Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Vermischte Getichte. Was man begehrt von dir, das wird uns gleich gewährt,Und offt noch mehr gewährt, als man von dir begehrt. Du zeigest dich betrübt, wenn eine stund verflossen, Jn der dein unterthan nichts gutes hat genossen. Dein gros-gesinnter geist richt sich nach keiner zahl: Er schencket ohne maas: Er giebet auf einmahl; Drum muß man billich ihn der sonnen ähnlich preisen, Die allzeit unzertheilt der welt sich pflegt zu weisen, Und etwan ihren glantz nicht einem nur gewährt, Nein, sondern ihre gunst auf alle menschen kehrt. Auf alle? Doch was angst hat mir den sinn benommen! Jch will, und kan doch nicht, ich kan nicht weiter kommen. Auf alle? Zürne nicht, wenn die erinnrung mir Bey diesen worten itzt stellt meinen jammer für. Wenn ich vor deinem thron erblasset niederfalle, Und kläglich seufftzen muß: Auf uns nicht; sonst auf alle. Gerechter Leopold! ach! bist du allgemein: Wie kommt es denn, daß wir von dir vergessen seyn? Doch schwartzer wolcken-dunst kan sonnen-klarheit schwärtzen; Jch fürchte gleiche noth bey deinem vater-hertzen: Jch fürchte, daß der sturm des neides uns berührt, Und unsre seufftzer weit von deinen ohren führt. Drum, blasse schmertzen! kommt verhungert und zerrissen! Begleitet mich itzund zu meines kaysers füssen! Schau, grosser Potentat! diß ist die krieges-schaar, Die vor so gros, so schön, und so gefürchtet war. Betrachte, was wir seynd, und was wir seynd gewesen! Ein volck, das Cäsar selbst zum heer hätt' auserlesen; Jtzund ein schatten-bild, das um die gräber schwebt, Und nur aus liebe noch zu dir ein wenig lebt. Diß sind wir, wenn wir nichts als unser elend schauen: Wann, näher uns zu sehn, die feinde sich nicht trauen; Doch wenn man lermen schlägt, und zu den waffen schreyt: So sieht man durch die krafft der wahren tapfferkeit Diß matte todten-bild zum wunderwerck der erden, Ein unbesiegtes heer von lauter helden werden. Ach! P 5
Vermiſchte Getichte. Was man begehrt von dir, das wird uns gleich gewaͤhrt,Und offt noch mehr gewaͤhrt, als man von dir begehrt. Du zeigeſt dich betruͤbt, wenn eine ſtund verfloſſen, Jn der dein unterthan nichts gutes hat genoſſen. Dein gros-geſinnter geiſt richt ſich nach keiner zahl: Er ſchencket ohne maas: Er giebet auf einmahl; Drum muß man billich ihn der ſonnen aͤhnlich preiſen, Die allzeit unzertheilt der welt ſich pflegt zu weiſen, Und etwan ihren glantz nicht einem nur gewaͤhrt, Nein, ſondern ihre gunſt auf alle menſchen kehrt. Auf alle? Doch was angſt hat mir den ſinn benommen! Jch will, und kan doch nicht, ich kan nicht weiter kommen. Auf alle? Zuͤrne nicht, wenn die erinnrung mir Bey dieſen worten itzt ſtellt meinen jammer fuͤr. Wenn ich vor deinem thron erblaſſet niederfalle, Und klaͤglich ſeufftzen muß: Auf uns nicht; ſonſt auf alle. Gerechter Leopold! ach! biſt du allgemein: Wie kommt es denn, daß wir von dir vergeſſen ſeyn? Doch ſchwartzer wolcken-dunſt kan ſonnen-klarheit ſchwaͤrtzen; Jch fuͤrchte gleiche noth bey deinem vater-hertzen: Jch fuͤrchte, daß der ſturm des neides uns beruͤhrt, Und unſre ſeufftzer weit von deinen ohren fuͤhrt. Drum, blaſſe ſchmertzen! kommt verhungert und zerriſſen! Begleitet mich itzund zu meines kayſers fuͤſſen! Schau, groſſer Potentat! diß iſt die krieges-ſchaar, Die vor ſo gros, ſo ſchoͤn, und ſo gefuͤrchtet war. Betrachte, was wir ſeynd, und was wir ſeynd geweſen! Ein volck, das Caͤſar ſelbſt zum heer haͤtt’ auserleſen; Jtzund ein ſchatten-bild, das um die graͤber ſchwebt, Und nur aus liebe noch zu dir ein wenig lebt. Diß ſind wir, wenn wir nichts als unſer elend ſchauen: Wann, naͤher uns zu ſehn, die feinde ſich nicht trauen; Doch wenn man lermen ſchlaͤgt, und zu den waffen ſchreyt: So ſieht man durch die krafft der wahren tapfferkeit Diß matte todten-bild zum wunderwerck der erden, Ein unbeſiegtes heer von lauter helden werden. Ach! P 5
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Vermiſchte Getichte.
Was man begehrt von dir, das wird uns gleich gewaͤhrt,
Und offt noch mehr gewaͤhrt, als man von dir begehrt.
Du zeigeſt dich betruͤbt, wenn eine ſtund verfloſſen,
Jn der dein unterthan nichts gutes hat genoſſen.
Dein gros-geſinnter geiſt richt ſich nach keiner zahl:
Er ſchencket ohne maas: Er giebet auf einmahl;
Drum muß man billich ihn der ſonnen aͤhnlich preiſen,
Die allzeit unzertheilt der welt ſich pflegt zu weiſen,
Und etwan ihren glantz nicht einem nur gewaͤhrt,
Nein, ſondern ihre gunſt auf alle menſchen kehrt.
Auf alle? Doch was angſt hat mir den ſinn benommen!
Jch will, und kan doch nicht, ich kan nicht weiter kommen.
Auf alle? Zuͤrne nicht, wenn die erinnrung mir
Bey dieſen worten itzt ſtellt meinen jammer fuͤr.
Wenn ich vor deinem thron erblaſſet niederfalle,
Und klaͤglich ſeufftzen muß: Auf uns nicht; ſonſt auf alle.
Gerechter Leopold! ach! biſt du allgemein:
Wie kommt es denn, daß wir von dir vergeſſen ſeyn?
Doch ſchwartzer wolcken-dunſt kan ſonnen-klarheit ſchwaͤrtzen;
Jch fuͤrchte gleiche noth bey deinem vater-hertzen:
Jch fuͤrchte, daß der ſturm des neides uns beruͤhrt,
Und unſre ſeufftzer weit von deinen ohren fuͤhrt.
Drum, blaſſe ſchmertzen! kommt verhungert und zerriſſen!
Begleitet mich itzund zu meines kayſers fuͤſſen!
Schau, groſſer Potentat! diß iſt die krieges-ſchaar,
Die vor ſo gros, ſo ſchoͤn, und ſo gefuͤrchtet war.
Betrachte, was wir ſeynd, und was wir ſeynd geweſen!
Ein volck, das Caͤſar ſelbſt zum heer haͤtt’ auserleſen;
Jtzund ein ſchatten-bild, das um die graͤber ſchwebt,
Und nur aus liebe noch zu dir ein wenig lebt.
Diß ſind wir, wenn wir nichts als unſer elend ſchauen:
Wann, naͤher uns zu ſehn, die feinde ſich nicht trauen;
Doch wenn man lermen ſchlaͤgt, und zu den waffen ſchreyt:
So ſieht man durch die krafft der wahren tapfferkeit
Diß matte todten-bild zum wunderwerck der erden,
Ein unbeſiegtes heer von lauter helden werden.
Ach!
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