Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Auf das absterben eben derselben, JHr, die ihr euch den wahn der welt verblenden lasset,im nahmen anderer. G. S. Und den verkehrten schluß in die gedancken fasset, Die wahre gottesfurcht sey lauter fantasey, Schaut unsre Stryckin an! Jhr tugend-volles leben Kan euch in dieser nacht ein helles licht abgeben, Jch weiß, es fällt euch dann ein ander urtheil bey. Wir geben gerne zu: Daß in Egyptens wüsten Mehr molch und crocodil, als fromme tauben, nisten: Und daß die frömmigkeit ein seltner vogel ist. Wir geben gerne nach: Daß menschen ihre flecken Mit einem blossen schein, und sich mit masquen decken, So daß man offt den wolff selbst vor ein schaf erkiest. Doch falscher purpur kan nicht ächtem purpur gleichen: Es wird kein schlechter stein den diamant erreichen, So sehr ihn auch die kunst mit folgen helffen kan. Man muß die geister nur recht auf die probe stellen. Man kennt die worte schon, die aus den hertzen quellen, Die wercke geben bald den Pharisäer an. Der Stryckin, deren leib hier auf dem sarge lieget, Der Stryckin, deren geist die höchste ruh vergnüget, Der Stryckin gottesfurcht hielt alle proben aus. Erwegt, wie sie gelebt! Jhr wandel liegt am tage. Der weisen urtheil crönt hier die gemeine sage: Der Stryckin hertze war kein übertünchtes haus. Bißweilen hüllt die noth uns in das kleid der tugend; Jhr schien des glückes gunst von ihrer grünen jugend, Von ihrer wiegen an, biß in die finstre grufft. Die mittel fehlten nicht, der welt sich zu bedienen, Man sah der ehren krantz um ihre schläfe grünen. Jndessen dämpfft ihr geist der eitlen regung dufft. Der hochmuth ist ihr nie in ihren kopff gestiegen, Sie hieß die prahlerey zu ihren füssen liegen, Und
Begraͤbniß-Getichte. Auf das abſterben eben derſelben, JHr, die ihr euch den wahn der welt verblenden laſſet,im nahmen anderer. G. S. Und den verkehrten ſchluß in die gedancken faſſet, Die wahre gottesfurcht ſey lauter fantaſey, Schaut unſre Stryckin an! Jhr tugend-volles leben Kan euch in dieſer nacht ein helles licht abgeben, Jch weiß, es faͤllt euch dann ein ander urtheil bey. Wir geben gerne zu: Daß in Egyptens wuͤſten Mehr molch und crocodil, als fromme tauben, niſten: Und daß die froͤmmigkeit ein ſeltner vogel iſt. Wir geben gerne nach: Daß menſchen ihre flecken Mit einem bloſſen ſchein, und ſich mit maſquen decken, So daß man offt den wolff ſelbſt vor ein ſchaf erkieſt. Doch falſcher purpur kan nicht aͤchtem purpur gleichen: Es wird kein ſchlechter ſtein den diamant erreichen, So ſehr ihn auch die kunſt mit folgen helffen kan. Man muß die geiſter nur recht auf die probe ſtellen. Man kennt die worte ſchon, die aus den hertzen quellen, Die wercke geben bald den Phariſaͤer an. Der Stryckin, deren leib hier auf dem ſarge lieget, Der Stryckin, deren geiſt die hoͤchſte ruh vergnuͤget, Der Stryckin gottesfurcht hielt alle proben aus. Erwegt, wie ſie gelebt! Jhr wandel liegt am tage. Der weiſen urtheil croͤnt hier die gemeine ſage: Der Stryckin hertze war kein uͤbertuͤnchtes haus. Bißweilen huͤllt die noth uns in das kleid der tugend; Jhr ſchien des gluͤckes gunſt von ihrer gruͤnen jugend, Von ihrer wiegen an, biß in die finſtre grufft. Die mittel fehlten nicht, der welt ſich zu bedienen, Man ſah der ehren krantz um ihre ſchlaͤfe gruͤnen. Jndeſſen daͤmpfft ihr geiſt der eitlen regung dufft. Der hochmuth iſt ihr nie in ihren kopff geſtiegen, Sie hieß die prahlerey zu ihren fuͤſſen liegen, Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0215" n="191"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begraͤbniß-Getichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Auf das abſterben eben derſelben,<lb/> im nahmen anderer.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">G. S.</hi></hi></hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">J</hi>Hr, die ihr euch den wahn der welt verblenden laſſet,</l><lb/> <l>Und den verkehrten ſchluß in die gedancken faſſet,</l><lb/> <l>Die wahre gottesfurcht ſey lauter fantaſey,</l><lb/> <l>Schaut unſre Stryckin an! Jhr tugend-volles leben</l><lb/> <l>Kan euch in dieſer nacht ein helles licht abgeben,</l><lb/> <l>Jch weiß, es faͤllt euch dann ein ander urtheil bey.</l><lb/> <l>Wir geben gerne zu: Daß in Egyptens wuͤſten</l><lb/> <l>Mehr molch und crocodil, als fromme tauben, niſten:</l><lb/> <l>Und daß die froͤmmigkeit ein ſeltner vogel iſt.</l><lb/> <l>Wir geben gerne nach: Daß menſchen ihre flecken</l><lb/> <l>Mit einem bloſſen ſchein, und ſich mit maſquen decken,</l><lb/> <l>So daß man offt den wolff ſelbſt vor ein ſchaf erkieſt.</l><lb/> <l>Doch falſcher purpur kan nicht aͤchtem purpur gleichen:</l><lb/> <l>Es wird kein ſchlechter ſtein den diamant erreichen,</l><lb/> <l>So ſehr ihn auch die kunſt mit folgen helffen kan.</l><lb/> <l>Man muß die geiſter nur recht auf die probe ſtellen.</l><lb/> <l>Man kennt die worte ſchon, die aus den hertzen quellen,</l><lb/> <l>Die wercke geben bald den Phariſaͤer an.</l><lb/> <l>Der Stryckin, deren leib hier auf dem ſarge lieget,</l><lb/> <l>Der Stryckin, deren geiſt die hoͤchſte ruh vergnuͤget,</l><lb/> <l>Der Stryckin gottesfurcht hielt alle proben aus.</l><lb/> <l>Erwegt, wie ſie gelebt! Jhr wandel liegt am tage.</l><lb/> <l>Der weiſen urtheil croͤnt hier die gemeine ſage:</l><lb/> <l>Der Stryckin hertze war kein uͤbertuͤnchtes haus.</l><lb/> <l>Bißweilen huͤllt die noth uns in das kleid der tugend;</l><lb/> <l>Jhr ſchien des gluͤckes gunſt von ihrer gruͤnen jugend,</l><lb/> <l>Von ihrer wiegen an, biß in die finſtre grufft.</l><lb/> <l>Die mittel fehlten nicht, der welt ſich zu bedienen,</l><lb/> <l>Man ſah der ehren krantz um ihre ſchlaͤfe gruͤnen.</l><lb/> <l>Jndeſſen daͤmpfft ihr geiſt der eitlen regung dufft.</l><lb/> <l>Der hochmuth iſt ihr nie in ihren kopff geſtiegen,</l><lb/> <l>Sie hieß die prahlerey zu ihren fuͤſſen liegen,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [191/0215]
Begraͤbniß-Getichte.
Auf das abſterben eben derſelben,
im nahmen anderer.
G. S.
JHr, die ihr euch den wahn der welt verblenden laſſet,
Und den verkehrten ſchluß in die gedancken faſſet,
Die wahre gottesfurcht ſey lauter fantaſey,
Schaut unſre Stryckin an! Jhr tugend-volles leben
Kan euch in dieſer nacht ein helles licht abgeben,
Jch weiß, es faͤllt euch dann ein ander urtheil bey.
Wir geben gerne zu: Daß in Egyptens wuͤſten
Mehr molch und crocodil, als fromme tauben, niſten:
Und daß die froͤmmigkeit ein ſeltner vogel iſt.
Wir geben gerne nach: Daß menſchen ihre flecken
Mit einem bloſſen ſchein, und ſich mit maſquen decken,
So daß man offt den wolff ſelbſt vor ein ſchaf erkieſt.
Doch falſcher purpur kan nicht aͤchtem purpur gleichen:
Es wird kein ſchlechter ſtein den diamant erreichen,
So ſehr ihn auch die kunſt mit folgen helffen kan.
Man muß die geiſter nur recht auf die probe ſtellen.
Man kennt die worte ſchon, die aus den hertzen quellen,
Die wercke geben bald den Phariſaͤer an.
Der Stryckin, deren leib hier auf dem ſarge lieget,
Der Stryckin, deren geiſt die hoͤchſte ruh vergnuͤget,
Der Stryckin gottesfurcht hielt alle proben aus.
Erwegt, wie ſie gelebt! Jhr wandel liegt am tage.
Der weiſen urtheil croͤnt hier die gemeine ſage:
Der Stryckin hertze war kein uͤbertuͤnchtes haus.
Bißweilen huͤllt die noth uns in das kleid der tugend;
Jhr ſchien des gluͤckes gunſt von ihrer gruͤnen jugend,
Von ihrer wiegen an, biß in die finſtre grufft.
Die mittel fehlten nicht, der welt ſich zu bedienen,
Man ſah der ehren krantz um ihre ſchlaͤfe gruͤnen.
Jndeſſen daͤmpfft ihr geiſt der eitlen regung dufft.
Der hochmuth iſt ihr nie in ihren kopff geſtiegen,
Sie hieß die prahlerey zu ihren fuͤſſen liegen,
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |