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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Als Herr Christoph Ferdinand Kamper
an. 1706 den gradum Doctoris beyder Rechten
erhielt, im nahmen der in Jena
studierenden Schlesier.

E. G.
BEglückte Themis-burg! dein grund muß ewig stehn,
Und wird durch keinen sturm der zeiten umgerissen,
So lang als räthe noch in deinen thoren gehn,
Die recht und billichkeit geschickt zu handeln wissen.
Ob ein Lycurgus schon vorlängst vermodert ist,
Und Numa seinen glantz in asch und staub verschliest:
So trägt doch unsre zeit noch kluge Labeonen,
Bey denen recht und licht, als treue schwestern, wohnen.


Es will das theure recht nicht blind gewogen seyn:
Man muß hier gantz genau das gleich-gewichte kennen;
Drum stimmt ein kluger nicht in schluß und urtheil ein,
Wo statt des rechten lichts geborgte lampen brennen.
Die wahrheit, so man nur mit fremden augen sieht,
Gleicht schätzen, die ein traum aus falschen bergen zieht;
Und die, wie Capito, blos auf die alten trauen,
Bekommen nur den schaum der rechte zu beschauen.


Wer die gelehrsamkeit nicht blos nach brode mißt,
Sucht tieffer in die klufft derselben einzudringen:
Und weil man sonsten leicht den rechten grund vergißt,
So muß sich der verstand zuerst in ordnung bringen.
Das zeigt der weisen kunst, so regeln ausgedacht,
Nach denen unser geist bewährte schlüsse macht:
Die öffnet ihm das thor in den entfernten thronen,
Wo die vernunfft regiert, und recht und wahrheit wohnen.


Doch kan die wahrheit nicht entblößt von tugend seyn;
Denn wer die laster soll mit strengen strafen rächen,
Und
VI. Theil. R
Vermiſchte Getichte.
Als Herꝛ Chriſtoph Ferdinand Kamper
an. 1706 den gradum Doctoris beyder Rechten
erhielt, im nahmen der in Jena
ſtudierenden Schleſier.

E. G.
BEgluͤckte Themis-burg! dein grund muß ewig ſtehn,
Und wird durch keinen ſturm der zeiten umgeriſſen,
So lang als raͤthe noch in deinen thoren gehn,
Die recht und billichkeit geſchickt zu handeln wiſſen.
Ob ein Lycurgus ſchon vorlaͤngſt vermodert iſt,
Und Numa ſeinen glantz in aſch und ſtaub verſchlieſt:
So traͤgt doch unſre zeit noch kluge Labeonen,
Bey denen recht und licht, als treue ſchweſtern, wohnen.


Es will das theure recht nicht blind gewogen ſeyn:
Man muß hier gantz genau das gleich-gewichte kennen;
Drum ſtimmt ein kluger nicht in ſchluß und urtheil ein,
Wo ſtatt des rechten lichts geborgte lampen brennen.
Die wahrheit, ſo man nur mit fremden augen ſieht,
Gleicht ſchaͤtzen, die ein traum aus falſchen bergen zieht;
Und die, wie Capito, blos auf die alten trauen,
Bekommen nur den ſchaum der rechte zu beſchauen.


Wer die gelehrſamkeit nicht blos nach brode mißt,
Sucht tieffer in die klufft derſelben einzudringen:
Und weil man ſonſten leicht den rechten grund vergißt,
So muß ſich der verſtand zuerſt in ordnung bringen.
Das zeigt der weiſen kunſt, ſo regeln ausgedacht,
Nach denen unſer geiſt bewaͤhrte ſchluͤſſe macht:
Die oͤffnet ihm das thor in den entfernten thronen,
Wo die vernunfft regiert, und recht und wahrheit wohnen.


Doch kan die wahrheit nicht entbloͤßt von tugend ſeyn;
Denn wer die laſter ſoll mit ſtrengen ſtrafen raͤchen,
Und
VI. Theil. R
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[257/0281] Vermiſchte Getichte. Als Herꝛ Chriſtoph Ferdinand Kamper an. 1706 den gradum Doctoris beyder Rechten erhielt, im nahmen der in Jena ſtudierenden Schleſier. E. G. BEgluͤckte Themis-burg! dein grund muß ewig ſtehn, Und wird durch keinen ſturm der zeiten umgeriſſen, So lang als raͤthe noch in deinen thoren gehn, Die recht und billichkeit geſchickt zu handeln wiſſen. Ob ein Lycurgus ſchon vorlaͤngſt vermodert iſt, Und Numa ſeinen glantz in aſch und ſtaub verſchlieſt: So traͤgt doch unſre zeit noch kluge Labeonen, Bey denen recht und licht, als treue ſchweſtern, wohnen. Es will das theure recht nicht blind gewogen ſeyn: Man muß hier gantz genau das gleich-gewichte kennen; Drum ſtimmt ein kluger nicht in ſchluß und urtheil ein, Wo ſtatt des rechten lichts geborgte lampen brennen. Die wahrheit, ſo man nur mit fremden augen ſieht, Gleicht ſchaͤtzen, die ein traum aus falſchen bergen zieht; Und die, wie Capito, blos auf die alten trauen, Bekommen nur den ſchaum der rechte zu beſchauen. Wer die gelehrſamkeit nicht blos nach brode mißt, Sucht tieffer in die klufft derſelben einzudringen: Und weil man ſonſten leicht den rechten grund vergißt, So muß ſich der verſtand zuerſt in ordnung bringen. Das zeigt der weiſen kunſt, ſo regeln ausgedacht, Nach denen unſer geiſt bewaͤhrte ſchluͤſſe macht: Die oͤffnet ihm das thor in den entfernten thronen, Wo die vernunfft regiert, und recht und wahrheit wohnen. Doch kan die wahrheit nicht entbloͤßt von tugend ſeyn; Denn wer die laſter ſoll mit ſtrengen ſtrafen raͤchen, Und VI. Theil. R

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/281>, abgerufen am 26.06.2024.