Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Hochzeit-Getichte.
Daß manche vor der zeit erkrancken und verblassen,
Das hat gemeiniglich die heisse brunst gethan:
Wie viele dirnen gehn mit tieffem ach! zu bette,
Weil sich ein kalter greiß an ihre seite streckt?
Wie mancher flatter-hanß liegt an der schmermuths-kette,
Weil sein verwehntes maul nicht stets was neues leckt?
Ein ander kratzet sich gewaltig in dem kopffe,
Nachdem sein stoltzer schatz sein geld und gut verprahlt:
Und jener kriegt sein weib aus eyfer bey dem zopffe,
Weil sie ihm seinen kuß nicht theur genung bezahlt.
Dort gehet Corydon, der sich so früh verliebet,
Und aus der lehr und schul ins hochzeit-bette gieng.
Nächsthin saß Corniger gebückt und höchst betrübet,
Weil ihm ein langes horn an seiner stirne hieng.
Jch könte noch sehr viel dergleichen unheil melden;
Allein das enge blat faßt dessen menge nicht:
Man kennet ohnedem die unbeglückten helden,
Die Venus und ihr sohn so übel zugericht.
Kan aber wohl ein mensch dergleichen liebe loben?
Wer ihr gehorchen will, ist billich tadelns werth.
Jndessen hat sie doch so mancher thor erhoben,
Ob ihn die schmeicheley schon noch so offt gefährt.
Dergleichen lieb ist blind, und gleichet einem kinde,
Das unverständig ist, und nichts als spielen kan;
Wer blinden leitern solgt, der schifft mit schlechtem winde,
Kein kluger nimmt ein kind zu seinem lehrer an.
So ist die liebe nicht, hoch-werthes paar! beschaffen,
Zu der dir jeder mund gelücke wünschen muß.
Gesetzt, daß viele sich aus unverstand vergaffen;
Hier sieht und findet man nur einen klugen kuß:
Hier geht die liebe nicht mit zugebundnen augen:
Hier ist sie nicht ein kind, das unverständig spielt.
Es kan ja die vernunfft leicht aus den fingern saugen:
Daß eine tumme lieb auf keine wohlfahrt zielt;
Jhr aber, deren lieb auf GOtt und witz gegründet,
Und also auch mit recht des lobes würdig ist,
Seyd
K 2
Hochzeit-Getichte.
Daß manche vor der zeit erkrancken und verblaſſen,
Das hat gemeiniglich die heiſſe brunſt gethan:
Wie viele dirnen gehn mit tieffem ach! zu bette,
Weil ſich ein kalter greiß an ihre ſeite ſtreckt?
Wie mancher flatter-hanß liegt an der ſchmermuths-kette,
Weil ſein verwehntes maul nicht ſtets was neues leckt?
Ein ander kratzet ſich gewaltig in dem kopffe,
Nachdem ſein ſtoltzer ſchatz ſein geld und gut verprahlt:
Und jener kriegt ſein weib aus eyfer bey dem zopffe,
Weil ſie ihm ſeinen kuß nicht theur genung bezahlt.
Dort gehet Corydon, der ſich ſo fruͤh verliebet,
Und aus der lehr und ſchul ins hochzeit-bette gieng.
Naͤchſthin ſaß Corniger gebuͤckt und hoͤchſt betruͤbet,
Weil ihm ein langes horn an ſeiner ſtirne hieng.
Jch koͤnte noch ſehr viel dergleichen unheil melden;
Allein das enge blat faßt deſſen menge nicht:
Man kennet ohnedem die unbegluͤckten helden,
Die Venus und ihr ſohn ſo uͤbel zugericht.
Kan aber wohl ein menſch dergleichen liebe loben?
Wer ihr gehorchen will, iſt billich tadelns werth.
Jndeſſen hat ſie doch ſo mancher thor erhoben,
Ob ihn die ſchmeicheley ſchon noch ſo offt gefaͤhrt.
Dergleichen lieb iſt blind, und gleichet einem kinde,
Das unverſtaͤndig iſt, und nichts als ſpielen kan;
Wer blinden leitern ſolgt, der ſchifft mit ſchlechtem winde,
Kein kluger nimmt ein kind zu ſeinem lehrer an.
So iſt die liebe nicht, hoch-werthes paar! beſchaffen,
Zu der dir jeder mund geluͤcke wuͤnſchen muß.
Geſetzt, daß viele ſich aus unverſtand vergaffen;
Hier ſieht und findet man nur einen klugen kuß:
Hier geht die liebe nicht mit zugebundnen augen:
Hier iſt ſie nicht ein kind, das unverſtaͤndig ſpielt.
Es kan ja die vernunfft leicht aus den fingern ſaugen:
Daß eine tumme lieb auf keine wohlfahrt zielt;
Jhr aber, deren lieb auf GOtt und witz gegruͤndet,
Und alſo auch mit recht des lobes wuͤrdig iſt,
Seyd
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0171" n="147"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hochzeit-Getichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Daß manche vor der zeit erkrancken und verbla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Das hat gemeiniglich die hei&#x017F;&#x017F;e brun&#x017F;t gethan:</l><lb/>
            <l>Wie viele dirnen gehn mit tieffem ach! zu bette,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ich ein kalter greiß an ihre &#x017F;eite &#x017F;treckt?</l><lb/>
            <l>Wie mancher flatter-hanß liegt an der &#x017F;chmermuths-kette,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ein verwehntes maul nicht &#x017F;tets was neues leckt?</l><lb/>
            <l>Ein ander kratzet &#x017F;ich gewaltig in dem kopffe,</l><lb/>
            <l>Nachdem &#x017F;ein &#x017F;toltzer &#x017F;chatz &#x017F;ein geld und gut verprahlt:</l><lb/>
            <l>Und jener kriegt &#x017F;ein weib aus eyfer bey dem zopffe,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie ihm &#x017F;einen kuß nicht theur genung bezahlt.</l><lb/>
            <l>Dort gehet Corydon, der &#x017F;ich &#x017F;o fru&#x0364;h verliebet,</l><lb/>
            <l>Und aus der lehr und &#x017F;chul ins hochzeit-bette gieng.</l><lb/>
            <l>Na&#x0364;ch&#x017F;thin &#x017F;aß Corniger gebu&#x0364;ckt und ho&#x0364;ch&#x017F;t betru&#x0364;bet,</l><lb/>
            <l>Weil ihm ein langes horn an &#x017F;einer &#x017F;tirne hieng.</l><lb/>
            <l>Jch ko&#x0364;nte noch &#x017F;ehr viel dergleichen unheil melden;</l><lb/>
            <l>Allein das enge blat faßt de&#x017F;&#x017F;en menge nicht:</l><lb/>
            <l>Man kennet ohnedem die unbeglu&#x0364;ckten helden,</l><lb/>
            <l>Die Venus und ihr &#x017F;ohn &#x017F;o u&#x0364;bel zugericht.</l><lb/>
            <l>Kan aber wohl ein men&#x017F;ch dergleichen liebe loben?</l><lb/>
            <l>Wer ihr gehorchen will, i&#x017F;t billich tadelns werth.</l><lb/>
            <l>Jnde&#x017F;&#x017F;en hat &#x017F;ie doch &#x017F;o mancher thor erhoben,</l><lb/>
            <l>Ob ihn die &#x017F;chmeicheley &#x017F;chon noch &#x017F;o offt gefa&#x0364;hrt.</l><lb/>
            <l>Dergleichen lieb i&#x017F;t blind, und gleichet einem kinde,</l><lb/>
            <l>Das unver&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t, und nichts als &#x017F;pielen kan;</l><lb/>
            <l>Wer blinden leitern &#x017F;olgt, der &#x017F;chifft mit &#x017F;chlechtem winde,</l><lb/>
            <l>Kein kluger nimmt ein kind zu &#x017F;einem lehrer an.</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t die liebe nicht, hoch-werthes paar! be&#x017F;chaffen,</l><lb/>
            <l>Zu der dir jeder mund gelu&#x0364;cke wu&#x0364;n&#x017F;chen muß.</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;etzt, daß viele &#x017F;ich aus unver&#x017F;tand vergaffen;</l><lb/>
            <l>Hier &#x017F;ieht und findet man nur einen klugen kuß:</l><lb/>
            <l>Hier geht die liebe nicht mit zugebundnen augen:</l><lb/>
            <l>Hier i&#x017F;t &#x017F;ie nicht ein kind, das unver&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;pielt.</l><lb/>
            <l>Es kan ja die vernunfft leicht aus den fingern &#x017F;augen:</l><lb/>
            <l>Daß eine tumme lieb auf keine wohlfahrt zielt;</l><lb/>
            <l>Jhr aber, deren lieb auf GOtt und witz gegru&#x0364;ndet,</l><lb/>
            <l>Und al&#x017F;o auch mit recht des lobes wu&#x0364;rdig i&#x017F;t,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">K 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Seyd</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0171] Hochzeit-Getichte. Daß manche vor der zeit erkrancken und verblaſſen, Das hat gemeiniglich die heiſſe brunſt gethan: Wie viele dirnen gehn mit tieffem ach! zu bette, Weil ſich ein kalter greiß an ihre ſeite ſtreckt? Wie mancher flatter-hanß liegt an der ſchmermuths-kette, Weil ſein verwehntes maul nicht ſtets was neues leckt? Ein ander kratzet ſich gewaltig in dem kopffe, Nachdem ſein ſtoltzer ſchatz ſein geld und gut verprahlt: Und jener kriegt ſein weib aus eyfer bey dem zopffe, Weil ſie ihm ſeinen kuß nicht theur genung bezahlt. Dort gehet Corydon, der ſich ſo fruͤh verliebet, Und aus der lehr und ſchul ins hochzeit-bette gieng. Naͤchſthin ſaß Corniger gebuͤckt und hoͤchſt betruͤbet, Weil ihm ein langes horn an ſeiner ſtirne hieng. Jch koͤnte noch ſehr viel dergleichen unheil melden; Allein das enge blat faßt deſſen menge nicht: Man kennet ohnedem die unbegluͤckten helden, Die Venus und ihr ſohn ſo uͤbel zugericht. Kan aber wohl ein menſch dergleichen liebe loben? Wer ihr gehorchen will, iſt billich tadelns werth. Jndeſſen hat ſie doch ſo mancher thor erhoben, Ob ihn die ſchmeicheley ſchon noch ſo offt gefaͤhrt. Dergleichen lieb iſt blind, und gleichet einem kinde, Das unverſtaͤndig iſt, und nichts als ſpielen kan; Wer blinden leitern ſolgt, der ſchifft mit ſchlechtem winde, Kein kluger nimmt ein kind zu ſeinem lehrer an. So iſt die liebe nicht, hoch-werthes paar! beſchaffen, Zu der dir jeder mund geluͤcke wuͤnſchen muß. Geſetzt, daß viele ſich aus unverſtand vergaffen; Hier ſieht und findet man nur einen klugen kuß: Hier geht die liebe nicht mit zugebundnen augen: Hier iſt ſie nicht ein kind, das unverſtaͤndig ſpielt. Es kan ja die vernunfft leicht aus den fingern ſaugen: Daß eine tumme lieb auf keine wohlfahrt zielt; Jhr aber, deren lieb auf GOtt und witz gegruͤndet, Und alſo auch mit recht des lobes wuͤrdig iſt, Seyd K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/171
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/171>, abgerufen am 03.05.2024.