Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Es herrschte zwar von zarter jugend Die frömmigkeit in deiner brust; Wem aber ist die macht der tugend Jn ihrem wachsthum unbewust? Die Gottesfurcht hat ihre grade; Kein ceder-reis wird gleich ein baum: Der mensch nimmt zu durch fleiß und gnade, GOtt selber gönnt ihm zeit und raum. Diß wachsthum war dein liebstes glücke, Das himmelreich dein eintzig ziel: Wiewohl indeß durch sein geschicke Dir auch der erden gut zufiel. Hier war kein mangel zu erstatten, Vergnügung füllte dein gemach: Die ehre folgte, wie der schatten, Der tugend-vollen Stryckin nach. Du aber, höchst-beglückte seele! Warst nicht von der gemeinen art, Ob dir aus dieser düstren höle Gleich ein beliebtes Eden ward. Du liessest schätz und welt-getümmel Dir nicht die minste hindrung seyn, Und also giengst du in den himmel Bey noch nicht spätem alter ein. Die Stryckin ist dann nicht gestorben: Diß sey der trost, der thränen dämpfft! Sie hat den sieges-krantz erworben: Sie hat den guten kampff gekämpfft: Sie hat, wornach ihr geist gestrebet: Sie hat ein gut, das nie verdirbt. Wie seelig ist, der also lebet! Noch seeliger, der also stirbt! Auf
Begraͤbniß-Getichte. Es herꝛſchte zwar von zarter jugend Die froͤmmigkeit in deiner bruſt; Wem aber iſt die macht der tugend Jn ihrem wachsthum unbewuſt? Die Gottesfurcht hat ihre grade; Kein ceder-reis wird gleich ein baum: Der menſch nimmt zu durch fleiß und gnade, GOtt ſelber goͤnnt ihm zeit und raum. Diß wachsthum war dein liebſtes gluͤcke, Das himmelreich dein eintzig ziel: Wiewohl indeß durch ſein geſchicke Dir auch der erden gut zufiel. Hier war kein mangel zu erſtatten, Vergnuͤgung fuͤllte dein gemach: Die ehre folgte, wie der ſchatten, Der tugend-vollen Stryckin nach. Du aber, hoͤchſt-begluͤckte ſeele! Warſt nicht von der gemeinen art, Ob dir aus dieſer duͤſtren hoͤle Gleich ein beliebtes Eden ward. Du lieſſeſt ſchaͤtz und welt-getuͤmmel Dir nicht die minſte hindrung ſeyn, Und alſo giengſt du in den himmel Bey noch nicht ſpaͤtem alter ein. Die Stryckin iſt dann nicht geſtorben: Diß ſey der troſt, der thraͤnen daͤmpfft! Sie hat den ſieges-krantz erworben: Sie hat den guten kampff gekaͤmpfft: Sie hat, wornach ihr geiſt geſtrebet: Sie hat ein gut, das nie verdirbt. Wie ſeelig iſt, der alſo lebet! Noch ſeeliger, der alſo ſtirbt! Auf
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Begraͤbniß-Getichte.
Es herꝛſchte zwar von zarter jugend
Die froͤmmigkeit in deiner bruſt;
Wem aber iſt die macht der tugend
Jn ihrem wachsthum unbewuſt?
Die Gottesfurcht hat ihre grade;
Kein ceder-reis wird gleich ein baum:
Der menſch nimmt zu durch fleiß und gnade,
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Diß wachsthum war dein liebſtes gluͤcke,
Das himmelreich dein eintzig ziel:
Wiewohl indeß durch ſein geſchicke
Dir auch der erden gut zufiel.
Hier war kein mangel zu erſtatten,
Vergnuͤgung fuͤllte dein gemach:
Die ehre folgte, wie der ſchatten,
Der tugend-vollen Stryckin nach.
Du aber, hoͤchſt-begluͤckte ſeele!
Warſt nicht von der gemeinen art,
Ob dir aus dieſer duͤſtren hoͤle
Gleich ein beliebtes Eden ward.
Du lieſſeſt ſchaͤtz und welt-getuͤmmel
Dir nicht die minſte hindrung ſeyn,
Und alſo giengſt du in den himmel
Bey noch nicht ſpaͤtem alter ein.
Die Stryckin iſt dann nicht geſtorben:
Diß ſey der troſt, der thraͤnen daͤmpfft!
Sie hat den ſieges-krantz erworben:
Sie hat den guten kampff gekaͤmpfft:
Sie hat, wornach ihr geiſt geſtrebet:
Sie hat ein gut, das nie verdirbt.
Wie ſeelig iſt, der alſo lebet!
Noch ſeeliger, der alſo ſtirbt!
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