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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Flüchtigkeit des menschlichen lebens.
MADRIGAL.
ES hat sonst alles seine zeit:
Der frühling darff nicht vor dem sommer sterben:
Den sommer kan nichts, als der herbst, verderben:
Der herbst weicht eher nicht, als biß der winter schneyt.
Allein der arme mensch,
Der billig, wie das jahr, vier alter solte leben:
Muß geist und leben offt, eh' er gelebt, hingeben.
Die kindheit stirbt, eh' sie die welt erblickt:
Die jugend, eh' sie uns läst ihre blüthe schauen:
Ein weib, eh' noch die frucht aus ihrem lager rückt.
Und also ist zwar allem hier zu trauen;
Nur unserm leben nicht.
Jedoch geduld! wir ändern nur den garten,
Und unser sonnen-licht;
Denn weil uns täglich hier an pflegung was gebricht,
So kan der himmel uns bey sich am besten warten.


Bey der zu Jena dem Herrn M. L. Weis-
senborn conferirten Adjunctur.

E. G.
JHr, die ihr in der welt mit weißheits-tituln prangt,
Und durch gelehrsamkeit auch bey der nach-welt lebet;
Habt den gepriesnen ruhm zwar mit verdienst erlangt:
Daß ihr den sterblichen geschickte segeln gebet;
Allein erzörnt euch nicht! Man muß es doch gestehn:
Es kan ein sprüchwort offt zehn büchern gleiche gehn;
Und wenn hat wohl ein spruch von euch so eingetroffen,
Als dieser: Daß die welt in meinungen ersoffen.


Wer bey der sonne nicht mit eulen-augen sieht,
Kan dieser wörter krafft auch von sich selbst erkennen;
Wem aber eigensinn der sinnen licht entzieht,
Dem würde man umsonst geborgte fackeln brennen.
Jndeß
Q 3
Vermiſchte Getichte.
Fluͤchtigkeit des menſchlichen lebens.
MADRIGAL.
ES hat ſonſt alles ſeine zeit:
Der fruͤhling darff nicht vor dem ſommer ſterben:
Den ſommer kan nichts, als der herbſt, verderben:
Der herbſt weicht eher nicht, als biß der winter ſchneyt.
Allein der arme menſch,
Der billig, wie das jahr, vier alter ſolte leben:
Muß geiſt und leben offt, eh’ er gelebt, hingeben.
Die kindheit ſtirbt, eh’ ſie die welt erblickt:
Die jugend, eh’ ſie uns laͤſt ihre bluͤthe ſchauen:
Ein weib, eh’ noch die frucht aus ihrem lager ruͤckt.
Und alſo iſt zwar allem hier zu trauen;
Nur unſerm leben nicht.
Jedoch geduld! wir aͤndern nur den garten,
Und unſer ſonnen-licht;
Denn weil uns taͤglich hier an pflegung was gebricht,
So kan der himmel uns bey ſich am beſten warten.


Bey der zu Jena dem Herꝛn M. L. Weiſ-
ſenborn conferirten Adjunctur.

E. G.
JHr, die ihr in der welt mit weißheits-tituln prangt,
Und durch gelehrſamkeit auch bey der nach-welt lebet;
Habt den geprieſnen ruhm zwar mit verdienſt erlangt:
Daß ihr den ſterblichen geſchickte ſegeln gebet;
Allein erzoͤrnt euch nicht! Man muß es doch geſtehn:
Es kan ein ſpruͤchwort offt zehn buͤchern gleiche gehn;
Und wenn hat wohl ein ſpruch von euch ſo eingetroffen,
Als dieſer: Daß die welt in meinungen erſoffen.


Wer bey der ſonne nicht mit eulen-augen ſieht,
Kan dieſer woͤrter krafft auch von ſich ſelbſt erkennen;
Wem aber eigenſinn der ſinnen licht entzieht,
Dem wuͤrde man umſonſt geborgte fackeln brennen.
Jndeß
Q 3
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[245/0269] Vermiſchte Getichte. Fluͤchtigkeit des menſchlichen lebens. MADRIGAL. ES hat ſonſt alles ſeine zeit: Der fruͤhling darff nicht vor dem ſommer ſterben: Den ſommer kan nichts, als der herbſt, verderben: Der herbſt weicht eher nicht, als biß der winter ſchneyt. Allein der arme menſch, Der billig, wie das jahr, vier alter ſolte leben: Muß geiſt und leben offt, eh’ er gelebt, hingeben. Die kindheit ſtirbt, eh’ ſie die welt erblickt: Die jugend, eh’ ſie uns laͤſt ihre bluͤthe ſchauen: Ein weib, eh’ noch die frucht aus ihrem lager ruͤckt. Und alſo iſt zwar allem hier zu trauen; Nur unſerm leben nicht. Jedoch geduld! wir aͤndern nur den garten, Und unſer ſonnen-licht; Denn weil uns taͤglich hier an pflegung was gebricht, So kan der himmel uns bey ſich am beſten warten. Bey der zu Jena dem Herꝛn M. L. Weiſ- ſenborn conferirten Adjunctur. E. G. JHr, die ihr in der welt mit weißheits-tituln prangt, Und durch gelehrſamkeit auch bey der nach-welt lebet; Habt den geprieſnen ruhm zwar mit verdienſt erlangt: Daß ihr den ſterblichen geſchickte ſegeln gebet; Allein erzoͤrnt euch nicht! Man muß es doch geſtehn: Es kan ein ſpruͤchwort offt zehn buͤchern gleiche gehn; Und wenn hat wohl ein ſpruch von euch ſo eingetroffen, Als dieſer: Daß die welt in meinungen erſoffen. Wer bey der ſonne nicht mit eulen-augen ſieht, Kan dieſer woͤrter krafft auch von ſich ſelbſt erkennen; Wem aber eigenſinn der ſinnen licht entzieht, Dem wuͤrde man umſonſt geborgte fackeln brennen. Jndeß Q 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/269>, abgerufen am 25.11.2024.