo&#x0364;rnet nicht! zo&#x0364;rnt nicht, gerechten &#x017F;terne!</l><lb/>
            <l>Daß ich mich wiederum von dem gelu&#x0364;bd entferne!</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;u&#x0364;nd i&#x017F;t freylich gros; allein &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
            <l>Daß ich gezwungen bin, &#x017F;ie dennoch zu begehn,</l><lb/>
            <l>Wenn eure &#x017F;trahlen auch zu &#x017F;charffen blitzen wu&#x0364;rden.</l><lb/>
            <l>Wiewohl! ihr thut es nicht; Jhr wißt wohl, daß die hu&#x0364;rden</l><lb/>
            <l>Der lieb und poe&#x017F;ie brunn und beha&#x0364;ltniß &#x017F;ind:</l><lb/>
            <l>Wenn nun die Hypocren&#x2019; aus allen ba&#x0364;chen rinnt,</l><lb/>
            <l>Und eine &#x017F;cha&#x0364;ferin die alten funcken ru&#x0364;hret,</l><lb/>
            <l>Die neb&#x017F;t der lieblichkeit ver&#x017F;tand und tugend zieret,</l><lb/>
            <l>Wie kan es anders &#x017F;eyn, als daß Leanders hand</l><lb/>
            <l>Die flo&#x0364;te, &#x017F;o &#x017F;ein mund aus andacht na&#x0364;ch&#x017F;t verbannt,</l><lb/>
            <l>Aus lieb itzt wieder nimmt? Doch nehm ich &#x017F;ie &#x017F;chon wieder;</l><lb/>
            <l>So &#x017F;oll &#x017F;ie dennoch gleich, &#x017F;o bald die ab&#x017F;chieds-lieder</l><lb/>
            <l>Den reinen wun&#x017F;ch erfu&#x0364;llt, wie vor, verworffen &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Jhr aber, feld und thal! nehmt meine klagen ein!</l><lb/>
            <l>Und du, o wiederhall! laß &#x017F;ie Floretten ho&#x0364;ren!</l><lb/>
            <l>Ach! daß die &#x017F;ternen doch der hoffnung &#x017F;chloß zer&#x017F;to&#x0364;ren,</l><lb/>
            <l>So der gedancken hand &#x017F;o &#x017F;innreich aufgebaut.</l><lb/>
            <l>Du wei&#x017F;t es, &#x017F;tiller wald! was ich dir anvertraut:</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jhr</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0316] Leanders aus Schleſien So iſt ſie es doch nur zum ſcheine: Denn ihre thraͤnen ſind nicht ihre, ſondern meine. Leanders abſchied von Floretten. LEander, dem vorlaͤngſt an Dobroborens quellen Der vorſatz, ſich nur blos der weißheit heimzuſtellen, Die ſuͤſſe poeſie durchaus verſaltzen hat; Kam dennoch, als ihn naͤchſt ſein liebſter Thirſis hat: Er moͤchte doch mit ihm in fremde felder ſchauen! Auf einen andern ſinn; Jndem er aus den auen, Die ihn bißher ergetzt, an jenes ufer gieng, Wo ſeine floͤte noch an einer linde hieng, Die er begierig nahm und in den ſtillen gruͤnden, Wo um Floretten ſich die holden Muſen finden, Den abſchied, der itzt folgt, in ſeine floͤte ſang, Daß ufer, wald und feld von dem gethoͤn erklang. Ach! rief er: Zoͤrnet nicht! zoͤrnt nicht, gerechten ſterne! Daß ich mich wiederum von dem geluͤbd entferne! Die ſuͤnd iſt freylich gros; allein ſie iſt ſo ſchoͤn, Daß ich gezwungen bin, ſie dennoch zu begehn, Wenn eure ſtrahlen auch zu ſcharffen blitzen wuͤrden. Wiewohl! ihr thut es nicht; Jhr wißt wohl, daß die huͤrden Der lieb und poeſie brunn und behaͤltniß ſind: Wenn nun die Hypocren’ aus allen baͤchen rinnt, Und eine ſchaͤferin die alten funcken ruͤhret, Die nebſt der lieblichkeit verſtand und tugend zieret, Wie kan es anders ſeyn, als daß Leanders hand Die floͤte, ſo ſein mund aus andacht naͤchſt verbannt, Aus lieb itzt wieder nimmt? Doch nehm ich ſie ſchon wieder; So ſoll ſie dennoch gleich, ſo bald die abſchieds-lieder Den reinen wunſch erfuͤllt, wie vor, verworffen ſeyn. Jhr aber, feld und thal! nehmt meine klagen ein! Und du, o wiederhall! laß ſie Floretten hoͤren! Ach! daß die ſternen doch der hoffnung ſchloß zerſtoͤren, So der gedancken hand ſo ſinnreich aufgebaut. Du weiſt es, ſtiller wald! was ich dir anvertraut: Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/316
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/316>, abgerufen am 27.11.2024.