Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Das dritte capitel.
1.
WIe selig ist ein mensch, der aus der wahrheit munde
Das wort des lebens lerut, und sie selbst reden hört.
Von menschen wird der mensch doch nicht so wohl ge-
lehrt.
Und von ihm selber kommt kein hertze bis zum grunde.
Ach waruni zancken wir um dinge, die subtil
Und doch nichts nütze sind? da GOtt um solcher willen,
Den, der sie gleich nicht weiß, doch nicht verdammen will.
Denn GOtt sieht auf das hertz, und nicht auf unsre grillen.
2.
Wir aber gehn dennoch und kümmern uns um sachen,
Die doch mehr unser schad, als unser nutzen sind.
So bleibt der tolle mensch bey heller sonne blind.
Ach last uns doch einmal von diesem schlaf erwachen!
Die streit- und rede-kunst gilt hier wahrhafftig nicht.
Von solchen eltern wird die wahrheit nicht gebohren,
Wo nicht des Lichtes wort des hertzens nebel bricht,
Und allen irrthum dämpfft, so gehen wir verlohren.
3.
Denn alle dinge sind aus einem Wort entsprossen,
Und alles lehret uns zu diesem Worte gehn.
Wer dieses nicht vernimmt, der kan auch nichts verstehn,
Weil es der anfang ist, aus dem der witz geflossen.
Drum wer in allen dich, und alles in dir liebt,
Der mag von dir, o Wort! du brunnen aller gaben!
Wohl einen festen sinn, der sich im guten übt,
Und ein in GOtt vergnügt und ruhig hertze haben.
4.
Drum, o du einige, du ewig-lichte Wahrheit!
Vereinige mich doch mit dir in deiner brunst!
Was ich sonst les' und hör', ist freylich nur ein dunst
Vor deines Geistes krafft, und deines wortes klarheit.
Was
S 3
Vermiſchte Gedichte.
Das dritte capitel.
1.
WIe ſelig iſt ein menſch, der aus der wahrheit munde
Das wort des lebens lerut, und ſie ſelbſt reden hoͤrt.
Von menſchen wird der menſch doch nicht ſo wohl ge-
lehrt.
Und von ihm ſelber kommt kein hertze bis zum grunde.
Ach waruni zancken wir um dinge, die ſubtil
Und doch nichts nuͤtze ſind? da GOtt um ſolcher willen,
Den, der ſie gleich nicht weiß, doch nicht verdammen will.
Denn GOtt ſieht auf das hertz, und nicht auf unſre grillen.
2.
Wir aber gehn dennoch und kuͤmmern uns um ſachen,
Die doch mehr unſer ſchad, als unſer nutzen ſind.
So bleibt der tolle menſch bey heller ſonne blind.
Ach laſt uns doch einmal von dieſem ſchlaf erwachen!
Die ſtreit- und rede-kunſt gilt hier wahrhafftig nicht.
Von ſolchen eltern wird die wahrheit nicht gebohren,
Wo nicht des Lichtes wort des hertzens nebel bricht,
Und allen irrthum daͤmpfft, ſo gehen wir verlohren.
3.
Denn alle dinge ſind aus einem Wort entſproſſen,
Und alles lehret uns zu dieſem Worte gehn.
Wer dieſes nicht vernimmt, der kan auch nichts verſtehn,
Weil es der anfang iſt, aus dem der witz gefloſſen.
Drum wer in allen dich, und alles in dir liebt,
Der mag von dir, o Wort! du brunnen aller gaben!
Wohl einen feſten ſinn, der ſich im guten uͤbt,
Und ein in GOtt vergnuͤgt und ruhig hertze haben.
4.
Drum, o du einige, du ewig-lichte Wahrheit!
Vereinige mich doch mit dir in deiner brunſt!
Was ich ſonſt leſ’ und hoͤr’, iſt freylich nur ein dunſt
Vor deines Geiſtes krafft, und deines wortes klarheit.
Was
S 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0279" n="277"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Das dritte capitel.</hi> </hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">W</hi>Ie &#x017F;elig i&#x017F;t ein men&#x017F;ch, der aus der wahrheit munde</l><lb/>
            <l>Das wort des lebens lerut, und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t reden ho&#x0364;rt.</l><lb/>
            <l>Von men&#x017F;chen wird der men&#x017F;ch doch nicht &#x017F;o wohl ge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">lehrt.</hi> </l><lb/>
            <l>Und von ihm &#x017F;elber kommt kein hertze bis zum grunde.</l><lb/>
            <l>Ach waruni zancken wir um dinge, die &#x017F;ubtil</l><lb/>
            <l>Und doch nichts nu&#x0364;tze &#x017F;ind? da GOtt um &#x017F;olcher willen,</l><lb/>
            <l>Den, der &#x017F;ie gleich nicht weiß, doch nicht verdammen will.</l><lb/>
            <l>Denn GOtt &#x017F;ieht auf das hertz, und nicht auf un&#x017F;re grillen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/>
            <l>Wir aber gehn dennoch und ku&#x0364;mmern uns um &#x017F;achen,</l><lb/>
            <l>Die doch mehr un&#x017F;er &#x017F;chad, als un&#x017F;er nutzen &#x017F;ind.</l><lb/>
            <l>So bleibt der tolle men&#x017F;ch bey heller &#x017F;onne blind.</l><lb/>
            <l>Ach la&#x017F;t uns doch einmal von die&#x017F;em &#x017F;chlaf erwachen!</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;treit- und rede-kun&#x017F;t gilt hier wahrhafftig nicht.</l><lb/>
            <l>Von &#x017F;olchen eltern wird die wahrheit nicht gebohren,</l><lb/>
            <l>Wo nicht des Lichtes wort des hertzens nebel bricht,</l><lb/>
            <l>Und allen irrthum da&#x0364;mpfft, &#x017F;o gehen wir verlohren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/>
            <l>Denn alle dinge &#x017F;ind aus einem Wort ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und alles lehret uns zu die&#x017F;em Worte gehn.</l><lb/>
            <l>Wer die&#x017F;es nicht vernimmt, der kan auch nichts ver&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Weil es der anfang i&#x017F;t, aus dem der witz geflo&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Drum wer in allen dich, und alles in dir liebt,</l><lb/>
            <l>Der mag von dir, o Wort! du brunnen aller gaben!</l><lb/>
            <l>Wohl einen fe&#x017F;ten &#x017F;inn, der &#x017F;ich im guten u&#x0364;bt,</l><lb/>
            <l>Und ein in GOtt vergnu&#x0364;gt und ruhig hertze haben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/>
            <l>Drum, o du einige, du ewig-lichte Wahrheit!</l><lb/>
            <l>Vereinige mich doch mit dir in deiner brun&#x017F;t!</l><lb/>
            <l>Was ich &#x017F;on&#x017F;t le&#x017F;&#x2019; und ho&#x0364;r&#x2019;, i&#x017F;t freylich nur ein dun&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Vor deines Gei&#x017F;tes krafft, und deines wortes klarheit.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">S 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0279] Vermiſchte Gedichte. Das dritte capitel. 1. WIe ſelig iſt ein menſch, der aus der wahrheit munde Das wort des lebens lerut, und ſie ſelbſt reden hoͤrt. Von menſchen wird der menſch doch nicht ſo wohl ge- lehrt. Und von ihm ſelber kommt kein hertze bis zum grunde. Ach waruni zancken wir um dinge, die ſubtil Und doch nichts nuͤtze ſind? da GOtt um ſolcher willen, Den, der ſie gleich nicht weiß, doch nicht verdammen will. Denn GOtt ſieht auf das hertz, und nicht auf unſre grillen. 2. Wir aber gehn dennoch und kuͤmmern uns um ſachen, Die doch mehr unſer ſchad, als unſer nutzen ſind. So bleibt der tolle menſch bey heller ſonne blind. Ach laſt uns doch einmal von dieſem ſchlaf erwachen! Die ſtreit- und rede-kunſt gilt hier wahrhafftig nicht. Von ſolchen eltern wird die wahrheit nicht gebohren, Wo nicht des Lichtes wort des hertzens nebel bricht, Und allen irrthum daͤmpfft, ſo gehen wir verlohren. 3. Denn alle dinge ſind aus einem Wort entſproſſen, Und alles lehret uns zu dieſem Worte gehn. Wer dieſes nicht vernimmt, der kan auch nichts verſtehn, Weil es der anfang iſt, aus dem der witz gefloſſen. Drum wer in allen dich, und alles in dir liebt, Der mag von dir, o Wort! du brunnen aller gaben! Wohl einen feſten ſinn, der ſich im guten uͤbt, Und ein in GOtt vergnuͤgt und ruhig hertze haben. 4. Drum, o du einige, du ewig-lichte Wahrheit! Vereinige mich doch mit dir in deiner brunſt! Was ich ſonſt leſ’ und hoͤr’, iſt freylich nur ein dunſt Vor deines Geiſtes krafft, und deines wortes klarheit. Was S 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/279
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/279>, abgerufen am 11.05.2024.