Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Getichte.
Auf eben denselben.
E. G.
WJe fische, die der strom am ufer ausgelegt,
Nach dünner kühlungs-lufft mit vollem halse schnappen;
So sind wir, wenn der wind der hoffnung uns bewegt:
Wir mühn uns, rauch und dampf statt wollust zu ertappen.
Den schliest der liebes-wurm in thorheits-fessel ein:
Ein Midas will sich nur am koth von golde freun:
Die aber, so hievon nicht brillen-glas bekommen,
Die werden von dem schein der ehren eingenommen.


Bald schicket man die lust mit vögeln durch die lufft:
Dem soll ein hund und pferd vergnügungs-zucker schaffen:
Und wenn das jäger-horn uns keine hasen rufft,
So hängen wir uns gar an katzen und an affen.
Jn summa, jeder sucht ein fremdes element,
Biß man, wie motten, sich am lichte selbst verbrennt;
Wo aber Thales uns soll weise lehren geben:
So wird die schönste lust bey kühlen brunnen leben.


Aus brunnen quillt der leim, durch den die welt gebaut:
Jm brunnen liegt das bild der sterblichen begraben;
Wer da sein conterfait nicht wie Actäon schaut,
Der kan nicht an sich selbst verdruß und eckel haben:
Wenn königs-töchter auch nach tieffen quellen sehn,
Wie zu Fontainebleau von Claudia geschehn:
So mag man den mit recht zum Cerbero verkauffen,
Der nichts beliebtes sieht aus Thetis adern lauffen.


Diß hat der kluge geist desjenigen bedacht,
Der einst Minervens bild ließ in das wasser stellen,
Wobey der pinsel noch viel artig zeug gemacht,
Mit dieser überschrifft: Hier muß vergnügung quellen.
Gewiß! hat wo ein bild ein ding recht ausgedrückt,
So ist es dieser hand vor andern wohl geglückt.
Denn seht: Die weißheit ist aus liebendem verlangen
Der menschen schimmer auch ins wasser nachgegangen.
Jhr
Vermiſchte Getichte.
Auf eben denſelben.
E. G.
WJe fiſche, die der ſtrom am ufer ausgelegt,
Nach duͤnner kuͤhlungs-lufft mit vollem halſe ſchnappen;
So ſind wir, wenn der wind der hoffnung uns bewegt:
Wir muͤhn uns, rauch und dampf ſtatt wolluſt zu ertappen.
Den ſchlieſt der liebes-wurm in thorheits-feſſel ein:
Ein Midas will ſich nur am koth von golde freun:
Die aber, ſo hievon nicht brillen-glas bekommen,
Die werden von dem ſchein der ehren eingenommen.


Bald ſchicket man die luſt mit voͤgeln durch die lufft:
Dem ſoll ein hund und pferd vergnuͤgungs-zucker ſchaffen:
Und wenn das jaͤger-horn uns keine haſen rufft,
So haͤngen wir uns gar an katzen und an affen.
Jn ſumma, jeder ſucht ein fremdes element,
Biß man, wie motten, ſich am lichte ſelbſt verbrennt;
Wo aber Thales uns ſoll weiſe lehren geben:
So wird die ſchoͤnſte luſt bey kuͤhlen brunnen leben.


Aus brunnen quillt der leim, durch den die welt gebaut:
Jm brunnen liegt das bild der ſterblichen begraben;
Wer da ſein conterfait nicht wie Actaͤon ſchaut,
Der kan nicht an ſich ſelbſt verdruß und eckel haben:
Wenn koͤnigs-toͤchter auch nach tieffen quellen ſehn,
Wie zu Fontainebleau von Claudia geſchehn:
So mag man den mit recht zum Cerbero verkauffen,
Der nichts beliebtes ſieht aus Thetis adern lauffen.


Diß hat der kluge geiſt desjenigen bedacht,
Der einſt Minervens bild ließ in das waſſer ſtellen,
Wobey der pinſel noch viel artig zeug gemacht,
Mit dieſer uͤberſchrifft: Hier muß vergnuͤgung quellen.
Gewiß! hat wo ein bild ein ding recht ausgedruͤckt,
So iſt es dieſer hand vor andern wohl gegluͤckt.
Denn ſeht: Die weißheit iſt aus liebendem verlangen
Der menſchen ſchimmer auch ins waſſer nachgegangen.
Jhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0272" n="248"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#b">Auf eben den&#x017F;elben.</hi><lb/>
E. G.</head><lb/>
            <lg n="10">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>Je fi&#x017F;che, die der &#x017F;trom am ufer ausgelegt,</l><lb/>
              <l>Nach du&#x0364;nner ku&#x0364;hlungs-lufft mit vollem hal&#x017F;e &#x017F;chnappen;</l><lb/>
              <l>So &#x017F;ind wir, wenn der wind der hoffnung uns bewegt:</l><lb/>
              <l>Wir mu&#x0364;hn uns, rauch und dampf &#x017F;tatt wollu&#x017F;t zu ertappen.</l><lb/>
              <l>Den &#x017F;chlie&#x017F;t der liebes-wurm in thorheits-fe&#x017F;&#x017F;el ein:</l><lb/>
              <l>Ein Midas will &#x017F;ich nur am koth von golde freun:</l><lb/>
              <l>Die aber, &#x017F;o hievon nicht brillen-glas bekommen,</l><lb/>
              <l>Die werden von dem &#x017F;chein der ehren eingenommen.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Bald &#x017F;chicket man die lu&#x017F;t mit vo&#x0364;geln durch die lufft:</l><lb/>
              <l>Dem &#x017F;oll ein hund und pferd vergnu&#x0364;gungs-zucker &#x017F;chaffen:</l><lb/>
              <l>Und wenn das ja&#x0364;ger-horn uns keine ha&#x017F;en rufft,</l><lb/>
              <l>So ha&#x0364;ngen wir uns gar an katzen und an affen.</l><lb/>
              <l>Jn &#x017F;umma, jeder &#x017F;ucht ein fremdes element,</l><lb/>
              <l>Biß man, wie motten, &#x017F;ich am lichte &#x017F;elb&#x017F;t verbrennt;</l><lb/>
              <l>Wo aber Thales uns &#x017F;oll wei&#x017F;e lehren geben:</l><lb/>
              <l>So wird die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te lu&#x017F;t bey ku&#x0364;hlen brunnen leben.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Aus brunnen quillt der leim, durch den die welt gebaut:</l><lb/>
              <l>Jm brunnen liegt das bild der &#x017F;terblichen begraben;</l><lb/>
              <l>Wer da &#x017F;ein conterfait nicht wie Acta&#x0364;on &#x017F;chaut,</l><lb/>
              <l>Der kan nicht an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verdruß und eckel haben:</l><lb/>
              <l>Wenn ko&#x0364;nigs-to&#x0364;chter auch nach tieffen quellen &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Wie zu Fontainebleau von Claudia ge&#x017F;chehn:</l><lb/>
              <l>So mag man den mit recht zum <hi rendition="#aq">Cerbero</hi> verkauffen,</l><lb/>
              <l>Der nichts beliebtes &#x017F;ieht aus Thetis adern lauffen.</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg n="13">
              <l>Diß hat der kluge gei&#x017F;t desjenigen bedacht,</l><lb/>
              <l>Der ein&#x017F;t Minervens bild ließ in das wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tellen,</l><lb/>
              <l>Wobey der pin&#x017F;el noch viel artig zeug gemacht,</l><lb/>
              <l>Mit die&#x017F;er u&#x0364;ber&#x017F;chrifft: Hier muß vergnu&#x0364;gung quellen.</l><lb/>
              <l>Gewiß! hat wo ein bild ein ding recht ausgedru&#x0364;ckt,</l><lb/>
              <l>So i&#x017F;t es die&#x017F;er hand vor andern wohl geglu&#x0364;ckt.</l><lb/>
              <l>Denn &#x017F;eht: Die weißheit i&#x017F;t aus liebendem verlangen</l><lb/>
              <l>Der men&#x017F;chen &#x017F;chimmer auch ins wa&#x017F;&#x017F;er nachgegangen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jhr</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0272] Vermiſchte Getichte. Auf eben denſelben. E. G. WJe fiſche, die der ſtrom am ufer ausgelegt, Nach duͤnner kuͤhlungs-lufft mit vollem halſe ſchnappen; So ſind wir, wenn der wind der hoffnung uns bewegt: Wir muͤhn uns, rauch und dampf ſtatt wolluſt zu ertappen. Den ſchlieſt der liebes-wurm in thorheits-feſſel ein: Ein Midas will ſich nur am koth von golde freun: Die aber, ſo hievon nicht brillen-glas bekommen, Die werden von dem ſchein der ehren eingenommen. Bald ſchicket man die luſt mit voͤgeln durch die lufft: Dem ſoll ein hund und pferd vergnuͤgungs-zucker ſchaffen: Und wenn das jaͤger-horn uns keine haſen rufft, So haͤngen wir uns gar an katzen und an affen. Jn ſumma, jeder ſucht ein fremdes element, Biß man, wie motten, ſich am lichte ſelbſt verbrennt; Wo aber Thales uns ſoll weiſe lehren geben: So wird die ſchoͤnſte luſt bey kuͤhlen brunnen leben. Aus brunnen quillt der leim, durch den die welt gebaut: Jm brunnen liegt das bild der ſterblichen begraben; Wer da ſein conterfait nicht wie Actaͤon ſchaut, Der kan nicht an ſich ſelbſt verdruß und eckel haben: Wenn koͤnigs-toͤchter auch nach tieffen quellen ſehn, Wie zu Fontainebleau von Claudia geſchehn: So mag man den mit recht zum Cerbero verkauffen, Der nichts beliebtes ſieht aus Thetis adern lauffen. Diß hat der kluge geiſt desjenigen bedacht, Der einſt Minervens bild ließ in das waſſer ſtellen, Wobey der pinſel noch viel artig zeug gemacht, Mit dieſer uͤberſchrifft: Hier muß vergnuͤgung quellen. Gewiß! hat wo ein bild ein ding recht ausgedruͤckt, So iſt es dieſer hand vor andern wohl gegluͤckt. Denn ſeht: Die weißheit iſt aus liebendem verlangen Der menſchen ſchimmer auch ins waſſer nachgegangen. Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/272
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/272>, abgerufen am 18.05.2024.